Wir müssen über Ghostbusters reden

von Marianne Kräuter 11.08.2016

Vier toughe Frauen, gruselige Geister und jede Menge phantastische Hollywood-Physik: Ich habe vergangenes Wochenende das Reboot zu Ghostbusters im Kino gesehen. Doch das hier ist kein Testbericht. Das ist meine Reaktion auf eine ausgeartete „feministische“ Diskussion!

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Das Reboot

Allen, die den Film nicht gesehen haben, möchte ich zuerst kurz das Wichtigste über dessen Handlung erzählen: Ghostbusters versteht sich als Reboot des 1984 erschienenen, gleichnamigen Kultfilms. Eine geschichtliche Beziehung zum Original besteht nicht; lediglich einige Cameo-Auftritte zwinkern alten Fans der Serie zu.

Die neuen Ghostbusters setzen sich aus vier Frauen zusammen: Die Physikerin Erin Gilbert verwirkt aufgrund ihres Glaubens an das Paranormale ihre Chance auf eine Fixanstellung an der Universität. Sie begegnet ihrer alten Jugendfreundin Abby Yates wieder, die zusammen mit der exzentrischen Ingenieurin Jillian Holtzmann ihre Forschungen rund um das Übernatürliche fortgesetzt hat. Als die drei einem echten Geist begegnen, gründen sie daraufhin ein Büro, um Leuten bei ihren Problemen mit paranormalen Erscheinungen zu helfen. Später stößt noch die U-Bahn-Mitarbeiterin Patty Jolan zu der Gruppe, die in puncto Wissenschaft mit den anderen nicht mithalten kann, dafür jedoch praktisch alles über die Stadt New York und deren Geschichte weiß.

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Die Debatte

Wenn man nun über eine Komödie diskutiert, kann man sich darüber streiten, ob die schauspielerischen Leistungen gut waren, die Handlung einem gefallen hat, oder ob man über die Witze lachen konnte. Nicht so geschehen bei Ghostbusters: Bereits vor Erscheinen des Films herrschte Entrüstung, als angekündigt wurde, alle Hauptfiguren mit weiblichen Darstellerinnen zu besetzen. „Das ist nicht mehr Ghostbusters“ oder „Wenn schon Gleichberechtigung, warum nicht ein gemischtes Team? Warum müssen es ausschließlich Frauen sein?“ gehören zu den gesittetsten Kommentaren, die im Internet herumgeistern (no pun intended!). In der Debatte, zu der ich mich in diesem Text äußern möchte, geht es also hauptsächlich darum, wie Regisseur Paul Feig es wagen konnte, Ghostbusters in den Hauptrollen ausschließlich mit Frauen zu besetzen.

Die falschen Fragen

Meine Gegenfrage lautet: Warum muss sich ein Film überhaupt dafür rechtfertigen, nur weibliche Hauptcharaktere zu besitzen? Musste sich Ghostbusters von 1984 dafür rechtfertigen, nur Männer als Protagonisten zu haben? Weiters bezweifle ich, dass all jene, die im Namen „absoluter Gleichberechtigung“ für ein gemischtes Team plädieren, sich ebenfalls jedes Mal über einen Film aufregen, dessen Hauptbesetzung nur aus männlichen Schauspielern besteht.

Laut einer Studie vom Center for the Study of Women in Television and Film in San Diego von 2014 sind gerade mal zwölf Prozent aller Hauptrollen in Hollywood-Blockbustern von Frauen besetzt. Alle Nebenrollen werden zu 29 Prozent von Frauen gespielt, und nur 30 Prozent aller Sprechrollen werden von Frauen übernommen. Sich bei Ghostbusters exemplarisch über eine Überrepräsentation von weiblichen Charakteren aufzuregen ist also völlig irrwitzig.

Allein dass es so vielen Leuten so extrem auffällt, dass Ghostbusters rein mit Frauen in den Hauptrollen besetzt ist, ist ein Armutszeugnis für die Diversität und Gleichberechtigungsmentalität, die in der westlichen Filmindustrie sowie in den Köpfen ihrer KonsumentInnen vorherrscht.

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Die richtigen Fragen

Wenn also die Frage „Warum sind alle Hauptcharaktere in Ghostbusters Frauen?“ die falsche Frage ist, gibt es eine richtige Frage? Und muss man über Ghostbusters überhaupt eine feministische Diskussion führen? – Natürlich muss man nicht, aber es bietet sich an. Meiner Meinung nach gibt es durchaus einige richtige Fragen, die man im Zuge einer solchen Diskussion stellen kann.

