The Long Reach (Switch) im Test: Weit hergeholt?
Das neue Adventure namens The Long Reach steckt euch in die Haut des Wissenschaftlers Stuart. Das Ende der Welt ist abzuwenden – und ihr helft dem Protagonisten dabei! Lohnt sich der Trip? Lest das Review!
The Long Reach – ein Mix der anderen Sorte
Das Team hinter The Long Reach, Painted Black Games, gibt eine Vielzahl von Inspirationen an. Dazu zählen die Matrix, Fargo, Resident Evil und mehr! Das Adventure-Game will mit klassischen Kopfnüssen punkten, aber auch Horror-Elemente einstreuen. Herausgekommen ist ein Spiel, das euch mit Suspense füllt! Das Game ist für PC, Mac, Xbox One, PlayStation 4, PlayStation Vita und Nintendo Switch erhältlich.
Im Grunde ist das Game der UkrainerInnen tatsächlich ein Adventure der alten Schule geworden. Ihr lauft mit eurer Figur herum und sackt jeden Gegenstand ein, den ihr so findet. Sie alle landen dann in eurem Inventar, das ihr zu jeder Zeit öffnen könnt. Anders als in Spielen wie Baphomets Fluch könnt ihr die Gegenstände nicht untereinander kombinieren.
Das macht einerseits die Dinge leichter, andererseits geizt The Long Reach nicht mit schweren Rätseln. Auch, wenn sie im Nachhinein eventuell Sinn ergeben mögen – ich persönlich habe für zwei Sequenzen gefühlt zu lange gebraucht. Der Sicherungskasten lässt sich nur sehr kreativ abschalten, und der Safe gibt euch kein Feedback darüber, ob ihr die richtige Reihenfolge habt. Da war das Musikrätsel schon viel besser…
Worum geht‘s in The Long Reach?
Ihr startet das Adventure in der Narrative von Calvin und Shelly. Die beiden sind schon länger ein Paar, doch es gibt wie in jeder Beziehung eine Krise. Calvin kommt mit seiner hochintelligenten und umso gefühlskalteren Partnerin grade nicht so zurecht. Aus Trotz geht er in den nächstgelegenen Laden, wo er in eine Reihe von Gesprächen verwickelt wird. Die Ereignisse überschlagen sich, und wenig später bricht die Hölle los…
Ein Kapitel weiter übernehmt ihr Stuart, der eigentlich nur als Aushilfe beim Konzern General Education arbeitet. In Baervox, einer fiktionalen amerikanischen Kleinstadt, werden hier eine Reihe von Tests durchgeführt. Eine dieser Testreihen dreht sich um beschleunigten Wissenstransfer und verbessertes Lernen. Stuart setzt sich an ein Piano, und spielt Beethoven und Bach – ganz ohne Probleme!
Doch The Long Reach erzählt nicht die Geschichte davon, wie alles glatt läuft und die Menschheit einen Schritt vorwärts macht. Nein, dank unterschiedlichster Motive und Sichtweisen geht hier eine ganze Menge schief. Stuart bemerkt davon nichts und erwacht nach stundenlangem Klavierspielen. Plötzlich sind alle Wissenschaftler verschwunden – was ist passiert, und was sollen diese Spuren an der Wand bedeuten?
Backtracking vom Feinsten
The Long Reach ist am Anfang höchstgradig verwirrend. Ihr werdet rasch mit verschiedensten Charakteren wie Calvin, Shelly, Stuart und Stan konfrontiert. Erst nach und nach ergibt sich ein Bild, wie die Leute zueinander stehen und wieso das so ist. Ihr müsst dem Spiel also zumindest 30 bis 45 Minuten geben, bevor es seine Wirkung entfalten kann! Die ersten Überraschungsmomente wurden da bereits erlebt.
Das Spiel passiert in toller Pixelgrafik, und ausschließlich im zweidimensionalen Raum. Direkte Jumpscares gibt es in The Long Reach nicht, der Fokus wird viel mehr auf unterschwellige Spannung gelegt. Es gibt viele Dinge, mit denen eure Hauptfigur interagieren kann. Das Game lebt davon, dass ihr in Raum A etwas findet, was euch in Raum B weiterhilft. Dort geht es genau einen Schritt weiter, bevor ihr wieder in Raum A müsst.
Während die Story zunächst langsam ins Rollen kommt, wird die Erzählung immer dichter. Typische Gesinnungen wie Gut und Böse gibt es hier nicht, denn alle Entscheidungen der Charaktere haben ihren eigenen Sinn und eine durchdachte Argumentation. Das überrascht weniger, da so gut wie alle Personen intelligente ForscherInnen sind – aber wie gut das rüberkommt, das hat mir Respekt abgerungen!
