Familienangelegenheit: Der Mafia 3 Test
Vietnam Veteran Lincoln Clay pflügt mit der Wucht eines Hurricanes durch New Bordeaux. Für seinen Widersacher Don Marcano wird der Soldat zum jüngsten Gericht! Gut, dass ich den Testbericht schreibe, denn im Gegensatz zum Protagonisten nehme ich in meinem Mafia 3 Test nicht alles auseinander!
Familie KANN man sich aussuchen
Lincoln Clay hat in seinen Mittzwanzigern bereits eine bewegte Geschichte hinter sich! Aufgewachsen in einem Waisenhaus in New Bordeaux, schloß sich der Gute der US Armee an, um in Vietnam als Special Forces Soldat zu kämpfen und seinem Land zu dienen. Allerdings könnte die Undankbarkeit seiner Heimat kaum größer sein. Gut: das die Veteranen dieses Vernichtungskriegs ohnehin einen schweren gesellschaftlichen Stand hatten und von Regierung und Bevölkerung vergessen wurden, wissen wir bereits seit Oliver Stones Meisterwerk Born on the 4th of July.
Lincoln hat aber noch ein anderes Problem, das ihn sozial ächtet: Seine Hautfarbe! Als Schwarzer kannst du in den späten 60ern dein Leben noch so sehr für Land und Leute aufs Spiel setzen, du bist nichts wert – ein Mensch zweiter Klasse! Gewisse Geschäfte dürft ihr nicht betreten, die N-Bombs fliegen euch die ganze Zeit um die Ohren und die Polizei ist nicht nur korrupt, sondern ein durch und durch rassistischer Haufen! Was bleibt dem „Boy“ da anderes übrig, als nach seiner Rückkehr weiterhin für den väterlichen Gaunerboss Sammy diverse Aufträge zu erfüllen? Stimmt: nichts! Also rutscht Lincoln eben vom dekorierten Kriegshelden erneut auf die falsche Bahn ab.
Ein Angebot, das du nicht ablehnen kannst!
Im Laufe der Jobs, die Lincoln für Sammy erledigt, kristallisiert sich recht schnell heraus, dass der Stiefpapa Stunk mit Don Marcano hat. Er schuldet ihm ordentlich Cash, und wenn du jemandem kein Geld schulden willst, dann ist das definitiv der Boss der italienischen Mafia. Zum Glück sind die Fronten noch relativ wenig verhärtet und weil dem Don nicht entgeht, dass Sammys Ziehsohn ein fähiger Typ ist, bittet er Lincoln zum Gespräch. Darin offenbart er, dass er bei einem großen Raub in der Federal Reserve, bei dem es um ein paar Millionen geht, aushelfen soll. Nebenbei bittet er Lincoln mit kreideweicher Stimme noch, seinen „Quasi-Daddy“ ein paar Stockwerke unter Tage zu befördern. Lincolns Loyalität ist aber größer und so schlägt er Marcano den zweiten Gefallen aus, willigt aber ein beim Bank-Job mitzumachen!
Der Raub glückt und nach einer spektakulären Speedboat-Verfolgungsjagd durch die Kanäle New Bordeauxs treffen sich alle in Sammys Bar, um auf den erfolgreichen Coup einen zu heben. Auch Don Marcano gibt sich die Ehre. Nachdem Sammy seine Schuld beglichen hat und noch einen saftigen Wiedergutmachungs-Tribut oben drauflegt, könnte man eigentlich zu Friede-Freude-Eierkuchen übergehen, aber Lincoln lernt an diesem Abend eine Lebensweisheit: wenn ein Mafiaboss dich „bittet“ ihm einen Gefallen zu tun, dann tust du ihm diesen Gefallen. Wenn nicht, verwandelt sich eine Feier ganz schnell in ein Massaker an deiner Wahl-Familie und dir verpasst man zum Dank eine Kugel durch die Schläfe! In der brennenden Bar zurückgelassen taucht aber ein Engel auf – Pastor James! Er zieht Lincoln aus dem brennenden Gebäude und päppelt ihn hoch.
Und damit beginnt dann der zweite Krieg in Lincolns Leben – der Krieg gegen Don Marcano! Und damit wären wir wieder beim Hurricane, denn mit entsprechender Urgewalt bahnt sich unser Protagonist seinen Weg durch die Mobster-Ränge bis hin zu Don Marcano!
Geschäftsschädigende Praktiken
Im Laufe von meinem Mafia 3 Test arbeite ich mich als Lincoln von den kleinen Fischen bis zum Big Boss Marcano vor. Er schafft das aber als einzelner eher schlecht. Darum holt er sich drei Gangsterbosse ins Boot, die ihm dabei zur Seite stehen. Freilich leisten Vito Scaletta (ja: der Protagonist aus Mafia 2), der irische Trunkenbold Thomas Burke und die Haitianische Voodoo-Gangstress Cassandra Lincoln nicht nur aus reiner Herzensgüte Schützenhilfe. Alle drei haben sie einerseits ebenso ein Hühnchen mit dem Don zu rupfen und obendrein sorgt der rachsüchtige Vietnam Veteran noch dafür, dass die Geschäfte der drei wieder ins Laufen kommen. Daraus ergibt sich dann auch die immer gleiche Gangart. New Bordeaux, das Mafia 3-Pendant zu New Orleans teilt sich in insgesamt zehn Bezirke auf. Während diese stimmungsmäßig noch durchaus viel Abwechslung bieten und vom Industrie- über Armenviertel, bis hin zu Whites-Only Snob-Bezirken alles abdecken, kann man beim Mission-Gameplay nicht soviel Unterschied erwarten.
