Unsere Kinokritik zu Deadpool

von Max Hohenwarter 08.02.2016

Im Jahr 2000 war das erste mal eine Hollywood-Adaption von Marvels wohl kontroversestem Helden Deadpool im Gespräch. Seither triefte den Fans von Rob Liefelds Großmaul die Vorfreude aus dem Mund, wie Fett aus einer prall gestopften Chimichanga. Ob Ryan Reynolds Performance als Merc with a Mouth diesen Vorschusslorbeeren gerecht wird, erfahrt ihr in meiner Kinokritik.

Facts:

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  • Genre: Comicverfilmung/Action-Komödie
  • Regie: Tim Miller
  • Freigabe: ab 18 Jahren
  • Studio: 20th Century Fox

+++ACHTUNG!!!+++LEICHTE SPOILER KÖNNTEN FOLGEN!!!+++

Story:

Der ehemalige Special-Forces-Soldat Wade Wilson (Ryan Reynolds – Blade: Trinity, X-Men Origins: Wolverine) hat einfach alles: Eine Stripperin als Freundin, einen Job als Söldner und Stalker-Schreck, achja: und unheilbaren Krebs in Leber, Lunge, Prostata und Gehirn! Und das gerade, nachdem er seiner Angetrauten einen Antrag gemacht und sie ihm im Gegenzug das erste mal Analverkehr anbieten möchte. Scheiße gelaufen möchte man da fast sagen. Aber zum Glück gibt es da diesen absolut non-dubiosen Anzug-Träger, der in bester Homeshopping-Sender-Manier verspricht, den smarten Spaßvogel vor diesem Todesurteil zu bewahren. Aber das Beste kommt erst noch: dafür, dass der Krebspatient diese experimentelle Prozedur, der sich vor geraumer Zeit auch schon ein gewisser James „Logan“ Howlett a.k.a. Wolverine unterzog, über sich ergehen lässt, bekommt er als Bonus sogar noch Superkräfte spendiert! Dumm nur, dass der schmierige Typ im Anzug nicht erwähnte , dass er a) einen Sklaven aus der Testperson zu machen gedenkt, b) diese Heilung eher einer Folter gleichkommt, die Guantanamo Bay wie Kinder-Kirmes aussehen lässt und c) er dadurch komplett entstellt wird. Da vergeht selbst einem Großmaul wie Wade das Lachen. Letzten Endes schafft der Superheld in spe es aber aus dieser Versuchsanstalt zu entkommen. Ausgestattet mit seinen neuen Superheilkräften und einem Mundwerk, das schärfer schießt, als sein riesiges bleihaltiges Arsenal, schwört Wade, der sich fortan Deadpool nennt, seinen Peinigern im wahrsten Sinne des Wortes mordsmäßig witzige Rache – und was für einen riesigen Spaß er dabei hat, könnt ihr ab 12. Februar im Kino eures Vertrauens erleben!

Die unendliche (Produktions-)Geschichte von Deadpool

Wie bereits erwähnt gedenkt die Traumfabrik seit nunmehr 16 Jahren dem Söldner mit der großen Klappe ein Denkmal in Zelluloid zu setzen. Diverse Filmstudios und Regisseure sahen sich dieser Herausforderung nicht gewachsen. Zu gewalttätig, zu obszön sei Marvels Antiheld. Zu groß war allen das finanzielle Risiko, müsste man, um der Comicfigur Deadpool gerecht zu werden, doch eine Freigabe ab 18 anstreben. Das wiederum bedeutete, dass die Profite kleiner ausfallen würden, weil die eigentlich als Kassenschlager angelegten Comicverfilmungen eben nur zu solchen werden, da meist die ganze Familie ins Kino pilgert um die Superhelden bei ihrem Kampf gegen das Böse zu beobachten. Somit lag der Merc with a Mouth-Film erst einmal auf Eis. Anstatt dessen durften die Fans im 2009er Machwerk X-Men Origins: Wolverine beobachten, wie Wolverines „Erzf(r)eind“ quasi vergewaltigt wurde, hielten die Macher es doch für angebracht, aus Deadpool einen schlechten Abklatsch des Hauptprotagonisten mitsamt Laseraugen und obendrein zugenähtem Mund zu machen – the merc withOUT a mouth?! Seriously? WTF? Dass Rob Liefeld beim Anblick seines Kopfkindes nicht sofort Suizid beging und postum im Grab rotierte zeugt von wahrer Willensstärke! Doch nicht nur der Deadpool-Autor kann sich mit diesem Charakterzug schmücken. Selbige Willensstärke, oder sagen wir eher Sturheit, legten auch Hauptdarsteller Ryan Reynolds und Regisseur Tim Miller an den Tag: Sie versuchten ihre Vorstellung gegenüber dem Filmstudio Fox durchzusetzen mit einer Verfilmung, die dem Comic-Antihelden auch gerecht werden würde – und das wäre nunmal kein familienfreundlicher Film. Nachdem aber die 2010 gedrehten und 2014 gerade rechtzeitig zur San Diego Comic Con geleakten Testszenen bei den Fans des rot-schwarzen Enfant-Terribles derartige Begeisterungsstürme hervorriefen, gab 20th Century Fox dem lästigen Bitten und Betteln Reynolds und Millers endlich nach. Sogar einem R-Rating wurde zugestimmt. Die Erwartungshaltung der Deadpool-Jünger stieg ab diesem Freibrief natürlich ins Unermessliche.

