Injustice 2 (PS4) im Test – Die Götter müssen verrückt sein!
Vier Jahre sind vergangen seit die DC-SuperHeldInnen sich in Injustice: Götter unter uns im Watschentanz maßen. Die Mortal Kombat-MacherInnen Netherrealm Studios konnte durchaus positive Kritiken für das PS3- und Xbox 360-Prügelspiel ernten. Logisch, dass ein Nachfolger her muss, der wie sein Schwesternspiel MKX auf Current-Gen Konsolen ausgerichtet ist. Ich habe Injustice 2, diesmal ohne Untertitel, ausführlich angespielt. Ob, und wie mit der SuperheldInnen-Brawler gefallen hat, lest ihr in meinem Review.
Die Handlung
Wem die Handlung des ersten Teils, mit ihren Paralleluniversen und guten/bösen Versionen der bekannten DC-HeldInnen, zu verwirrend war, sei entwarnt. Die Story von Injustice 2 baut zwar auf der Vorgeschichte auf, erzählt diese aber deutlich linearer und klassischer, als der Vorgänger. Hier eine kurze Spoiler-Rückblende: Superman wurde in Injustice zum Schurken, als der Joker seine schwangere Loise Lane tötete. Daraufhin exekutierte Superman den Joker und erhob sich zum Imperator der Erde. Batman suchte Hilfe in einer Paralleldimension, einem sogenannten Multiversum, um dem Despoten das Handwerk zu legen.
Gestatten, Braniac
Braniac plant die Erde auszuradieren
Injustice 2 beginnt dort, wo der erste Teil aufhört. Beim Sturz Supermans. Doch kaum sitzt der Mann aus Stahl hinter schwedischen Gardinen, bricht auch schon die nächste Bedrohung über die Menschheit herein. Braniac, ein intergalaktischer Sammler von Welten, plant die Erde auszuradieren. Batman muss also die tief gespaltene Justice League erneut formieren, um mit vereinten Kräften dem Invasor Einhalt zu gebieten.
Mit dieser Handlung wird Injustice 2 keine Oscar gewinnen. Sie stellt jedoch in jeder Hinsicht einen Quantensprung in der Erzählweise gegenüber früheren Prügelspielen dar. Da steckt alles drin, was sich ein Comic-Fan nur wünschen kann: Mord, Intrige, Verrat und Rache! Trashig zwar, und vollgestopft mit Stereotypen, aber auch fesselnd, unterhaltsam und kurzweilig.
Ein Beispiel, das Schule macht
Wer sich jetzt denkt: So viel Handlung in einem Beat `em up? Wo gibt’s denn so was? Bei Netherrealm Studios! Die Truppe rund um Mortal Kombat-Urgestein Ed Boon hat die Story-Kampagne quasi zu ihrem Markenzeichen erhoben. So begeistern sie seit dem MK-Reboot von 2011 mit herrlich trashigen Seifenopern rund um den Roster ihrer Kampfspiele. Selbst das gescholtene Street Fighter V musste diesem Trend Tribut zollen, und reichte einen Story Modus per gratis-DLC nach.
In your Face!
Derweilen sind die Jungs und Mädels hinter Injustice 2 aber bereits einen Schritt weiter. Nicht zuletzt auch dank finanzkräftiger Unterstützung seitens Warner und DC wurden für den neuesten Teil echte Charakterköpfe digitalisiert, die visuell wirklich zu begeistern wissen. Waren es in den letzten Teilen oft noch die Zähne und Augen der ProtagonistInnen, die dem Uncanny-Valley nicht zu entkommen vermochten, schrammt Injustice 2 hart an der Grenze zum Fotorealismus. So toll sahen computeranimierte Figuren noch in keinem Videospiel aus! Und man ahnt gar nicht, welch eine Bereicherung diese vor Emotion strotzenden Gesichtsausdrücke auf die Handlung, und sogar das Gameplay haben! Unweigerlich zieht man Schlüsse zu den allerersten Mortal Kombat-Charakteren, die ebenfalls von digitalisierten SchauspielerInnen verkörpert wurden. So hätte das 3D-Zeitalter der Prügelspiele schon immer aussehen müssen!
Real? Unreal!
Die Unreal-Engine 3, die bisher nicht unbedingt für die Darstellung möglichst realistischer Gesichter und Haut-Shader bekannt war, ist in Injustice 2 kaum wieder zu erkennen. Dementsprechend grandios sieht auch die gesamte Story-Kampagne des Spiels aus. Die per Motion-Capturing erfassten Dialoge und Interaktionen der Figuren könnten so direkt aus einem Kinofilm stammen! Auch die deutsche Synchronisation ist hochwertig und durchaus erlebenswert.
Die Unreal-Engine 3 ist kaum wieder zu erkennen
Die zweit-augenscheinlichste Innovation neben den Gesichtern der HeldInnen sind ihre Waffen. Die fühlen sich dank tollen Animationen und grandiosem Sound-Design richtig schwer und wuchtig an. Nun sieht Aquamans Dreizack nicht mehr wie eine angeklebte Atrappe aus, sondern wie eine echte, furchteinflößend mächtige Waffe! Und dann wären da noch die Rüstungen, doch dazu später mehr.
Das Gameplay
Doch genug von der Präsentation des Spiels geschwärmt, schließlich laden die perfekten HeldInnen-Visagen auch zum vermöbeln selbiger ein! Das Kampfsystem von Injustice 2 werden Mortal Kombat-Fans rasch wiedererkennen. Es gibt Beinfeger, sowie der Schwerkraft trotzende Uppercuts. Specialmoves folgen immer noch dem alt bekannten Schema rück/runter, vor, Kick/Punch. So lassen auch AnfängerInnen rasch spektakuläre Grapples, Geschosse oder Anti-Airs vom Stapel. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch jede Menge für Profis zu meistern.
