Fantasy Life (3DS) im Test
Vergesst Die Sims 4, nun schickt sich ein neuer Lebenssimulator namens Fantasy Life an, euer Herz im Sturm zu erobern! Zahlt es sich tatsächlich aus, in die verschiedensten Leben zu schlüpfen und die Welt zu erforschen? Lest hier den Test von Fantasy Life!
Schaffe, schaffe, lebe
Fantasy Life (hier geht’s zur offiziellen Nintendo-Homepage), der neue Lebens- und Berufssimulator für Nintendo 3DS, strotzt nur so vor liebevollen Details und witzigen Ideen. Ihr beginnt damit, euer Alter Ego in das Spiel zu bringen. Nachdem ihr mit dem großzügigen Charakter-Editor einige Zeit verbringen durftet und euren Avatar von Fantasy Life bis ins kleinste Detail angepasst habt, werdet ihr auch schon mitten ins Spielgeschehen geworfen. Ihr startet euer Abenteuer oder besser euer Leben in der Fantasiewelt von Reveria inmitten eines kleinen beschaulichen Städtchens namens Kastell.
Ein kurzes allgemeines Tutorial später findet ihr euch vor der Wahl wieder, welches Leben ihr nun starten möchtet. Fantasy Life geizt nicht mit Details, und die Jungs und Mädels von Level-5 haben sich hier richtig etwas einfallen lassen. Die Leben (vergleichbar mit Berufen) geben euch nämlich je nach Fortschritt gewisse Boni, die für den Avatar gelten, wie etwa einen Lebensboost oder mehr Stärke bzw. Geschick.
Die Frage aller Fragen
Welcher Beruf, welches Leben darf es sein? Hier wartet eine mannigfaltige Auswahl an euch. Beginnt ihr euer Abenteuer als tapferer Paladin, als Schild der Unschuldigen und Schwert der Schwachen? Reist ihr als SöldnerIn umher, um für bare Münze Aufträge zu erledigen und die besten Großschwerter der Welt zu sammeln? Lasst ihr euch von eurem Jagdinstinkt leiten, während ihr als JägerIn eurer Beute hinterherschleicht?
Oder seid ihr nicht so brutal und verlasst euch als MagierIn lieber auf Zauberei vom Feinsten? Seid ihr jedoch nicht auf Gefechte aus, könnt ihr auch unschuldigem Handwerk nachgehen. Als SchürferIn zieht ihr los, um mit eurer treuen Spitzhacke Steine zu klopfen und Edelmetalle zu schürfen. Oder ergreift ihr den Beruf als HolzfällerIn, dank dessen ihr zur Axt greifen und Bäume verarbeiten dürft? Doch Vorsicht, Legenden erzählen von mystischen Wesen im Wald …
Ihr steht nicht so auf Holz? Kein Problem, als AnglerIn könnt ihr ohne Stress und Anstrengung fischen gehen, doch Vorsicht – wer nichts fängt, geht hungrig ins Bett! Stellt ihr euch lieber in den Dienst der Allgemeinheit, so könnt ihr auch die hohe Kunst des Kochens erlernen, doch die Jagd nach den Gewürzen kann sich als trickreich erweisen. Wer lieber mit Metall arbeitet, darf sich als SchmiedIn versuchen, denn was wäre ein/e KriegerIn ohne Schwert oder ein/e SchürferIn ohne Werkzeug?
Als SchreinerIn fokussiert ihr euch auf die grundlegenden Aspekte des Lebens und stellt Objekte wie Tische und Betten her, wohingegen ihr als SchneiderIn stets ein Auge auf die aktuellen Modetrends werft. Und wenn ihr es liebt, Dinge zusammenzumixen und zu brauen, gibt es auch die Option, sich als AlchemistIn zu versuchen und vielleicht sogar den Trank aller Tränke zu erschaffen. Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber langweilig wird es in Fantasy Life bestimmt nicht, und das liegt vor allem am hervorragenden Levelsystem.
From Zero to Hero – und mehr
Nachdem ihr nach einem mehr oder minder kurzen berufsspezifischen Tutorial beim Lebensmeister (nicht unähnlich einem Gildenmeister) eure Lizenz zum Arbeiten erhalten habt, findet ihr euch inmitten des Spielgeschehens wieder. Es gilt, im gerade gewählten Leben im Status aufzusteigen. Klar beginnt ihr in einem neuen Beruf als Laie, steigt aber rasch in den Rang eines Anfängers oder Lehrlings auf. Darüber hinaus erwarten euch noch die Ränge Geselle, Experte, Meister, Held und Legende. Es gibt auch das Gerücht, dass ihr einen höheren Rang als Legende erreichen könnt …
Wenn ihr im Rang aufsteigt, so erlernt ihr Techniken, die euch in eurem gerade gewählten Leben weiterhelfen. Kämpferklassen erhalten neue Kampftechniken, HandwerkerInnen beherrschen neue Befehle und Anleitungen, und habt ihr viel mit Rohstoffen zu tun, so werdet ihr beim Sammeln von Materialien weitaus effektiver und schneller. Abgesehen von den Berufen steigt auch euer Avatar in Stufen auf, die euch im gesamten Spielverlauf von Fantasy Life von Nutzen sein werden.