Kinokritik:

Jetzt natürlich die große Frage: Haben die beiden Zermürber es geschafft? Werden sie Deadpool mit ihrem Film gerecht? FUCK, JA!

Das Gespann hat es wahrlich geschafft! Sie haben aus Deadpool das infantile, respektlose, sexbesessene und die vierte Wand nicht nur brechende, sondern schlichtweg ignorierende Großmaul gemacht, das er sein soll! Dies beginnt schon im grandiosen Vorspann zum Actionspektakel. Die in Ultra-Slow-Mo gedrehte Anfangssequenz bereitet die ZuschauerInnen bereits auf noch kommende Gags vor und strotzt nur so vor Selbstironie. Anstatt der üblichen dargestellten Rollen und Zuständigkeiten begnügt sich Deadpool damit, den Regisseur als „complete tool“ und den Bad-Guy Francis a.k.a. Ajax als britische Analdusche zu beschreiben. Doch das ist nur der Start des schmuddeligen Gagfeuerwerks, das nahezu den ganzen Film über abgefahren wird. Als Deadpool im späteren Verlauf im Vorbeigehen seine blinde Rentner-Mitbewohnerin anfurzt kommentiert er das nur trocken mit „Hashtag: Drive-By“. Abgesehen von diesen One-Linern, die Ryan Reynolds raushaut wie eine Maschinenpistole hat der Film aber auch grotesk komische Szenen zu bieten, die oftmals an Comedy-Shows, wie beispielsweise Family Guy erinnern. So spielt er, während er sich mit einem Taxi zum nächsten Gefecht chauffieren lässt, wie ein kleines Kind an den Fensterhebern herum und quetscht sich, nachdem ihn das langweilt, auf den Beifahrersitz, wo er dem indischen Taxifahrer Lektionen in der Bewältigung seiner Beziehungsproblematiken erteilt. Das ist absurde Komik vom Feinsten! Auch die Negierung der vierten Wand beherrscht der Merc with a Mouth so sehr, dass sie neben seinem Heilfaktor fast als zweite Superkraft gelten könnte. Er zählt für das Publikum während einer der vielen stylishen, unheimlich brutalen und cool choreografierten Actionsequenzen die Restmunition in seinem Magazin herunter oder bemerkt nebenbei, dass es ihm komisch vorkomme, dass sich auf Charles Xaviers – manchen besser bekannt als Professor X – Anwesen nur zwei Mutanten herumtreiben. Süffisant quittiert er das dann mit der Feststellung, dass den Produzenten für mehr und beliebtere X-Men wohl das Geld gefehlt habe. Einfach großartig!

Ich als großer Deadpool-Fanboy liebe diesen Film über alles, muss aber nun auch die negativen Seiten ansprechen. Was der Film an kruden und geschmacklosen Scherzen gut macht, das fehlt ihm an wirklich memorablen Widersachern. Sein Peiniger Francis bleibt total blass und sorgt maximal dafür, dass der Söldner mit der großen Klappe ein schlussendliches Ziel seiner Revenge-Rampage vor Augen hat. Er verkommt wirklich zu der im Titel beschriebenen „britischen Analdusche”. Gestört hat mich das aber nur wenig, denn dieser erste – und hoffentlich nicht letzte – Deadpool-Streifen ist am Ende des Tages das, was er sein soll: eine actionlastige, blutige und fast schon morbid-witzige Origin-Story. Sie liefert Späße, die für manche KinogängerInnen schon sehr hart an der Schmerzgrenze liegen. Fans des rot-schwarzen Großmauls werden aber genau diese tiefgehende Beschäftigung mit Wade Wilson alias Deadpool zu schätzen wissen. So bleibt auch mir nur vor Ryan Reynolds zweitem Anlauf, den Merc with a Mouth gebührend zu porträtieren, den Hut zu ziehen! Er spielt diese Rolle nicht nur, er IST Deadpool und wenn es nach ihm geht, spielt er laut eigener Aussage bis zum Ende seiner Tage keine andere Figur mehr! Dem schließe ich mich ehrfürchtig schweigend an und bettle, dass Deadpool der verdiente finanzielle Erfolg beschert sein möge, denn ich will mehr davon. Viel mehr.

In diesem Sinne: Wärmt eure Lachmuskeln auf, schmeißt schon mal ein paar Chimichangas in die Pfanne und geht danach in Deadpool um euch – wie ich – bei dieser unkonventionellen, actiongeladenen Comic-Helden-Comedy die Seele aus dem Leib zu lachen! Unbedingt anschauen!

Wertung: 9.5 Pixel

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[…] Deadpool erscheint am 23. Juni dieses Jahres auf DVD, Blu-ray und 4K-Ultra-HD-Blu-ray. Falls ihr wissen möchtet, welche Extras die Blu-ray bzw. die DVD zu bieten hat, seid ihr bei uns richtig! […]

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