Murdered: Soul Suspect (Xbox One) im Test
Egal, ob Sherlock Holmes, Columbo oder einer der unzähligen Tatort-Kommissare: Keiner musste bisher so einen Fall lösen wie Ronan O’Connor – seinen eigenen! Gerade erschossen, geht man in Square Enix’ Murdered: Soul Suspect in Geisterform auf die Spur des eigenen Mörders. Was das Spiel zu bieten hat, lest ihr hier im Test.
Geisterhaftes Erlebnis
Die Story von Murdered: Soul Suspect spielt in Salem, das wohl hauptsächlich wegen seiner im 17. Jahrhundert durchgeführten grausamen Hexenprozesse bekannt ist. Gleich zu Beginn des Spiels wird Ronan von einer Gestalt aus dem Fenster eines zweistöckigen Hauses geworfen. Als er wieder zu sich kommt, steht er auf der Straße, wo sein eigener, bewusstloser Körper neben ihm liegt. Eine Person verlässt das Haus – es ist der Glockenmörder, der Ronan sieben Schüsse in die Brust jagt. Ronans Geist muss hilflos zusehen, wie er eiskalt hingerichtet wird.
So beginnt die Geschichte von Murdered: Soul Suspect mit einem spannenden Einstieg und sehr viel Potenzial – ein Potenzial, das leider nicht immer genutzt wird. Trotzdem gehört der Ansatz von Murdered: Soul Suspect gelobt! Ein Action-Adventure, das ohne große Ballereien und ohne muskelbepackten Helden auskommt und einen spannenden Krimi erzählen will, verdient Respekt.
Guter Krimi, aber flache Charaktere
Die Geschichte ist prinzipiell spannend und ereignisreich und hat auch ein paar interessante Überraschungen auf Lager, auch wenn sich die Story manchmal selbst im Weg steht. Besonders die deutsche Vertonung ist hervorragend und trägt viel zur Atmosphäre bei. Es entstehen aber immer wieder unnötige Längen, da Ronan die wichtigsten Ereignisse noch einmal zusammenfasst oder diese in Flashbacks gezeigt werden. Das nimmt den überraschenden Wendungen die Wirkung und wird auf Dauer nervig. Die Geschichte von Murdered: Soul Suspect hat aber trotz der genannten Schwächen ihre großen Momente, in denen eine tolle Atmosphäre herrscht und viel Spannung erzeugt wird. Besonders Ronans Erinnerungsfetzen, die die Vergangenheit von Ronan enthüllen, motivieren dazu, am Spiel dranzubleiben.
Die Charakterentwicklung ist dabei ganz anders, diese stagniert quasi von Beginn weg. Ronan hat eine bewegende Hintergrundgeschichte mit kriminellen Machenschaften und einer tragischen Liebe. In der Gegenwart, sprich während des Spiels, entwickelt er sich aber nicht weiter, und das, obwohl er sehr viel durchmachen muss. Dadurch wirkt Ronan an mehreren Stellen des Spiels ziemlich eindimensional.
Es war der Gärtner im Schlafzimmer mit dem Kerzenleuchter!
Als Geist kann Ronan keine Gegenstände mehr bewegen, dafür aber durch Wände und Gegenstände gehen – aber nicht durch alle! Die geweihten Häuser Salems kann Ronan nicht durchschreiten, da muss der Geisterdetektiv auf ein offenes Fenster oder eine Türe hoffen bzw. sich anders Einlass verschaffen. Abseits davon muss man, wie es sich für einen Polizisten gehört, nach sehr vielen Indizien suchen, die atmosphärische Flashbacks auslösen und dadurch anzeigen, was an diesem Ort geschehen ist. Weiters kann man in Menschen hineinschlüpfen, so interessante Gespräche belauschen und dadurch an wichtige Informationen gelangen. Leider gibt es auch einige Leute in Salem, die nur über einen faden Standardspruch verfügen und nichts Spannendes zu erzählen haben. Sobald man genügend Hinweise gesammelt hat, wechselt man zu einem Bildschirm, wo alle Fakten und Hinweise fein säuberlich aufgelistet werden. Dann gilt es, den richtigen Tathergang herzuleiten. Meistens sind die Rätsel dabei logisch, es gibt aber auch Fälle, bei denen mir nicht ganz klar war, was passiert ist. Das ist aber auch egal, denn wer auf die falsche Antwort klickt, bekommt lediglich eine schlechtere Bewertung. So kann man quasi das gesamte Spiel lösen – herausfordernd ist das nicht. Trotzdem macht das Rätseln Spaß, man muss sich eben eigene Ziele stecken!