Solche Aufstiege bringen euch generelle Vorteile wie mehr Stärke, Geschick, Ausdauer und mehr. Das System ist durchaus sinnvoll, so hilft euch mehr Stärke beim Kämpfen und Holzfällen, wohingegen Geschick beim Umgang mit Nadel und Faden wichtiger ist als rohe Kraft. Wollt ihr euch spezialisieren, möglichst viel in eurem Leben erreichen oder lieber einen Spieldurchgang als Multitalent wagen? Diese Wahl ist zu jeder Zeit stets euch überlassen, und Fantasy Life versteht es hervorragend, euch eure Lebensgestaltung (bis auf die Storyline) größtenteils selbst zu überlassen.
Eng verbunden und doch getrennt
Der Spaß an Fantasy Life entwickelt sich nach wenigen Spielstunden, wenn ihr bemerkt, wie verflochten die Berufe in Wirklichkeit miteinander sind. Erwähnenswert ist, dass ihr nach Erreichen der Anfängerstufe jederzeit zwischen den Berufen wechseln und euch in Wahrheit selbst mit Materialien, Waffen, Mode und mehr versorgen könnt. Für jeden Beruf gibt es eine eigene Questreihe zu absolvieren, die euch höhere Ränge bringt. Ihr erlernt auch berufsspezifische Techniken, die euch euer Leben im gewählten Beruf um einiges erleichtern oder euch effizienter machen.
Als Paladin-Geselle entwickelt ihr beispielsweise einen mächtigen Angriff, der schwache Monster im Nu niedermäht. Erlernt ist erlernt, solche Errungenschaften werden nicht mehr vergessen. Spielt ihr euren Avatar dann aber als HolzfällerIn weiter, ist diese Spezialattacke so lang gesperrt, bis ihr wieder als Paladin durch die Ortschaften Reverias streift. Nun besitzt Fantasy Life jedoch, anders als gewisse Lebenssimulationen, einen ganz eigenen Reiz und eigene Herausforderungen, die sich mit jedem Leben ändern und anpassen.
Ich dachte nämlich, dass es möglich beziehungsweise sinnvoll ist, mich auf eine einzige Berufssparte zu konzentrieren. Also wählte ich mit meinem Avatar die Kunst des Holzfällens aus (nichts ist so entspannend wie das Geräusch einer Axt, die durch Holz gleitet) und wandelte frohgemut meiner Wege. Doch weit kam ich so nicht: Zwar konnte ich um Kastell herum meine üblichen Bäume fällen, doch das Eichenholz war schon nach kurzer Zeit verpönt – Angebot und Nachfrage eben.
Pinienholz musste her, und so versuchte ich mein Glück auf der Schneespitze, eine kleine Reise vom Heimatstädtchen entfernt. Doch die Monster dort überwältigten mich ein um das andere Mal, also wechselte ich flugs zu einer Kampfklasse, in der ich klarerweise weiter kam, nicht zuletzt deswegen, weil die besten Ausrüstungsgegenstände nur von Kriegerklassen getragen werden können. Ihr seht also, beim üblichen Durchspielen werdet ihr angehalten, so gut wie jeden Beruf auszuprobieren, und was soll ich sagen? Es macht richtig Spaß.
Motivierend und langwierig zugleich
Der Grundsatz von Fantasy Life ist einfach: Wähle den Beruf, den du liebst, und verfolge deinen Traum, der/die Beste darin zu werden. So weit, so gut. Die einzelnen Questreihen (als HolzfällerIn strebt ihr beispielsweise danach, mystische Waldkreaturen zu treffen) sind liebevoll gestaltet und geben euch genug Grund, noch ein paar Minuten weiterzuspielen. Die Belohnungen sind in den ersten Spielstunden richtig umfangreich, so gibt es keinerlei Probleme auf dieser Seite. Die Tutorials und die Story hingegen sind teilweise etwas langatmig geraten. Oft erwischt ihr euch dabei, wie ihr den armen A-Knopf mit Tastendrucken bombardiert, weil eure Begleitung mal wieder nicht den Rand halten kann.
So könnt ihr zwar bei jedem neuen Beruf die Einführung überspringen, habt aber dann in Wahrheit nur wenig Ahnung, was gerade zu tun ist oder wie ihr es anstellen sollt. Dabei hilft euch das Questlog gern weiter, das euch einerseits mit einem roten Pfeil auf der Minimap am unteren Bildschirm auf das nächste Ziel hinweist. Andererseits hält es aber auch die Aufgaben für euch parat, die ihr in jedem Leben angehäuft habt – bis zu 50 Quests werden gleichzeitig darin gespeichert.
Habt ihr also eure Leben nicht wirklich durchgeplant, kann euch das relativ schnell an die Obergrenze von 50 offenen Quests bringen. Es ist dann zwar einfach, die leichten Aufgaben zu erledigen, um neue annehmen zu können, doch der Grad an Parallelität ist in Fantasy Life derart hoch, dass dies für manche SpielerInnen geradezu überfordernd sein könnte. Mir persönlich gefällt diese Spielweise (da fällt mir Kingdoms of Amalur: Reckoning ein), doch mir ist durchaus bewusst, dass eine solche Hortmöglichkeit nicht für jede/n optimal ist.
