Sword Coast Legends (PC) im Test
Die Ruhmestage der D & D-Videospiele scheinen irgendwo unter dem HD-Gletscher der Skyrim-Ära begraben. Isometrische Ansicht und pausierbarer Kampf, der nicht dennoch in einem chaotischen Gemetzel ausartet? Kaum vorstellbar! Sword Coast Legends (kurz SCL) sollte das jedoch ändern und die guten alten Tage von Icewind Dale und Baldur’s Gate wieder aufleben lassen. Inklusive (theoretisch) versatilen „Dungeon Master“-Modus! Versprochen wurde eine Online-Alternative zum analogen Versammeln um den Tisch – gehalten wurde dann doch eher weniger. Ob Sword Coast Legends dennoch Spaß macht, könnt ihr in meinem Test erfahren.
Für eine Handvoll Würfel
Als jemand, der sich allwöchentlich mit einem Haufen FreundInnen zusammentut, um Würfel über den Tisch rollen zu lassen, war ich natürlich versessen darauf, meine Klauen in ein Spiel zu versenken, das vorab als eine dem Ausgangsmaterial – der fünften Edition von D & D – treue Adaption angepriesen wurde. Mit der Pen-and-Paper-Version hat Sword Coast Legends jenseits des Settings nur sehr wenig gemein, was schon bei der Charaktererstellung offensichtlich ist. Es sind lediglich fünf Rassen und sechs Klassen verfügbar, also ungefähr nur die Hälfte jener im analogen Spiel verfügbaren. Eure Kombinationsmöglichkeiten sind in der Erstellung jedoch nicht eingeschränkt und obendrein all die üblichen Fantasy-Verdächtigen vorhanden – von spitzohrigen MagierInnen über langfingrige Halblinge bis hin zu ZwergInnen im Plattenpanzer. Weitere Rassen sollen in Kürze durch Gratis-DLCs folgen.
Wenn man jedoch den ersten Schritt ins tatsächliche Spiel wagt, erkennt man sehr schnell, dass sich sämtliche Klassen ähnlich spielen. Sich tiefer in den Talentbaumwald zu flüchten ist auch nur begrenzt eine Option, weil es nichts an der taktischen Komponente ändert – ganz zu schweigen davon, dass der vorhandene Ansatz nichts mit der fünften Edition von D & D zu tun hat. Es gilt, regungslos zuzusehen, wie die Charaktere mit faden automatischen Fähigkeiten auf die GegnerInnen einprügeln, bis die mächtigeren Fähigkeiten endlich nicht mehr durch Cooldowns blockiert sind. Spannend ist definitiv anders. Erschwerend kommt hinzu, dass das Geplänkel während des Kampfes sich sehr gern wiederholt. Womit der gleiche, furchtbar eingesprochene Satz gemeint ist. Dreimal hintereinander ohne Pause oder gar sich überlagernd. Das Voiceacting ist bei SCL generell eine qualitative Achterbahnfahrt, die mehr Tiefen als Höhen aufweist.
Gemeinsam gegen die Dunkelheit
Das generelle Feeling einer D & D-Kampagne ist jedoch schon vorhanden, auch wenn die Geschichte sich teilweise in Stereotypen verliert. Sword Coast Legends führt euch an die Schwertküste, eine der berühmtesten Gegenden in den Forgotten Realms, wo euer Charakter von prophetischen Albträumen geplagt eine Karawane begleitet. Natürlich bleibt es nicht bei kleineren Herausforderungen, und eine Bedrohung von titanischem Ausmaß muss abgewandt werden – größtenteils RPG-Standardkost. Die rekrutierbaren Charaktere sind breit gefächert genug, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Mein persönlicher Favorit bleibt der durch seine Selbstheilfähigkeit beinahe konstant besoffene Zwergenschurke, aber die Mondelf-Klerikerin mit ihrer tragischen Vergangenheit und ihrem unerschütterbaren Pflichtbewusstsein ist ebenfalls ein Highlight.
Jenseits der Kampagne lauert der Dungeon-Master-Modus, der einfach zu bedienen ist und mit jedem von den EntwicklerInnen nachgeschobenen Update mehr Form annimmt. Die vorhandenen DM-Items erlauben das schnelle Bauen von labyrinthähnlichen Dungeons mit allerhand Monstergewürm und Fallen, aber letzten Endes ist der DM-Modus weitaus einengender als ursprünglich angepriesen. So schnell wird kein Dungeon-Master seine Notizen zurücklassen, um gezwungenermaßen simple Quests (töte GegnerInnen, töte einen Boss oder finde Items) in der virtuellen Umgebung von SCL aus dem Boden zu stampfen.
Massive Ungezieferplage
Als dieser Testbericht entstand, litt Sword Coast Legends an einer großen Anzahl Bugs – manche nervig, wie das Spawnen von Companions sonst wo auf der Karte nach einer Cutscene, andere aktiv spielblockierend, wie das plötzliche Fehlen von QuestgeberInnen. Allem Anschein nach arbeiten die EntwicklerInnen jedoch fieberhaft an Bugfixes und releasen diese regelmäßig mitsamt kostenlosen DLCs (neue Rassen, DM-Items und andere Kleinigkeiten).
Fazit
Sehr viele der Missstände in Sword Coast Legends deuten darauf hin, dass es zu früh in die Verkaufsregale geschoben wurde – da hat die kurze Releaseverzögerung auch nicht mehr geholfen. Ein paar Monate länger auf dem Amboss hätten wahrscheinlich nicht nur die Bugs ausgemerzt, sondern auch für ein einprägsameres Kampfsystem gesorgt. Sword Coast Legends ist momentan nicht einmal eingefleischten D & D-SpielerInnen zu empfehlen, die dringend abseits ihrer analogen Eskapaden mehr von der Materie absorbieren wollen. Schade, eigentlich – der Funken eines spaßigen Spiels wäre vorhanden, auch wenn er sehr gut versteckt wurde.