Lootboxen, Streaming, Rewards – Wie sich die Spielentwicklung verändert
Streaming verändert unsere Sicht auf Videospiele und damit auch deren Entwicklung maßgeblich. Was können wir von diesem Trend erwarten? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert die im Vorfeld der gamescom stattfindende EntwicklerInnenmesse devcom. Neben dem Networking geht es hier auch um Insights und erfolgreiche Beispiele aus der Welt der Videospiele.
Wir von BeyondPixels.at hatten irgendwie den Eindruck, dass in diesem Jahr sehr viel Wert auf das Monetisieren von Spielen gelegt wurde. Vor allem drei Talks stachen ins Auge und ließen uns mit einem unguten Gefühl zurück. Was auf den ersten Blick wie ein toller Benefit für EntwicklerInnen aussieht, entpuppt sich für mich als trojanisches Pferd.
Vorausschauendes Entwickeln – Lootboxen
Zunächst war da ein Vortrag von Urgestein Teut Weidemann, der seinen Talk mit „Lootboxes WTF“ betitelte und davon sprach, wie diese richtig ins Gamedesign integriert werden könnten. Damit Lootboxen funktionieren und die Spielerschaft eines Games glücklich ist, gibt es also einige Tricks. Einer der wichtigsten Aspekte ist, dass das Spiel mindestens einmal pro Stunde eine Lootbox gratis ausgeben muss (siehe Overwatch). Die Items, die in den Lootboxen zu finden sind, müssen außerdem zahlreich (absolutes Minimum sind 1000 Gegenstände) sein, aber vor allem auch eine starke Varianz aufweisen und zu ca. 5% aus sehr seltenen Items bestehen. Denn nur wenn die Möglichkeit auf Epics und Rares besteht, ist die Lootbox auch etwas wert. Das Wichtigste laut Weidemann ist jedoch, dass man das gesamte Spiel rund um Lootboxen aufbaut.
Genau das birgt Gefahren für Designer, denn das Spiel muss daraufhin getrimmt werden, diese Lootboxen zu verkaufen. D.h auch, dass man den/die SpielerIn dazu bringen muss, Geld für Zeit eintauschen zu wollen. Das gelingt zum Beispiel, wenn man das Spiel und somit auch den Spielspaß künstlich streckt. Durch diese Überlegungen kann das Spiel ein deutlich schlechteres werden, weil die Monetisierung im Vordergrund steht. Ich bin mir zu 100% sicher, dass Teut Weidemann dies bedacht hat und dies keinesfalls mit seinem Vortrag bezwecken will. Wie er selbst sagt, liebt er einfach F2P- Spiele und möchte diese bestmöglich gestalten. Es ist aber trotzdem eine logische Konsequenz, dass nicht mehr das reine Gamedesign, sondern eben die Monetisierung der Lootboxen im Fokus steht.
SpielerInnen bei Laune halten – Rewards
Mike Hines von Amazon hielt einen spannenden Vortrag, der sehr viel über die Politik von Amazons AppStore aussagt. Kurz gefasst handelte der gesamte Vortrag davon, wie EntwicklerInnen es schaffen können, mehr SpielerInnen für ihre Spiele zu bekommen, um damit einfach mehr Geld zu lukrieren. Praktischerweise bietet Amazon einige Tools an, die einem lästige Arbeit wie das Vermarkten oder Verschicken von Preisen abnehmen. Im Grunde geht es darum, Rewards ins eigentliche Gamedesign aufzunehmen und den Blick auch über InGame-Rewards hinaus schweifen zu lassen.
Abgeschaut hat sich Amazon das ganz einfach bei klassischer Werbung. Sobald es etwas zu gewinnen gibt, sind die meisten Menschen dazu bereit, irgendeinen Blödsinn zu machen. Der Preis muss dabei gar nichts besonders sein, es genügt schon, die Menschen herauszufordern. Hines führte dazu als Beispiel ein Kaufhaus an, dass ein einfaches Leaderboard aufstellen ließ. Wer am Ende einer festgelegten Zeitspanne auf Platz 1 lag, bekam einen Gutschein. Die Leute blieben nicht nur länger und beobachteten ihre Platzierung, sie spielten auch öfter mit.
Was mich besonders störte waren tatsächlich die Worte die Hines verwendete. Die Rewards, die SpielerInnen für die Zeit, die sie mit dem Spiel verbringen, bekommen, müssen gar nichts besonderes sein. Es geht einfach darum, die Begeisterung, sich miteinander zu messen, ins Gamedesign zu implementieren. Mit dem einzigen Ziel, ökonomischen Gewinn daraus zu ziehen. Ökonomischen Gewinn will ich nicht per se verteufeln. EntwicklerInnen sollen fair und gerecht entlohnt werden und Spiele sollen auch erfolgreich sein. Wenn es aber darum geht, Techniken einzusetzen, bei denen der reine Gewinn im Vordergrund steht, ohne einen tatsächlichen Mehrwert für Spielerinnen, begeben wir uns auf gefährliches Terrain.
