Rainbow Six: Siege (PS4) im Test
Counter Strike ist bis heute eines der größten Videospielphänomene, die es gibt und trotzdem existiert kaum Konkurrenz, wenn es um taktische Shooter in kleinen Gruppen geht. Ubisofts Rainbow Six: Siege hat nun den Anspruch dies zu ändern und möchte vor allem Hardcore-Gamern endlich wieder ein komplexes und Skill getriebenes Spiel abliefern. Ob man mit diesem Konzept langfristig eine große Anzahl an SpielerInnen an sich binden kann, muss sich erst zeigen.
Rainbow Six ungleich Rainbow Six: Siege
Der Name Rainbow Six steht aber auch für spannende und hochgradig knifflige Solokampagnen, in denen eine durchgängige Geschichte erzählt wird. All das steckt aber keinesfalls in Rainbow Six: Siege! Es gibt zwar elf Einzelspielermissionen und auch einen Modus für bis zu fünf SpielerInnen, diese taugen aber eher als Tutorial und Einstieg in das Spiel, erzählen aber keine Geschichte. So lernt man etwa, wie man Wände sprengt, Hausdächer per Seil erklimmt oder als Verteidiger sich mit Holzbarrikaden und Stahlwänden einigelt. Die Missionen sind je nach Schwierigkeitsgrad nach wenigen Stunden durch, geben aber recht geschickt einen Ausblick darauf, was Spielerinnen und Spieler im Multiplayer erwarten wird.
Der Koopmodus Terrorist Hunt kann alleine oder mit Freunden gespielt werden. Die KI der Terroristen weiß mit intelligentem Granateneinsatz und schnellem Schießen zu beeindrucken, eine große Offenbarung ist Terrorist Hunt aber trotzdem nicht. Ähnlich wie beim neuen Star Wars: Battlefront setzen die Entwickler mir hier nur Häppchen vor. Allerdings kann ich das in diesem Fall Rainbow Six: Siege nicht vorwerfen, da die Missionen hier nur als sanfter Einstieg ins Spiel angelegt wurden und der Titel voll auf Multiplayer abzielt (und dabei keine Star Wars Lizenz verbrennt). Für alle Solisten gilt aber unbedingt: Finger weg!!!
Realistischer Anti-Terror Einsatz
Überhaupt bleibt von der Rainbow Six Marke nicht viel übrig, denn merkwürdiger Weise treten hier Anti-Terroreinheiten gegen Anti-Terroreinheiten an. Mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit wollte man damit eine gewisse Political Correctness aufrechterhalten und so in Zeiten von ISIS und Co nicht zu stark anzuecken. Sei’s drum, dem Spiel schadet das nicht, denn die Atmosphäre zieht Rainbow Six: Siege aus seinen unvergleichlichen Situationen. Als Verteidiger sitze ich in einem heruntergekommenen Zimmer, das dank ausgelegter Stacheldrahtfallen und Holz-, sowie Stahlbarrieren mehr an eine Baustelle erinnert. Trotz Voice-Chat ist es mucksmäuschenstill, denn der Sound ist ein enorm wichtiges Element in Rainbow Six: Siege. Zu fünft kauern wir hinter unseren Deckungen und warten, warten auf ein verräterisches Geräusch, vielleicht ein paar Schritte. Die Gänsehautatmosphäre, die in diesem Moment herrscht ist kaum zu beschreiben und dann passiert es: Holz splittert, Beton kracht und hinter und vor meinem Team detonieren zwei Bomben, die unsere Deckung geschickt in Schutt und Asche legen. Dann geht alles ganz schnell, bei zwei von meinen Kollegen kann ich nur mehr zusehen, wie sie von mehreren gezielten Schüssen getötet werden. Allerdings hat mein Team einen Tachanka in den eigenen Reihen, eine russische Spezialeinheit (Spetsnaz), die ein stationäres MG bedient. In einem heillosen Durcheinander können zwar noch drei Gegner ausgeschaltet werden, wir verlieren die Runde aber trotzdem.
Goodies, Gadgets und Operator
Gerade zu Beginn ist man bei Rainbow Six: Siege sehr schnell überfordert, denn mit den 20 Klassen (10 Verteidiger, 10 Angreifer) sind unglaublich viele taktische Optionen möglich. Ob Sprengfallen, Drohnen, Vorschlaghammer, Gas- und Blendgranaten, Störgeräte oder ein Herzschlagmonitor, mit dem man nahe gelegene Feinde durch Wände hindurch erkennen kann, der Taktik-Shooter verbirgt auch noch nach vielen Stunden neue Optionen, die ausprobiert werden wollen. Nachdem diese Gerätschaften aber nur einzeln pro Klasse verfügbar sind, ist schon die Wahl der Spezialeinheit von größter Wichtigkeit. Übrigens, jeder Angreifer bzw. Verteidiger, inklusive aller Waffen und Modifikationen, muss erst freigespielt werden. Bei jeder Singleplayer- und Multiplayerrunde bekommt man eine ordentliche Menge an Renown, die Ingame Währung des Spiels, spendiert. Diese kann auch per Echtgeld erworben werden, was ich aber keineswegs empfehlen kann, denn mich hat das Sammeln von Spezialeinheiten und neuen Waffen ungemein motiviert. Das System ist dabei nie unfair und sogar Gegenstände, die nur das Aussehen verändern, sind erspielbar. Nach ca. 20 Stunden hatte ich ungefähr die Hälfte aller Klassen, inklusive einiger Spezialisierungen freigeschaltet.