Es läuft immer nach Schema F ab: Von CIA-Agent Donovan greift ihr erste Infos über die Unterweltgrößen eines Bezirks ab und als Gegenleistung verwanzt ihr für ihn die Sicherungskästen der Stadtteile. Dadurch werden die einzelnen Sidemissions und Hauptaufträge angezeigt. Schritt zwei ist das Verursachen von möglichst viel finanziellem Schaden in den illegalen Operationen. So lockt ihr die verantwortlichen Lieutenants hervor. Die wiederum könnt ihr dann für eure Organisation anwerben, wodurch ihr langfristig ein größeres Stück Cash-Kuchen von euren Kompagnons abgreift oder ihr killt sie, was euch eine kurzfristige Finanzspritze einbringt.
Sind diese Stellvertreter entweder unter die Erde verfrachtet oder feindlich übernommen worden, könnt ihr den eigentlichen Chef des Viertels auf die Abschussliste setzen. Habt ihr diesen erledigt, dürft ihr die Geschäfte des Bezirks vertrauensvoll einem eurer Mitstreiter anvertrauen, was euch je nach Person einen anderen Bonus gewährt. So arbeitet ihr euch Schritt für Schritt näher an Marcano heran.
Audiovisuell groovy!
Beim Mafia 3 Test kann das Game mit einer Stärke extrem punkten, nämlich in Sachen Präsentation. Sowohl grafisch, als auch hinsichtlich des Sounds fährt Hangar 13 hier dicke Geschütze auf. Wunderschöne Beleuchtungseffekte und tolle Tiefenunschärfe machen Stimmung, die tollen Waffensounds sorgen dafür, dass das Shooter-Gameplay richtig fetzt!
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Das Herzstück bildet aber der Soundtrack mit zahlreichen lizenzierten Originalsongs von den Rolling Stones, Johnny Cash, The Boxtopps, Creedance Clearwater Revival, Aretha Franklin und vielen anderen. Gleich bei Spielstart dröhnt im Menü All Along The Watchtower von Jimi „Gitarrengott“ Hendrix aus den Boxen und das versetzt Fans der psychedelischen ’Nam-Rock-Sounds sofort in die entsprechende Ära. Die satten Motorengeräusche und die atmosphärischen Songs sorgen dafür, dass mir die fehlende Schnellreisefunktion in Mafia 3 nichts ausmacht und ich mich gerne hinter eines der PS-starken Muscle Cars klemme.
Mafia 3 Test – das Fazit:
Der dritte Teil des Gangsterepos aus dem Hause 2K ist ein zweischneidiges Schwert. Es kann zum Beispiel mit einer unglaublich dichten zur Zeit passenden Atmosphäre punkten in der man als schwarzer Protagonist laufend mit dem damaligen Rassismus konfrontiert wird. Eine coole Inszenierung der Geschichte in Form einer TV-Dokumentation über Lincoln Clays „Wirken“ in New Bordeaux gibts obendrein. Die versammelte Cast wirkt authentisch und ist überhaupt nicht flach. Auch grafisch erfreut mich mein Aufenthalt in New Bordeaux während meines Mafia 3 Test. Gelegentliche Grafikfehler wie nach- oder gar nicht ladende Texturen, überbordende, die Sicht raubende Lensflare-Effekte oder Clippingfehler (undurchfahrbare Büsche, die bei Zusammenstößen euer Auto crashen lassen) sind bei der sonstigen Pracht verschmerzbar. Die Animationen sind immer butterweich und die Mimik und Gesichter der Hauptcharaktere sorgen echt für Staunen. Den Sound(-track) feiere ich auch enorm! Die Karossen fahren sich sowohl im Arcade- als auch im Simulationsmodus sehr gut.
Doch in meinem Mafia 3 Test muss ich auch auf die Schattenseiten eingehen: Keine Schnellreisefunktion, teils unfaire Rücksetzpunkte bei Ableben, dröges und repetitives Missionsdesign in den Nebenmissionen, kaum Sandboxelemente und auf eine Art Housing oder gar Wechselklamotten muss Lincoln auch verzichten. Mafia 3 könnte man in seinen Grundzügen zwar als kleinen Bruder von GTA V sehen, allerdings darf man sich keinen ähnlich stark ausgeprägten Chaos-Simulator-Sandkasten erwarten wie in Rockstars Ganovensimulation. Das möchte Mafia 3 aber auch nicht sein, denke ich. Worauf es den EntwicklerInnen meiner Ansicht nach ankommt, ist, eine dichte und stimmige Rachegeschichte zu erzählen. Und das gelingt seit dem Serienerstling jedes Mal aufs Neue. Die SpielerInnen sollen gar nicht durch das GTA-artige Überangebot an Möglichem von der großartigen Story abgelenkt werden. Wer sich also einen 60er-Jahre Grand Theft Auto-Klon mit ähnlichem Chaosfaktor und dem selben augenzwinkernden Sarkasmus erwartet, wird enttäuscht. Wer die intensive Tour de Force eines von vermeintlichen Freunden hintergangenen, andauernd Rassismus ausgesetztem und entsprechend angepissten Vietnam-Heimkehrers erleben möchte, und spielerisch nicht allzu stark gefordert werden möchte, darf gerne zugreifen!
[…] hätten wir Mafia 3, welches gerade mal vier Jahre nach der gesetzlichen Abschaffung der Rassentrennung spielt und uns […]