The Dark Pictures Anthology: Man of Medan Test – Gruselige Trashfreuden
The Dark Pictures Anthology: Man of Medan, ein Titel der dank des interaktiven Horrorfilms perfekt zu Halloween passt, aber auf der Stelle tritt. Setzt mit mir die Segel des Geisterschiffs „Man of Medan“.
Mehrere Spiele
Mit Until Dawn hat Supermassive Games 2015 einen überraschend guten Titel mit viel Horror-B-Movie-Charme abgeliefert, der mit typischen Teeniecharakteren einen Film zum selber mitspielen bot. Dabei hat Supermassive sehr schön mit Horrorklischees und den typischen Teenieängsten gespielt und für einige sehr packende Wendungen gesorgt. Man hat daher bereits eine erprobte Formel, die man jetzt mit einem Koopmodus und der namensgebenden Anthologie verknüpft. The Dark Pictures besteht aus drei Horrorgeschichten, die unabhängig voneinander stattfinden und Man of Medan ist der erste Part, um den es in diesem Review gehen soll.
Unsympathisch?
Schon zu Beginn können einige Parallelen zu Until Dawn gezogen werden. Auf einem kleinen Boot, befinden sich fünf Personen, die einem Schatz hinterherjagen und auf den ersten Blick unsympathisch wirken und ehrlich gesagt mehr wie Abziehbilder, als lebendige Charaktere wirken. Da gibt es den schüchternen Nerd Brad, den coolen Sportler Brad, seine gut aussehende Freundin Julia, die endlich heiraten möchte, den Aufreißertypen Conrad und natürlich Kapitänin Fliss, die äußerst taff ist, aber ein Geheimnis zu verbergen hat. Die coolen One-Liner werden wie am Fließband abgearbeitet, aber das aus einem bestimmten Grund.
Ja, aber mit System!
Supermassive möchte abermals mit diesen Horror-Klischees spielen. Man kennt das aus den eigenen Filmabenden, eine Gruppe von Leuten sieht sich einen Horrorfilm an und lacht oder beschwert sich über die idiotischen Entscheidungen der Hauptcharaktere. Wie dumm kann man den sein, einem Killer unbewaffnet in den modrig feuchten Keller zu folgen, der mit dem ganzen Werkzeug und dem Rattengift ohnehin schon eine potenzielle Todesfalle darstellt? Jetzt übernehmt aber ihr die Kontrolle und ihr trefft die „dummen“ Entscheidungen. Da jeder der fünf Hauptcharaktere das Spiel überleben, aber auch an verschiedensten Stellen der Story sterben kann, entstehen intensive Spielmomente. Blöd ist nur, dass Supermassive seine Figuren etwas zu künstlich unsympathisch macht, nur um sie später erden zu können.
Auf dem Geisterschiff
Nach etwas zähem Anfangsgeplänkel, wo gescherzt und gebaggert wird, gerät meine Crew in die Finger von Piraten und befindet sich nach einem Sturm plötzlich auf einem riesigen Schiff, das im zweiten Weltkrieg unter mysteriösen Umständen gesunken ist. Den Geißelnehmern gerade so entkommen, erkunden sie das Schiff und entdecken überall Leichen, die mit weit aufgerissenen Mündern und entsetzter Mimik verstorben sind. Das ist dann auch das große Mysterium, das es in vier bis fünf Spielstunden aufzudecken gilt und von vielen Horrorszenen begleitet wird.
Nicht nur Jumpscares
Da gibt es einerseits die klassischen Jumpscares, die meiner Meinung nach in mehreren Situationen zu inflationär eingesetzt wurden. Sobald eine Schranktür geöffnet oder sonstige Hindernisse beiseite geräumt werden müssen, kommt ein schneller Cut, ein lautes Geräusch und eine Leiche, eine Ratte oder sonstiges Ungetüm lugen dahinter hervor. Das gehört zwar zum Horror dazu, aber für mich viel interessanter, ist der atmosphärische und psychische Gruselfaktor. Teilweise schafft es Man of Medan mit Ängsten bzw. Wahrnehmung und Wirklichkeit zu spielen. Durch Bilder, die ihr finden könnt, seht ihr Visionen, die euch potenzielle Sterbesequenzen zeigen und so ein schönes Foreshadowing und manchmal sogar kleine Hinweise bieten. Die Momente in denen das gelingt sind aber ein wenig seltener, als noch in Until Dawn.