Eine feministische Betrachtung von Ghostbusters ist deshalb berechtigt, weil der Film bewusst mit Klischees spielt, sie aufdeckt und hinterfragt. Hauptsächlich passiert das mittels des dümmlichen Sekretärs der Ghostbusters, Kevin, der von Chris Hemsworth gespielt wird. Kevin zeigt geschlechtliche Ungerechtigkeit auf mehrere Arten auf: Zum einen verkörpert er den naiven, sich maßlos selbst überschätzenden Mann, der aufgrund seines guten Äußeren und seines übersteigerten Selbstwertgefühls zu mehr Anerkennung und Vorzügen kommt als die klugen, fleißigen, sich aufopfernden Ghostbusters. Deren Arbeit wird kaum geschätzt und wenn, dann nur im Geheimen. Zum anderen finden wir in Kevin eine Parodie der übersexualisierten, objektivierten Sekretärin wieder, die Opfer von grenzwertig sexuellen Annäherungen eines Vorgesetzten ist. Hier wird die übliche Mann-Frau-Konstellation umgedreht, und Erin ist diejenige, die sich Kevin unangemessen nähert. Erst durch die Umkehrung der typischen Rollen springt uns dieses falsche Verhalten ins Auge, das wir sonst, ohne groß darüber nachzudenken, hinnehmen.

Es wirkt auch durchaus beabsichtigt, dass der größte Kritiker der neuen Ghostbusters, Dr. Martin Heiss, ausgerechnet von Bill Murray gespielt wird, der 1984 die Rolle des sexistischen, aufdringlichen Dr. Peter Venkman innehatte. Dr. Heiss untergräbt als Koryphäe der Wissenschaften über das Paranormale im öffentlichen Fernsehen die Glaubwürdigkeit der Ghostbusters.

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Durch die Figuren des Sekretärs Kevin und auch des herablassenden Dr. Heiss’ wird eine feministische Diskussion bewusst heraufbeschworen. Die Debatte, die im Netz geführt wird, geht allerdings völlig an der beabsichtigten vorbei! Anstatt sich noch mehr Männer auf der Kinoleinwand zu wünschen, sollte man viel wichtigere Fragen stellen, wie: Warum kommen uns Erins Annäherungsversuche an Kevin so unangenehm vor, wenn wir dieses Szenario in umgedrehter Geschlechterkonstellation so oft einfach hinnehmen? Warum wird Kevin trotz seiner Unfähigkeit, Ignoranz und seines Egoismus von seiner Umgebung mehr geschätzt als die fähigen, hart arbeitenden, hilfsbereiten Ghostbusters? Und warum fällt es uns so auf, dass ein Film mit rein weiblichen Hauptcharakteren besetzt ist?

Mögen und Nichtmögen

Ghostbusters ist als Komödie eine kurzweilige, gut gelaunte Sommerunterhaltung. Als feministisches Statement ist der Film besser gelungen, auch wenn man ihn nicht als solches betrachten muss. Muss man den Film nun gut finden, um nicht als SexistIn abgestempelt zu werden? Natürlich nicht! Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Einigen wird die Handlung zu vorhersehbar sein, manchen der amerikanische Humor zu plump, wieder andere werden mit der Performance der Hauptdarstellerinnen nicht zufrieden sein, und das ist vollkommen in Ordnung.

Doch macht es jemanden zu einem/r SexistIn, Ghostbusters nicht zu mögen, weil er ausschließlich mit weiblichen Hauptcharakteren besetzt ist? Absolut!

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Robert

Freut mich, wenn ich etwas beisteuern kann – hier noch etwas mehr, wenngleich etwas verspätet ; derzeit beschäftigt mich dies, egal ob in einem Review oder einem kritischen Blogeintrag zum Original, den ich dennoch schätze, aber nun anders einschätze oder besser: zugebe, dass mich Bestimmtes daran immer etwas gestört haben. Wie sie richtig andeuten, der neue ist als Film nicht allein eine Komödie. Vordergründig ist es eine Komödie mit Gruselelementen, dann eine Geschichte über Freundschaft unter Frauen und zuletzt versteht er sich auch als feministisches/sozialkritisches Statement. – Damit liefert der neue Film mehr als das Original: Venkman wird nicht von… Read more »

Robert

Interessanter Artikel ; er geht zumindest teilweise auf die Anfeindungen ein, die es im Netz gab. Fairer weise muss man hinzufügen, dass dies nicht ausschließlich damit zu tun hatte und Sony leider auch die Debatte in diese Richtung lenkte, indem negative Kommentare über den ersten Trailer gelöscht wurden mit Ausnahme der misogynen Auswüchse. – Die Ablehnung eines rein weiblichen Quartetts spielte auf jeden Fall bei einigen Leuten eine Rolle, wenn auch nicht bei allen. Einige äußerten sich offensiv frauenfeindlich, einige schlugen in die Kerbe “Wenn schon Frau(en) dann auch (ne) junge, hübsche”, anderen wird der eigene Sexismus nicht mal bewusst,… Read more »