Avatar: Frontiers of Pandora (Test): Abenteuer zwischen zwei Welten
Avatar: Frontiers of Pandora entführt uns in eine eindrucksvolle Erweiterung des Filmuniversums. Man lernt die Welt von einer neuen interaktiven Seite kennen, erkundet bislang unbekannte Gebiete und begegnet neuen Kreaturen und Clans. Die Abenteuer sind nahtlos in das Filmuniversum integriert und tragen zum Gesamterlebnis des Avatar-Universums bei. Die Frage bleibt jedoch, ob das Spiel mit den Filmen mithalten kann oder ob es lediglich entwickelt wurde, um vom Ruhm der Blockbuster zu profitieren.
Tarzan in Blau
In Frontiers of Pandora sind wir, anders wie im Film, kein Himmelsmensch der einen Avatar steuert. Wir sind vollständig Na’vi, wurden jedoch in unserer frühen Kindheit von unserem Clan getrennt und wuchsen in einer menschlichen RDA-Einrichtung auf. Als Fremde in unserer Heimat lernen wir alles, was wir wissen, aus der Perspektive des Militärs. Menschliche Umgangsformen und Gepflogenheiten sind uns eher vertraut als die spirituelle und naturnahe Kultur unserer eigenen Spezies. Die wunderschöne Welt von Pandora und ihre vielen Geheimnisse sind uns fremd, und in der Wildnis müssen wir lernen, wo unser Ursprung liegt und wie wir mit der Welt interagieren können.
Ein Kind zweier Welten zu sein hinterlässt das Gefühl, nirgends richtig zugehörig zu sein. Dieses Zwischendrin resultiert in Selbstzweifel, dennoch möchten wir nach all den Jahren des menschlichen Einflusses nun das Leben als Na’vi kennenlernen. Zeitlich spielt das Abenteuer während des zweiten Films Avatar: The Way of Water. Nachdem die Menschen den Mond nach den Geschehnissen des ersten Films verlassen mussten, kehrten sie einige Jahre später in größerem Ausmaß zurück. Wir helfen dabei, Pandora zu befreien, und versuchen herauszufinden, warum wir dieser Welt entrissen wurden.
Na´vi-gation auf Pandora
Wir erkunden das westliche Grenzland von Pandora, eine vollkommen neue Umgebung, fernab der bekannten Gebiete aus den Filmen. Dort trifft man auf drei verschiedene Na’vi-Clans: Aranahe, die im Kinglor-Wald angesiedelt sind, einem Regenwald, der dem Lebensraum der Omaticaya (Clan des ersten Films) recht ähnlich ist. Zeswa leben in Symbiose mit riesigen, aber ruhigen Kreaturen namens Zakru. Zusammen schützen sie sich vor den starken Winden auf einer weiten Graslandebene. Kama’tire, der am wenigsten zugängliche Clan, ist im verhangenen Wald angesiedelt. Ein nebliger Tannenwald, der Schutz vor Eindringlingen bietet, verbirgt das Mysterium dieser zurückgezogenen Gruppe. All diese Na’vi-Völker haben individuelle Bräuche, Geschichten, Lebensweisen und Werte, die sie im Spielverlauf vermitteln.
Die Spielwelt ist, wie bei Ubisoft-Spielen üblich, wieder enorm. Somit war schon sehr früh in der Entwicklung klar, dass das Fliegen eines der wichtigsten Fortbewegungsmittel werden würde, da auch einige Stellen der Welt in die Vertikale gebaut sind. Der Weg zu unserem eigenen Flugtier (Ikran/Banshee) ist atemberaubend. Die Erkundung in der Luft bringt etwas Frisches und bietet viele mehr Möglichkeiten für ein solches Abenteuer. Ganz hilflos ist man zu Fuß aber nicht, denn die Na’vi sind agil und akrobatisch unterwegs. Außerdem findet man in ganz Pandora verschiedene Pflanzen, die bei der Fortbewegung helfen, indem sie uns schneller machen, weit weg katapultieren oder an Vorsprüngen hoch und runter lassen. Wenn man am Boden trotzdem etwas schneller vorankommen will, kann man auch eines der Schreckenspferde als Reittier nutzen.
Überall auf Pandora spürt man den menschlichen Einfluss und die Zerstörung des Ökosystems. Um die stark beeinträchtigte Umwelt zu heilen, können wir verschiedene Aktivitäten in der Welt angehen. RDA-Militärbasen stützen, Tiere in Gefangenschaft befreien oder Patrouillen ausschalten helfen der Natur wieder die Oberhand zu gewinnen. Unsere doppelte Herkunft hilft dabei sehr, denn wir können sowohl mit Na’vi-Waffen als auch zusätzlich mit menschlichen Gewehren umgehen.