Supermassive bleibt Supermassive
Das bringt uns zum Knackpunkt der Sache: Man of Medan verwendet die gleiche Formel, wie Until Dawn und ist trotz der enorm dichten Horroratmosphäre erzählerisch schwächer und verwendet immer noch die haklige Steuerung von 2015. Die Charaktere steuern sich nicht gut durch enge Räume, da sie zu träge sind. Immerhin funktionieren für den Horror die fest platzierten Kamerawinkel, die sehr an die ersten Teile von Resident Evil erinnern. So ist der erste Teil der The Dark Pictures Anthology zwar immer noch unterhaltsam, aber nicht so gut gelungen wie sein sehr beliebter Vorgänger.
Profitiert und leidet unter kürzerer Spielzeit
In den ersten zwei bis drei Spielstunden, dachte ich mir, dass es überhaupt keine Weiterentwicklung bei Supermassive gab. Dieser Vorwurf kann damit untermauert werden, da sich im Kerngameplay nicht viel geändert hat. Ihr trefft noch immer Entscheidungen, zu Beginn noch eher egal, hinten raus meist zwischen Leben und Tod. Man of Medan hebt sich mit seiner kurzen Spielzeit aber trotzdem von seinem Vorgänger, aber auch von Tell Tale Titeln ab. Durch die kurze Laufzeit, kann bei den Storywegen mehr passieren.
Verpasst ihr bestimmte Gelegenheiten oder entscheidet euch falsch, kann es passieren, dass ihr Plan A vom Boot wieder herunter zu kommen, komplett vergessen könnt. Zwar ist die Auflösung des Mysteriums immer gleich, der Ausgang für die Hauptcharaktere und deren Storypfade, plus die verschiedenen Enden können komplett unterschiedlich ausfallen. Das geht sogar soweit, dass es nach dem Durchspielen noch einen Curator’s Cut gibt, der ähnlich wie bei Nier: Automata euch die Geschichte aus anderen Blickwinkeln erzählt. Das macht Supermassive sehr geschickt, da so die unbeantworteten Fragen, die beim ersten Durchspielen noch offen bleiben, dadurch beantwortet werden.
Zwei Koop-Modi
Den Curator’s Cut kann man in einem Online-Koop auch sofort ausprobieren. Dort übernimmt man dann zu zweit simultan die verschiedenen Charaktere, die eben die Story auch aus einem anderen Blickwinkel erzählen. Das ist eine wirklich schöne Idee, es nervt aber, dass man dafür zwei Menschen benötigt, die beide das Spiel und dieselbe Konsole besitzen müssen. Warum das als Couch-Koop nicht funktioniert, bleibt ebenfalls ein ungeklärtes Mysterium. Dafür gibt es aber einen Kino-Modus der eben auch offline funktioniert. Hier weist man seinen Freunden und sich selbst die fünf Hauptcharaktere zu und übernimmt dann immer das Gamepad, wenn die eigene Figur wieder an der Reihe ist. Das ist sehr unterhaltsam, denn so hat man eine Mischung aus Spiel- und Filmabend mit Horrorstimmung und viel Gelächter über die „dummen Charaktere“.
The Dark Pictures Anthology: Man of Medan Fazit
Genau dafür, nämlich für einen Partyabend, würde ich Man of Medan auch empfehlen. Auch hier profitiert man von der kurzen Spieldauer, weil man spätestens nach zwei Sessions das Spiel abgeschlossen hat. Dann schwankt die Stimmung schnell zwischen Gelächter über die klischeehaften Charaktere und dem ernsteren Gruselspaß, den auch Man of Medan in großen Zügen voll ausspielt. Besonders gut gefällt mir auch hier wieder der Kurator, der als Meta-Erzähler fungiert und den Psychologen aus Unti Dawn ersetzt und die erlebten Szenen und damit die getroffenen Entscheidungen kommentiert. Außerdem lohnt sich mit etwas Abstand ein erneuter Durchgang, in dem noch einige neue und alte Fragen endlich erklärt werden. Es gibt nicht viele Spiele dieser Art und wenn ihr euch für Tell Tale, David Cage oder einfach nur Horrorfilme interessiert, dann solltet ihr auch diesem Spiel eine Chance geben. Die Figuren sind aber dann doch deutlich schwächer und austauschbarer als in Until Dawn, das im Großen und Ganzen das besser Spiel bleibt. Das ändert nichts an der Tatsache, dass auch dieser Supermassive Titel für mich trotzdem spielenswert ist.