Ohne Teamplay geht nichts!
Aber auch das beste Gadget hilft nichts, wenn jeder als Einzelgänger herumläuft. Die Klassen geben zwar vor was ungefähr zu tun ist, doch der Voice-Chat ist schon fast verpflichtend. Zudem funktioniert es auch besser gemeinsam einen Plan auszuhecken und diesen dann gut getimt vorzugehen. Gerade weil nicht nur Vorschlaghämmer, sondern bei dünnen Wänden auch Kugeln Löcher hinterlassen, kann jeder Schlitz über Leben und Tod entscheiden. So muss auch immer wieder verständigt werden, wer welchen Bereich absichert. Dadurch schafft Rainbow Six: Siege ein enorm kurzweiliges und dynamisches Katz und Maus Spiel, wobei zu jedem Zeitpunkt die Rollen wechseln können. Weder ein Battlefield noch ein CS bieten mir momentan so ein variantenreiches und auf Teamplay basierendes Spielerlebnis. Dafür muss man naturgemäß aber auch mit der hohen Lernkurve klarkommen, denn hier ist jeder Fehler tödlich.
Ein „langfristiges Projekt“
Ob eine Boeing 747, ein weitläufiges Industriegebiet, oder eine Bank mit Tresorraum und Keller, die elf Maps von Rainbow Six: Siege sind zwar unscheinbar, aber vom Level-Design her großartig. Die Karten wurden so konzipiert, dass weder die eine noch die andere Seite große Vorteile hat. In den meisten Fällen kann man sich sowieso überall durchsprengen. Allerdings sind die 60 € für das Spiel etwas teuer bemessen, wenn man bedenkt, dass Rainbow Six: Siege „nur“ über elf Maps und keinen wirklichen Singleplayer verfügt. Ubisoft sieht den Titel aber als langfristiges Projekt, das Spielerinnen und Spieler dazu bewegen soll, immer wieder zurückzukehren. Alle Maps, sowie auch mögliche neue Modi werden in Zukunft gratis veröffentlicht werden. Die vier neuen Klassen, die geplant sind werden jeweils 25000 Renown (ca. 25 Spielstunden) oder ca. 7 Dollar kosten. Prinzipiell finde ich den Ansatz mit den gratis Karten äußerst nobel, da so die Community durch etwaige DLCs nicht gespaltet wird (siehe Mappacks bei anderen Shootern). Wie sich das mit den neuen Spezialeinheiten in der Praxis verhält, kann niemand momentan realistisch vorher sagen. Selbstverständlich stehe ich diesem Punkt kritisch gegenüber, ich möchte diesen aber nicht in die Wertung einfließen lassen, da nicht bewertet werden kann, ob dieses System positiv oder negativ ausfallen wird. Ein bisschen mehr Content könnte Rainbow Six: Siege aber gut vertragen.
Fazit
Rainbow Six: Siege wurde für eine ganz spezifische Gruppe von SpielerInnen entworfen. Leute, die einen „realistischen“ Taktik-Shooter zu schätzen wissen, werden hell auf begeistert sein. Das Spiel bietet in diesem Genre ein einzigartiges Gameplayfeeling, das auf schnelles Handeln und vor allem auch Teamplay voraussetzt. Wer hier die Einarbeitungszeit in Kauf nimmt, erhält eine der coolsten und packendsten Spieleerfahrungen, die es im Multiplayerbereich gibt. Diese Spielerfahrung meistert Rainbow Six: Siege grandios und wird auch nach etlichen Stunden nicht langweilig. Mit der enormen Vielfalt an Taktiken und Vorgehensweisen fühlt sich das Spiel, wie eine Art Hochgeschwindigkeitsschach an, bei dem jeder Patzer tödlich sein kann.
Das gilt aber nur für das Spielen mit Voice-Chat, inklusive einer teamfähigen Gruppe aus fünf Leuten. Zudem gibt es da draußen sicherlich viele enttäuschte Fans, die stattdessen sich eine Singleplayerkampagne gewünscht haben, aber das kann und möchte ich dem Spiel so nicht ankreiden. Das gilt zudem auch für die Erweiterungen und die zukünftige Monetarisierung von Rainbow Six: Siege. Zudem ist der Umfang mit 20 Klassen und elf Karten zu Release sehr gut, dafür hat man ansonsten wenig, bis keinen Umfang. Wer aber eine Art modernes CS sucht, (und von denen gibt es bis auf die Neuauflage von Valve kaum welche am Markt) wird mit Rainbow Six: Siege sehr lange, sehr viel Spaß haben.