Superman mit Super-Meter
In einer Combo-Kette gefangen, hilft nur mehr Geduld
Der Füllstand einer Super-Leiste will mit Bedacht zum Einsatz gebracht werden. Einerseits lassen sich damit aberwitzige Super-Moves auslösen. Im weiteren Spielverlauf kann man seine Superkraft auch in einer Konflikt-Situation verwetten, um dadurch extra-Schaden oder eine Portion Heilung einzustreifen. Die wahren Pros verbrennen ihr Meter jedoch mit Dingen wie Juggle-Escapes und Move-Enhances. Spätestens hier steigt die PrügelspielerIn von Welt aus, und kann nur staunend mit ansehen, wie ihre KontrahentIn sie mit Anmut und Grazie durch die Luft wirbelt. Denn ist man einmal in einer brandgefährlichen Combo-Kette gefangen, hilft nur mehr Geduld.
Unterschiedliche Spielstile
Eine Neuerung stellt auch die Belegung der Kreis-Taste (PS, B-Taste Xbox) dar. Damit kann man eine heldInnenspezifische Fähigkeit ausführen. Batman beispielsweise ruft sich damit bis zu drei Batarangs zur Hilfe, während Supergirl einen schnellen Augenlaser abfeuert. Dadurch, und aufgrund sehr individueller Move-Sets spielen sich die 28 spielbaren Charaktere von Injustice 2 erfrischend unterschiedlich uns eigenständig.
Swamp-Wer? Die KämpferInnen
Überhaupt ist die Zusammensetzung der HeldInnen-Truppe in Injustice 2 sehr ausgewogen. Neben fixen Größen wie Batman und Superman finden sich auch weniger bekannte DC-Charaktere wie Swamp-Thing und Captain Cold. Sie alle spielen in der Story-Kampagne von Injustice 2 eine mehr oder weniger tragende Rolle, und können so auch gleich mal alle ausprobiert werden.
Das Multiversum
Schon sind zwei Din A 4 Seiten mit Handlung und Gameplay befüllt, dabei habe ich noch nicht einmal über den größten Wiederspielfaktor gesprochen: Den Multiversum-Modus und das Charakter-Progression-System. Wie die Herausforderungs-Türme in Mortal Kombat X, warten in Injustice 2 verschiedene Versionen des Planeten Erde, sogenannte Multiversen, darauf durchkämpft zu werden. Diese werden mit steigendem Fortschritt immer schwieriger, und sind obendrein mit interessanten Kampf-Modifikatoren versehen. Einmal regnet es fortwährend Meteoriten auf die Kampfarena, ein anderes Mal kann ich keinen meiner Special Moves nutzen. Als Belohnung für absolvierte Multiversen winken Lootboxen, prallgefüllt mit Charakter-Skins und Rüstungsteilen. Diese Rüstungen funktionieren wie in einem klassischen Rollenspiel. Es gibt sie für verschiedene Körperteile, und in den Güteklassen Gewöhnlich, Selten, Episch und Legendär. Die Teile verleihen nicht nur ein cooles Äußeres, sie boosten auch die Charakterwerte für spätere Multiversum-Herausforderungen.
Gilden, Loot und die Item-Spirale
Dem noch nicht genug. Manche dieser Quests sind so hart, dass sie nur mit mehreren SpielerInnen bezwungen werden können. Deshalb können sich SpielerInnen in Injustice 2 zu Gilden zusammenschließen. Diese offensichtliche Suchtspirale samt typisch animierten Lootboxen bringt natürlich auch einen weiteren Faktor mit sich: Mikrotransaktionen! Für gleich vier verschiedene Währungen können sich ungeduldige SpielerInnen mit entsprechenden Lootboxen eindecken. Ob dieses Rollenspiel im Prügelspiel-Konzept aufgeht, wird die Zeit zeigen. Immerhin nehmen die Figuren nur den äußeren Effekt der kostbaren Rüstungsteile mit in MehrspielerInnen-Schlachten. Die Stats werden im Versus-Mode normalisiert, um keine Play2Win-Situation heraufzubeschwören.
Fazit zu Injustice 2
Das RPG Item-System hat mich glatt umgehauen!
Wer hätte gedacht, dass aus einem so banal anmutenden Prügelspiel eine derart ausführliche Review zu pressen ist. In Injustice 2 steckt deutlich mehr, als das freie Auge zu entdecken vermag. Dabei läuft Injustice 2 natürlich Gefahr, weder das Prügeln, noch das Looten wirklich gut hin zu bekommen. Zumindest bei Ersterem kann ich Entwarnung geben. Injustice 2 ist getreu seinen Wurzeln ein sehr zugängliches und spaßiges Beat `em up geworden. Handlung, Roster, Gameplay und Modi geben ein rundes Gesamtpaket ab, das den Vollpreis an sich schon rechtfertigen würde.
Das Netherrealm Studios anstelle banaler Charakter-Skins ein komplettes RPG Item-System einführt, hat mich glatt umgehauen! In der knappen Woche, die ich mit Injustice 2 verbracht habe, konnte ich nicht einmal die Spitze des Eisberges richtig erfassen, der sich darunter verbergen mag. So gesehen kann ich auch noch nicht beurteilen, ob das Multiversum-System fair und auf Dauer motivierend ist. Das Potenzial dazu hat Injustice 2 jedenfalls, und ich kann es kaum erwarten meinen Batman auf Stufe 20 zu spielen!