Streaming als Quelle für Wertschöpfung – Twitch
In eine ähnliche Kerbe wie Mike Hines von Amazon schlug Ethan Evans von Twitch. Sein Talk zum Thema „How Streaming is Changing how we Play“ beschrieb nämlich kein neues Spielverhalten, dass sich aufgrund der zahlreichen Spiele-Streams entwickelt hätte. Vielmehr ging es ihm darum, EntwicklerInnen zu zeigen, wie gut sie Spiele dank Streams monetisieren können. Das empfinde ich doch als traurige Entwicklung, da er damit nahe legt, Spiele nicht mit dem Fokus auf gutes Spieldesign oder einer einzigartigen Erfahrung hin zu produzieren. Bereits in einer frühen Phase sollen sich EntwicklerInnen Gedanken darüber machen, wie sie das Publikum, dass dank Plattformen wie Twitch erreicht werden kann, zu InGame-Käufen oder mehr motiviert werden kann.
Auch hier gilt wieder, dass nichts dagegen spricht, mit einem Spiel, in das viel Arbeit gesteckt wurde, Geld zu verdienen. Eine Frage, die sich mir aufdrängt, muss aber gestellt werden dürfen – Was steht am Beginn eines Spiels? Vielleicht liege ich falsch mit der Annahme, aber ich glaube immer noch, dass ein Spiel dann viele User und ein großes Publikum erreicht, wenn es einfach gut ist. Sei es die Idee, das Gamedesign, das Artdesign oder etwas anderes. Wenn es gut ist, dann verkauft es sich auch einfach gut. Ohne dass sich EntwicklerInnen darüber Gedanken machen müssten, wie es am besten von einem Streamer, einer Streamerin vermarktet werden könnte.
Videospiele Kunst oder Sport
Im Grunde führt mich die Debatte rund ums Monetisieren von Spielen auf eine grundsätzliche Frage zurück. Eine Frage, die sicher in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus rückte und auch für Entscheidungen wie USK-Freigaben wichtig ist. Was sind Videospiele? Wir sollten uns klar darüber sein, dass konventionelle Modelle nicht ausreichen, um das Phänomen Videospiel zu erklären. Natürlich sind manche Spiele Kunst, interaktive Kunst. SpielerInnen sind nicht bloße Betrachter der Werke, wie es bei Gemälden oder Filmen der Fall ist. Durch die Interaktionen werden wir Teil der diegetischen Welt, fiebern mit und beeinflussen die Story.
Dann gibt es Spiele, nicht nur Sportsimulationen, die eindeutig als Sport betrachtet werden können. Der ganze Hype, der gerade um ESL, also E-Sports läuft, macht das offensichtlich. Hier schließt sich auch der Kreis zum oben erwähnten und zu den Talks von Twitch und Amazon. Ich kann natürlich Spiele mit Hinblick auf Streams und dergleichen entwickeln und schaffe damit ein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Handelt es sich um ein Spiel, dass sich Menschen gerne ansehen, wird es auf den diversen Plattformen erfolgreich sein und eine breite Masse zum Spielen motivieren. Dass sollen und müssen EntwicklerIinnen beachten. Aber meiner Meinung nach nicht im Sinne von, ich will damit viel Geld erwirtschaften sondern mit Blick auf gutes Spieldesign.
Die Waage halten
Es wird in Zukunft immer wichtiger werden, für welche Zielgruppe ein Spiel entwickelt wird. Das Negativbeispiel Battlefront II hat gezeigt, dass Spielerinnen sehr wohl erkennen, dass mit Lootboxen versucht wird, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen. Wieso soll ich rund 60€ für ein Spiel ausgeben, bei dem ich dann nur eine begrenzte Menge des Contents tatsächlich haben darf. Um Multiplayer spielen zu können müssen ohnehin Gebühren gezahlt werden, warum auch noch im Spiel? Rewards sind auch etwas schönes aber bitte nicht mit dem Ziel, mehr noch mehr Geld aus meiner Tasche zu ziehen, als ich ohnehin schon ausgegeben habe.
Wenn ein Spiel gut ist, bleibe ich auch so bei der Stange. Und natürlich möchte ich anderen beim Spielen zusehen. Wenn das Spiel gut ist und nicht weil es entwickelt wurde, um mich zum Zusehen zu motivieren. Was noch fehlt ist ein eigenes digitales Wettbüro, in dem nicht mehr auf Pferderennen oder Fußball gewettet werden kann sondern auf den Ausgang der nächsten Fortnite-Partie…