Teamwork oder Watchdogs ?
Um das Spiel ins Avatar-Universum zu integrieren, wurde es von Massive Entertainment in enger Zusammenarbeit mit Lightstorm Entertainment entwickelt. Das Produktionsstudio, das einen erheblichen Einfluss auf alle Projekte rund um das Avatar-Universum hat, trägt die Verantwortung, jeden Schritt zu kontrollieren und Vieles sogar vorzugeben. Aus Interviews wissen wir, dass die Entwickler mit einer Flut von Informationen überschüttet wurden, darunter Lehrbüchern wie der Pandorapedia mit Details zur Na’vi-Kultur, Biologie und Geografie Pandoras. Das Avatar-Franchise zeichnet sich durch einen enormen Detailreichtum aus, und daher müssen alle Elemente innerhalb der bestehenden Parameter und Regeln bleiben.
Neue Ideen, zukünftige Ergänzungen und endgültige Entscheidungen müssen von Lightstorm akzeptiert werden, um die Welt von Pandora und alle dazugehörigen Aspekte im Einklang mit den Filmen zu halten. Neue Tiere oder Charaktere, die in den bisherigen Filmen oder Comics nicht vorkommen, müssen der vorherrschenden Erzählung treu bleiben und dürfen nicht zu stark vom fiktiven Universum abweichen. Zum Beispiel sind die meisten Tiere auf Pandora Hexapoden (Lebewesen mit sechs Gliedmaßen), daher müssen auch neue Kreaturen dieser Regel entsprechen. Jedes noch so kleine Detail im Spiel wurde von Lightstorm überprüft und genehmigt. Lightstorm hatte das letzte Wort zu jedem Thema, sodass Referenzen auf das Videospiel in zukünftigen Filmen möglich sind und umgekehrt.
Auf der anderen Seite wurden jedoch auch Möglichkeiten genutzt, Neues zu lernen und Ideen zur Game-Entwicklung zuzulassen, die in diesem Medium sinnvoller sind. Denn Lighstorm ist auf Filme spezialisiert und Storytelling in Games läuft ganz anders ab. Und da Ubisoft grandiose Welten erschafft die aber immer leer wirken, ist die Zusammenarbeit dieser Firmen ein perfekte Fügung. Ubisoft konzentriert sich auf Gameplay und Story, während die Details von Lightstorm kommen, die das Avatar-Konzept seit langem kuratieren und ausarbeiten. So wird nicht einfach eine neue Geschichte und Welt erfunden, da bereits ein solider Grundstein vorhanden ist.
Ob die Entwicklung und die Zusammenarbeit zwischen Massive und Lightstorm reibungslos verlief, ist jedoch fraglich. Das Spiel soll mindestens seit 2017 in Entwicklung sein, daher steckt sicherlich viel Zeit und eine umfassende Idee dahinter. Dennoch fühlt es sich nicht an wie ein Spiel, das einen derartigen Entwicklungsprozess durchlaufen hat. Es könnte sein, dass viel Zeit darauf verwendet wurde, Genehmigungen für zahlreiche Ideen zu erhalten, anstatt diese umfassend entwickeln zu können. Es lässt sich jedoch keinesfalls behaupten, dass Avatar: Frontiers of Pandora ein halbherziges Franchisespiel ist, das lediglich auf den Hype der Filme abzielt, um schnell Geld zu verdienen. Es handelt sich nicht nur um ein lizenziertes Spiel, das den Avatar-Titel trägt; vielmehr ist es eine Geschichte, die geschickt mit den Filmen und dem Avatar-Universum verflochten ist.
Hin und Weg
Wie von einem Next-Gen-Spiel zu erwarten, aber dennoch erstaunlich, ist der hohe Detailgrad der Welt. Geschmückt mit Pflanzen, Tieren und mehr ist Pandora eine der lebendigsten Spielewelten, die ich je besucht habe. Pflanzen bewegen sich im Wind, interessante Kreaturen wandern herum, und von überall hört man Geräusche. Zusätzlich wird die Atmosphäre der Welt mit musikalischer Unterstützung auf ein unglaubliches Level gehoben. Bei wichtigen Ereignissen der Geschichte oder beim Erkunden der Welt wird man von einem wundervollen Soundtrack begleitet, der den Filmen in nichts nachsteht.
