Als Schattenninja im feudalen Japan: Aragami (PS4) im Test
Es ist äußerst selten, dass ein neues Stealth-Game erscheint, das diese Bezeichnung tatsächlich verdient. Wer das Loch in seinem Herzen füllen möchte, das Mark of the Ninja dort 2012 hinterlassen hat, sollte sich Aragami unbedingt ansehen – Wer weiß, vielleicht dauert es bis zum nächsten “richtigen” Genrevertreter ja abermals 4 Jahre…
Dunkelheit ist unser Freund
Erinnert euch zurück an eine Zeit, in der Stealth nicht nur eine Spielmechanik war, die halbherzig an Action-Adventures oder Shooter angeheftet wurde, um einen “alternativen Weg” zu bieten, sollte es uns mal langweilig werden, alle Gegner mit Karacho auszuschalten. Denkt an 1998, als wir in Thief Angst davor hatten, die Schatten zu verlassen und in Tenchu vor der Möglichkeit, entdeckt zu werden, erzitterten. Nur in der Dunkelheit und unentdeckt waren wir unseren Widersachern überlegen. Schutzlos im Licht vom Feind ausfindig gemacht hingegen starben wir schneller als man “Splinter Cell” sagen konnte.
Ich hasse die Sonne, hasse sie, hasse sie!
Aragami entpuppt sich als Stealth-Videospiel der alten Schule.
Das neu erschienene Aragami aus dem Hause Lince Works steht in dieser Tradition und entpuppt sich in meinem Test als Stealth-Videospiel der alten Schule.
Wir finden uns darin im mittelalterlichen Japan als Rachegeist – ein sogenannter “Aragami” – in der Festung Kyuryu wieder. Das Mädchen, Yamiko, das uns heraufbeschwor, ist durch sechs Siegel in Kyuryu gefangen. Unsere Aufgabe ist es diese Siegel zu finden und zu zerstören. Das muss innerhalb einer Nacht geschehen, denn beim ersten Sonnenstrahl glitzern wir zerfallen wir zu Staub.
Schleichen ist Pflicht
Die Zeit ist knapp, machen wir uns also gleich an unsere Aufgabe: Zu Beginn verstecken wir uns geduckt in den Schatten, teleportieren uns von dunklem Fleck zu dunklem Fleck oder überwinden die ein oder andere im Licht gelegene Stelle durch schnelles Laufen. Mit diesen simplen Mechanismen versuchen wir an den zahlreichen Wachen vorbeizukommen, die die Festung patroullieren. Von hinten können wir diese unbemerkt mit einem Stoß unseres Katanas töten. Auch von Torbögen oder Mauern aus können wir uns auf unsere ahnungslosen Opfer stürzen.
Eines sollte man in Aragami um jeden Preis vermeiden: Entdeckt zu werden!
Nur eines sollte man in Aragami um jeden Preis vermeiden: Entdeckt zu werden! Wird man vom Feind erspäht oder stolpert dieser über eine Leiche seiner Kollegen, wird sofort Alarm ausgerufen. Ein einziger Hieb und man ist Geschichte. Es ist hier also absolut notwendig mit Bedacht vorzugehen, die Wege der Wachen auszukunschaften, sich günstige Routen zu überlegen und dann unbemerkt mit gutem Timing durch ein Gebiet zu huschen.
Spezialkräfte, die man im Laufe des Spiels erwirbt, helfen einem dabei. So kann man zum Beispiel unbeleuchtete Oberflächen zu Schatten werden lassen, kurzzeitig unsichtbar werden, Feinde mit verschiedenen Hilfsmitteln ablenken oder gar erblinden lassen. Befindet man sich im Schatten, füllt sich eine Machtanzeige auf, die es uns erlaubt, die Spezialfähigkeiten zu nutzen. Im Licht hingegen, wird man schwächer.
Zwischen Lust und Frust
Aragamis Fokus auf Stealth verlangt einem Geduld und eine sorgfältige Vorgehensweise ab. Der Schwierigkeitsgrad liegt von Beginn an hoch. Bereits für die Passage am Ende des Tutorialkapitels werden die meisten wohl mehrere Anläufe benötigen. Doch hat man sie gemeistert, fühlt sich das sehr befriedigend an. Eine Belohnung gibt es in Form von Punkten für geräuschlose Morde und das unbemerkte Durchqueren eines Gebiets. Wird jedoch eine Leiche oder man selbst entdeckt und Alarm geschlagen, sorgt das für einen saftigen Abzug vom Highscore.
Das Spiel kann sich das geforderte Maß an Genauigkeit aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht leisten.
Leider kann sich das Spiel das geforderte Maß an Genauigkeit aufgrund technischer Schwierigkeiten eigentlich nicht leisten. Öfters hätte ich schwören können, dass Wachen um die Ecke schauen können, wenn ich zusammengekauert im Schatten hinter einem Felsen hockte. Was die Wachen in solchen Situationen an übernatürlichem Sichtfeld hinzugewinnen, wird dem Spieler genommen: Duckt man sich in eine Ecke, verschwindet die Kamera gerne im Charakter oder der Mauer.
Auch die Bewegungen funktionieren alles andere als reibungslos. Will man schnell von Schatten zu Schatten oder auf eine Mauer springen, bleibt der Rachegeist öfters an unsichtbaren Hindernissen auf halbem Wege hängen, was häufig zu sofortiger Entdeckung führt. Das ist bei den sparsam gesetzten Zwischenspeicherpunkten äußerst ärgerlich.
Entdecker wider Willen
Da die zu erwerbenden Spezialfähigkeiten in Form von Schriftrollen im Level versteckt sind, sollte man sich Zeit nehmen, um die Gebiete ausführlich zu erkundschaften. Denn nimmt man nur den linearen Weg zum Ziel, kann man einiges verpassen. Doch die spärlichen Checkpoints zusammen mit der hakeligen Steuerung und dem hohen Schwierigkeitsgrad laden nicht gerade dazu ein, jeden Winkel der Map zu durchforsten. Vor allem später im Spiel, wenn die Bereiche immer komplexer werden und wir uns nicht nur vor Wachen sondern auch Bogenschützen mit Leuchtpfeilen oder Lichtminen in Acht nehmen müssen, bereitet das Erkunden keine wahre Freude.
Holzschnitt oder Seidenmalerei?
Die Schauplätze atmen geradezu Japan
Bei der grafischen Gestaltung pendelt Aragami ebenso wie beim Gameplay zwischen äußerst ansprechend und enttäuschend fehlerbehaftet. Während der simple Cell-Shading-Stil mit den großen einfarbig bunten Flächen gut aussieht, wirken Texturen arg verwaschen. Die Schauplätze atmen geradezu Japan mit den Pagoden, Kirschbäumen und Darstellungen mythologischer Wesen. Allerdings zerstören häufig auftretende Probleme mit der Bildrate sowie übles Screentearing die Stimmung.
Fazit
Aragami liefert ausgehungerten Anhängern des Genres ein pures Stealth-Spiel mit knackigem Schwierigkeitsgrad zu einem wirklich guten Preis (um die 20€). Dieses Vergnügen wird allerdings durch zahlreiche technische Probleme getrübt und sorgt zusammen mit ein paar fragwürdigen Designentscheidungen, wie den spärlich gesetzten Zwischenspeicherpunkten, manchmal für mehr Frust als Lust.