Gruselgeschichten und träge Detektivarbeit
Macht es zu Beginn noch Freude, nach Hinweisen zu suchen, wird man später geradezu mit Hinweisen zugeschüttet. Da verkommt die spannende Suche ein wenig zur schon bekannten Routine, was auch die Story ausbremst. Aber abseits der Hauptgeschichte gibt es viel zu tun und zu entdecken. Findet man z. B. alle Geisterboiler, schaltet man eine gruselige Geschichte frei, die tieferen Einblick in das Geschehen von Salem gibt. Um noch ein bisschen mehr Abwechslung hineinzubringen, gibt es die paranormal begabte Joy, die einzige Person im Spiel, die Ronan hören und auch sehen kann. Dadurch entstehen ein paar neue Situationen, z. B. muss Ronan Joy einmal helfen, aus dem Polizeipräsidium herauszukommen. So spiele ich mit Ronan den Poltergeist und lasse Dinge zu Boden fallen oder Kopiergeräte verrücktspielen. Blöd nur, dass manche Leute trotz dieser höchst „unnatürlichen“ Situationen nicht darauf reagieren. Manchmal schafft man es aber dadurch, einen neuen Weg freizuschalten.
Dämonen und Katzen
Außerdem gibt es noch die Dämonen, die früher, wie Ronan, als Geist durch Salem liefen, es aber nicht schafften, ihre Aufgabe zu erledigen. Wenn ihr diesen rot leuchtenden Kreaturen in die Arme lauft, segnet Ronan ganz schnell endgültig das Zeitliche. Im Normalfall sind sie aber keine besonders große Herausforderung, man kann sich ohne Probleme an ihnen vorbeischleichen oder sie von hinten ausschalten. Das Ausweichen und die Jagd auf die Dämonen laufen immer gleich ab und werden deshalb auf Dauer langweilig.
Das letzte nennenswerte Nebenfeature ist, dass Ronan sich in den Körper einer Katze versetzen kann. Das macht Spaß, da man so viele neue Wege entdecken und z. B. über Ranken oder durch Lüftungsschächte klettern kann.
Fazit
Leider gibt es in Murdered: Soul Suspect mehrere Elemente, wie die Dämonen, die zwar nett inszeniert, nach einiger Zeit aber ausgelutscht sind und dann routinemäßig abgeklappert werden. Square Enix und Airtight Games haben aber sehr viel Mut bewiesen und viele innovative Ansätze abgeliefert. Leider sind noch nicht alle ausgereift oder zu Ende gedacht, wodurch das Action-Adventure an Herausforderung verliert und bei Weitem nicht sein volles Potenzial ausschöpfen kann. Man sollte Murdered: Soul Suspect aber trotzdem eine Chance geben, denn das Spiel hat sehr atmosphärische und spannende Momente. Trotz der Kritikpunkte bei der Story und der nicht immer überzeugenden Charaktere schafft es Murdered: Soul Suspect, mich zum Weiterspielen zu motivieren. Die Hintergrundgeschichte von Ronan und der sagenumwobenen Kleinstadt Salem fesselt mich an den Bildschirm. Wer mit ein paar Macken klarkommt, kann sich den sieben- bis neunstündigen Krimi getrost einmal anschauen. Schade trotzdem, dass Murdered: Soul Suspect viel Potenzial verschenkt hat – vielleicht kann man die bisherigen Designschwächen in einem Nachfolger ausbügeln.