Auch der Wonnewert (mehr oder minder mit Glück, Wohlstand, Zufriedenheit zu vergleichen) ist etwas, was anfangs schnell in Vergessenheit geraten kann, da er wieder eigens durch Quests erhöht werden soll. Dieser ist nach den ersten Spielstunden Pflicht, da ihr ansonsten nicht ins nächste Gebiet weiterkommt. Die Belohnungen, die ihr für die Erledigung dieser Spezialaufträge bekommt, wie etwa eine größere Tasche, ein Haustier oder ein Pferd für die schnelle Reise außerhalb der Städte, machen das Spiel noch lebendiger und spaßiger. Insbesondere wenn ihr NPCs und Haustiere in eine Gruppe steckt und gemeinsam (wie auch im Mehrspielermodus) auf Beutezug geht, macht Fantasy Life so richtig Laune – hier ist die Balance echt gut gelungen, Hut ab!
Technisch sauber und süß
Die Optik von Fantasy Life ist auf jeden Fall gelungen, so kann es sich zwar nicht mit Produkten wie Pokemon X/Y oder Kingdom Hearts messen, doch Spaßsimulationen wie Tomodachi Life hängt es mit seinem Charme und der Aufmachung locker ab. Die Steuerung ist ebenfalls als positiv zu bewerten, bis auf ein kleines Manko bei den Handwerkern: Hier ist eine fiese Doppelbelegung (Angriff und Sammeln) am Werk, die euch manchmal unnötig ins Schwitzen bringt, wenn ein Gegner (den ihr gar nicht attackieren wollt) neben einem Erzvorkommen herumlungert. Die Sounds und Hintergrunduntermalung sind zahlreich vorhanden und wirken gut, ohne zu glänzen. Nichtsdestoweniger kommt es vor, dass man nach einer längeren Spielsession noch das Theme von Fantasy Life summt, ohne es zu merken. Fahrstuhlmusik klingt auf jeden Fall anders, die Musik ist einfach präsent, ohne zu stören.
Vom Umfang her ist Fantasy Life, falls es nicht schon aus dem Bericht herausgegangen ist, enorm: Es ist schwierig, einfach nur bei einem Beruf zu bleiben und diesen isoliert auszuüben. Fast schon wie von selbst beginnt man, zwischen den Leben hin und her zu springen, und ehe ihr euch verseht, ist euer Avatar ein sprichwörtlicher Hansdampf in allen Gassen. Das ist auch bestimmt die Absicht der EntwicklerInnen von Level-5 gewesen, um Jung und Alt wenig verhohlen darauf hinzuweisen, dass man sich selbst sehr wohl in einem größeren Gefüge befindet und für jedermann wichtig ist, egal, wie der eigene Beruf aussieht oder was man im Leben so anstellt. Dieser positive Grundgedanke ist lobenswert und wird perfekt transportiert.
Fantasy Life: Umfangreich und lang
Bessere Adjektive gibt es nicht für das Spiel. Wenn ihr euch auf Fantasy Life einlasst, macht euch darauf gefasst, einer potenziellen Suchtgefahr zu erliegen. Was als kurze Spielsession geplant war, fesselte mich über eineinhalb Stunden an den 3DS, und als ich einen ganzen Abend Zeit hatte … nun, ihr wollt es nicht genau wissen. Fantasy Life mag am Anfang ein wenig bunt, ein wenig schräg, ja sogar ein wenig japanisch wirken; das ist auch den gezeichneten Zwischensequenzen von Level-5 geschuldet.
Doch irgendwann kommt der Haken, ohne dass ihr es bemerkt, und natürlich spielt ihr weiter und beißt zu. Ganz trocken holt Fantasy Life dann die Schnur ein, und ihr seid der Fisch am Haken: Nur noch eine Stufe als SchneiderIn oder nur noch ein wenig als Paladin aufsteigen, um genug Stärke zu haben, um die nächste Stadt zu erreichen. Jeder Beruf ist mit dem anderen verbunden, und wenn ihr schon als SchmiedIn extrem gut seid, wäre es doch fast eine Dummheit, die selbst erschaffenen Waffen und Rüstungen nicht auszuprobieren, oder?
Klar ist Fantasy Life nicht perfekt, die Charaktere im Universum sind einfach zu gesprächig und deren Charme teilweise auch zu abgedreht – aber genau dafür holt man sich ja ein japanisches Spiel, um daran erinnert zu werden, was den westlichen Produktionen zum großen Teil fehlt: Persönlichkeit, denn davon hat Fantasy Life genug. Mögt ihr geführte und lineare Abenteuer, ist dieses Spiel nichts für euch, doch wenn ihr es nur im Geringsten reizvoll findet, verschiedene Berufe durchzuspielen und nebenbei eine Geschichte zu erleben, sollte Fantasy Life euer nächster Kauf werden – zumindest ein erstes Anspielen hat es verdient.