Viele Mechaniken des Spiels sind mit dieser lebendigen Welt verbunden. Temporäre Fähigkeiten erhält man, wenn man Tiere jagt, Pflanzen und Früchte sammelt und die verschiedenen Zutaten anschließend kocht. Doch in der Welt von Avatar ist jedes Leben heilig, und somit sind diese Aktivitäten keine hirnlosen Aufgaben, bei denen mehrere Rohstoffe per Knopfdruck eingesammelt werden oder Tiere mit allem erlegt werden können, um einfach an Ressourcen zu kommen. Tiere müssen an bestimmten Körperstellen getroffen werden, um Fleisch und Felle nicht zu beschädigen. Dadurch wird jedes Treffen mit wilden Tieren und jeder Schuss, den man abfeuert, um einiges bedeutungsvoller. Um eine Frucht zu erhalten, muss sie im richtigen Winkel gepflückt werden, damit die Frucht nicht zerquetscht wird. Andere Mechaniken wie Wetter oder Tageszeit tragen dazu bei, wie gut die Qualität der Materialien ist. Natürlich kann das beim zwanzigsten Mal langweilig erscheinen, eine Frucht langsam zu pflücken, jedoch trägt dies zur Immersion bei und ist im Kontext des Universums sinnvoll. Somit schätzt man Ressourcen mehr und setzt sich eher mit dem Herstellungssystem auseinander als bei anderen Open-World-Spielen, die uns Unmengen an Ressourcen hinterherschmeißen.
Nähe der Na´vi
Der Grund, warum wir in der Frist-Person-Perspektive spielen, ist die Welt in den Vordergrund zu stellen. Interaktionen sollen eine tiefere Verbindung schaffen, sodass man besser in die Spielwelt eintauchen kann, anstatt den Fokus auf den Spielcharakter zu legen. Warum es dann jedoch verschiedene Kosmetik-Sets und Ausrüstungssets gibt, ist mir ein Rätsel. Denn nur beim Fliegen sieht man seinen Charakter inklusive Ausrüstung, und die absolute Frechheit ist, dass die meisten Skins wieder im In-Game-Store für echtes Geld erworben werden können. Auch wenn das Spiel Koop-Optionen bietet, ist es frech, einen Store zu erstellen, um noch mehr Geld für etwas zu verlangen, was die Spieler sonst nie sehen.
Ich glaube, dass eine Third-Person-Perspektive genau dieselbe Immersion geschaffen hätte, und dazu hätten die Ausrüstungssets dann mehr Sinn gemacht. Gegen den In-Game-Store bin ich wie immer sehr negativ eingestellt und verstehe nicht, warum die coolen Skins nicht als Belohnungen für tolle Missionen dienen können. Leider ist das seit Jahren die Norm bei vielen Spielen – eine rein finanziell orientierte Richtung, die den Spielspaß für alle zerstört.
Viele Ziffern & nichts dahinter
Im Vergleich zu anderen Spielen fällt die Vielfalt der Waffen eher mager und wenig innovativ aus. Leider beschränken sich die Kampfmechaniken nur auf den Fernkampf mit Schusswaffen. Es gibt zwar eine nette Auswahl, von Bögen mit Pfeilen bis zu Maschinengewehren und Raketenwerfern, aber im Vergleich zu anderen Spielen ist das immer noch zu wenig. Der Nahkampf besteht außer einem mächtigen Faustschlag eigentlich nicht. Außerdem ist das Gefühl beim Abfeuern einer Waffe und das Feedback darüber, ob ein Ziel getroffen wurde, nicht von höchster Qualität, zumindest bei hektischen Kampfsituationen. Wenn man schon keine Takedowns ausführen kann oder wie in Far Cry Primal Speere, Messer oder Fackeln nutzen kann, dann hätte das Gefühl der Waffen weit besser sein können. Außerdem wäre es sinnvoll gewesen, dass man durch die tiefe Verbundenheit zur Natur mehrere Tiere zähmen und als Hilfe im Kampf rufen kann. Wie cool wäre es, mit einem Thanator die Militärmassen zurückzuschlagen?
Und wieder einmal komplett sinnlos ist das Level-System, das Tiefe vortäuschen soll. Soldaten gehen mit einem Pfeil zu Boden, und auch größere Gegner wie mobile Panzeranzüge, Flugmaschinen oder Tiere sind schneller erledigt als gedacht. Typisch für Ubisoft wurden nichtssagende Zahlen an Missionen, Waffen und Fähigkeiten geklatscht, doch wie immer kann man das getrost ignorieren und ohne Probleme durch die Welt streifen. Leider gilt das auch für einen Großteil der Skills im Fähigkeitenbaum, nur einige Ahnen-Fähigkeiten wirken frisch und relevant.