Kleine Schwächen bei guter Story
Als mich The Long Reach noch nicht so gefesselt hatte (also in den ersten Spielminuten), konzentrierte ich mich schon auf die negativen Punkte. Nur ein Spielstand ist verfügbar, das Gesprächssystem ist etwas seltsam aufgebaut, und die Ladezeiten erst? Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Nintendo Switch abgestürzt sei, doch die erstmalige Ladezeit kann tatsächlich über eine Minute betragen.
Die Geschichte trägt das Game auf Händen, und jede kleine E-Mail füllt Lücken. Da werden Hintergrundgeschichten grandios erzählt, und die vermeintlichen Antagonisten entschärft. Je mehr ihr euch mit The Long Reach auseinandersetzt, und je mehr ihr durchsucht, umso klüger werdet ihr. Viele Rätsel sind logisch aufgebaut, nur wenige Ausnahmen sind mit von der Partie. Diese sind dafür leider umso frustrierender.
Allerdings ist festzuhalten, dass der Tod relativ unspektakulär abgehandelt wird. Der Fokus liegt derart auf der Geschichte, dass ihr in Sekundenschnelle wieder an einem der fair gesetzten Speicherpunkte fortfahren könnt. Habt ihr erst einmal eine Stunde in The Long Reach investiert, könnt ihr es nur schwer wieder weglegen. Dieser Umstand wiegt für mich viel schwerer als alle kleinen Schwächen des Titels!
Stimmungsvoll und gut aufgebaut
Je länger ich spielte, umso unruhiger wurde ich. Das hat aber nichts mit der technischen Umsetzung oder sonstigen Gründen zu tun: Die Story ist schlichtweg so gut. Die gesamte Grundidee ist tatsächlich nicht weit hergeholt, und Science-Fiction-Fans fühlen sich hier pudelwohl. Dadurch, dass The Long Reach mit Licht geradezu geizt, ist es erfrischend, wenn ihr endlich die Taschenlampe findet!
Schon das Gefühl dieser Erleichterung zeigte mir, dass ich voll im Spiel war. Die liebevoll gestalteten Pixelcharaktere, die Umgebungen und die gesamte Atmosphäre wirkt hier genial zusammen. Ständig fragt ihr euch, was als Nächstes passieren könnte! Ohne zu viel zu verraten: Ab einem gewissen Teil des Games sind auch chemische Substanzen im Spiel. Was dann noch Wahrheit ist, weiß keiner so genau!
Eine besondere Erwähnung verdient auch noch der Soundtrack von The Long Reach. Es ist eine Sache, Jumpscares mit einem lauten Ton zu untermalen – davon gibt es im Game aber keine. Der Komponist des Soundtracks spielt mit diversesten Instrumenten und setzt sie genau so spärlich ein, dass ihr hört, was sich abspielt. Der Rhythmus, die Lautstärke, und nicht zuletzt komplette Stille – alles wird perfekt eingesetzt. Großes Lob!
Fazit: The Long Reach erfreut das Adventure-Herz
Das Spiel teilt sich ein Merkmal, das auch Rollenspiele gerne besitzen: Die erste Stunde wirkt zäh. Zu rasant ist der Einstieg, zu wenig Hintergrundinformationen sind vorhanden, benutzbare Gegenstände werden nur sehr dezent hervorgehoben. Schritt für Schritt lebt ihr euch in The Long Reach ein, und der Schwierigkeitsgrad hebt sich dabei mit jeder Herausforderung.
Ihr müsst ein wenig Geduld mitbringen, denn an der Hand nimmt euch das Game bestimmt nicht. Darüber hinaus spielt sich der Großteil des Geschehens in finsterer Umgebung ab, die Taschenlampe macht eure Erkundungstour um einiges angenehmer. Spätestens dann macht alles Sinn: Die Charaktere und deren Verbindungen, die Story zieht ihre Schlinge enger, und ein Rätsel geht noch!
Dieser Sog hat mich schlussendlich von The Long Reach überzeugt. Das sehr eigenwillige Design schreckt vielleicht einige ab, doch wahre Adventure-Fans finden hier eine Perle. Um gerade mal 15 Euro habt ihr hier ein klassisches Adventure, und das Ende bringt euch so richtig zum Grübeln. Habt ihr die richtigen Entscheidungen getroffen, und war es eure Spielzeit wert? Für mich auf jeden Fall – danke, Painted Black Games!