Minute of Islands im Test – Sechsquadrillionen Tonnen auf den Schultern
Das Gewicht der Welt lastet auf Mo.
Nur sie kann die Maschinen reparieren, welche tödliche Partikel aus der Luft filtern. Nur sie kann die Giganten wiedererwecken, die in den Eingeweiden der Inselgruppe Pumpen und Motoren am Laufen halten. Nur sie besitzt den Omniswitch, das mächtige Universalwerkzeug, welches ihr die Riesen vermacht haben. – Warum also schlagen ihr so viel Unverständnis und Ablehnung entgegen? Warum wissen es die anderen Bewohner:innen nicht zu schätzen, dass sich Mo für das Wohl aller aufopfert?
Kampf gegen Windmühlen
Um die Einstiegsfragen gleich zu beantworten: Dass sich andere von Mo abwenden, hat sie sich selbst zuzuschreiben. Immer wieder stößt sie ihre Liebsten von sich und verschließt die Augen vor jeder Vernunft, unfähig aus ihren inneren Zwängen auszubrechen. Es kann ganz schön unangenehm sein, in Mos Schuhen zu stecken. Doch Minute of Islands kennt in dieser Hinsicht keine Gnade. Das Spiel möchte seine Geschichte erzählen und lässt es nicht zu, dass man sich aus unbehaglichen Situationen windet. So muss man bis zum Ende mit Mo um ihre dem Untergang geweihte Heimat kämpfen.
Doch auch wenn ich den Bildschirm aufgrund von Mos Starrsinn so manches mal anbrüllen wollte, empfand ich es dennoch als erfrischend nicht zum x-ten Mal in eine klassische (Anti-)Heldenrolle zu schlüpfen. Darüber hinaus konnte mich die emotionale Geschichte wirklich berühren, nicht zuletzt durch ihre stimmige Auflösung.
Zum Sterben schön
Die ernste Handlung von Minute of Islands wird durch seine audiovisuelle Gestaltung gelungen ergänzt. Was auf den ersten Blick nach detailverliebtem, bunten Comicstil á la Adventure Time aussieht, konfrontiert Spieler:innen rasch mit morbiden Bildern. Verwesung, Verfall und Verstümmelung prägen Mos sterbende Welt und verbreiten eine melancholische Stimmung.
Soundtrack und Umgebungsgeräusche verdichten die drückende Atmosphäre. Die einzige Stimme, die man in Minute of Islands vernimmt, ist die einer bedächtigen, englischsprachigen Erzählerin. Für eine deutsche Übersetzung liegen Untertitel vor.
Gemütlich geht die Welt zugrunde
Das audiovisuelle Design sowie die berührende Handlung sind eindeutig die Kernelemente von Minute of Islands. Das Gameplay hingegen bietet seichte Puzzle-Platformer-Standardkost. Dieser Mix hat mich zwar während der gesamten Spielzeit nie gelangweilt, aber auch zu keinem Zeitpunkt herausgefordert. Laufend, kletternd oder springend bewegt man sich durch die zweidimensionale Spielwelt und löst zwischendurch simple Schalter- und Schieberätsel. Dabei ist es gut, dass die Platforming-Passagen so einfach ausgefallen sind, denn Kniffligeres hätte die träge Steuerung auch nicht zugelassen.
Mich hat diese spezielle Kombination aus pittoresker Spielwelt, starkem Fokus auf Story und seichtem Platforming-Rätsel-Mix an Forgotton Anne denken lassen. Auch wenn der Titel aus 2018 mit Anime-Grafikstil und Steampunk-Setting daherkam, anstelle von Comic-Optik und Mini-Apokalypse.
Mein Fazit zu Minute of Islands
Studio Fizbin war ja bisher eher für klassische Point&Click-Adventures (The Inner World) bekannt. Doch ich würd sagen: Die neue Ausrichtung funktioniert! Allein aufgrund der traumhaften Bilder und der dichten Atmosphäre lohnt Minute of Islands. Und Spiele, die sich einfühlsam mit psychischen Problemen auseinandersetzen, gibt es nun auch nicht gerade wie Sand am Meer.