The Banner Saga 2 (PC) im Test
Mit The Banner Saga 2 bekommt ihr abermals eine Reise geboten, die euch durch eine immer größer werdende, nordische Sagenwelt führt, die mit jedem Tag und jedem Schritt immer hoffnungsloser und freudloser wird. Was sich zunächst deprimierend anhören mag, gipfelt in großartiger Atmosphäre und vor allem kniffligen Entscheidungen, die die Leben einer ganzen Karawane beeinflussen. Entwickler Stoic und Publisher Versus Evil haben es geschafft den zweiten Teil an den richtigen Stellen zu erweitern und ein Storykonstrukt weiter zu erzählen, wo sich viele AAA-RPGs noch eine Scheibe abschneiden können.
The Saga continues
Die Geschichte von The Banner Saga 2 setzt nahtlos nach dem Vorgänger ein. Wer The Banner Saga nicht gespielt hat, bekommt bereits in den ersten 30 Sekunden einen großen Spoiler aus Teil eins vorgesetzt. Nicht nur deshalb sollte man The Banner Saga gespielt haben, alle Entscheidungen und sogar die Levelstufen eurer Helden werden eins zu eins aus dem alten Speicherstand übernommen. The Banner Saga 2 erinnert mich tatsächlich ein wenig an Der Herr der Ringe: Die Zwei Türme. Das liegt aber nicht an der Handlung, sondern an der Art des Erzählens und wie man einen guten, zweiten Teil einer Trilogie gestalten sollte. Das Universum wird mit den Horseborn, zentaurenartigen Wesen, erweitert und viele neue Orte sind nach und nach das Ziel der großen Reisegruppe. Zudem zieht die Hauptstory das Erzähltempo stark an und sehr oft ereignen sich interessante und spannende Begebenheiten. Das hat auch damit zu tun, dass man erneut zwei unterschiedliche Karawanen anführt, die an den jeweiligen Standorten mit enormen Problemen zu kämpfen haben.
Rette sie alle!
Durch meine vergangenen Entscheidungen blieb der rechtschaffende Rook der Anführer der ersten Gruppe. Auf der anderen Seite der Karte spielt man ab dem zweiten Kapitel einen Söldneranführer, der in angenehmen Kontrast zu Rook steht, mit dem man eine weit härtere Gangart spielen kann – aber nicht ausschließlich muss. Die Entscheidungen bestehen wieder aus Multiple-Choice-Antworten (eigentlich Single Coice), die sich wie eine Mischung aus Spielbuch und Pen and Paper anfühlen. Die Konsequenzen sind nicht immer sofort ersichtlich und das Spiel bestraft euch sehr gerne für übertriebene Freundlichkeit oder auch Neugier. Wie schon bei The Banner Saga geht es bei diesen Fragestellungen nicht nur um einzelne Charaktere, es geht ums große Ganze, denn es gilt eine Karawane erfolgreich zu führen oder zumindest mobil und am Leben zu halten.
Ständiges Für und Wider
Das Ressourcenmanagement ist identisch zu Teil eins: es gibt die Clanmitglieder, die mehr oder weniger als normale Bürgerinnen und Bürger fungieren und immer wieder nach Proviant suchen. Zusätzlich dazu, gibt es Krieger und Varls (Riesen und damit auch die stärksten Kämpfer, die ihr finden könnt), die mehr Rationen verbrauchen, euch aber in einem großen Gemetzel (dazu später mehr) zur Seite stehen. Bei „schlechten“ moralischen Entscheidungen oder dem Fehlen von Essen sinkt zudem die Moral, was bei den Rundenkämpfen zu Mali führt und negative Karawanenevents hervorruft. Sieht man z.B. ein brennendes Dorf am Ufer, schießen sofort viele Gedanken durch den Kopf. Ist das ein Hinterhalt (oh, wie oft war ich zu naiv und durfte das dann gleich büßen), gibt es Vorräte zu holen, Überlebende, die mir Krieger oder vielleicht sogar einen wertvollen Helden für meine Gruppe liefern? Ein Stopp kostet zudem auch wieder Vorräte und so ist es von Anfang an eine schwere Entscheidung. Gerade nach fortgeschrittener Spielzeit, mit wenig Proviant und angeschlagener Karawane quält mich mein schlechtes Gewissen, weil ich kaltherzig und berechnend solchen Situationen aus dem Weg gehe, um nicht noch mehr eigene Leute sterben zu sehen.
Mehr Budget – mehr Banner Saga
Dieses permanente Ressourcenmanagement, gepaart mit moralischen Entscheidungen, macht auch The Banner Saga 2 wieder zu einer großartigen Erfahrung, die es so in AAA-Titeln kaum zu finden gibt. Schon mit wenigen, englischen Zeilen wird den neuen und alten Charakteren Leben eingehaucht, die allesamt auch über eine interessante Vor- und Hintergrundgeschichte verfügen. Überhaupt gehören Story und Atmosphäre zum Besten, was der Rollenspielmarkt zu bieten hat. Durch das jetzt höhere Budget gibt es auch mehr vertonte Zwischensequenzen, die in sehr schön gezeichnetem 2D die Story vorantreiben. Viel ist aber auch weiterhin nur unvertonter Text. Das schadet aber meiner Meinung nach gar nicht, denn so kann meine Fantasie viele Szenen ausschmücken und ergänzen. Zugegebenermaßen muss einem so etwas aber auch gefallen, ansonsten wird man mit The Banner Saga 2 ein wenig zu kämpfen haben.
Barde und Axtwerfer
Apropos kämpfen, bei der Rundenstrategie hat sich nicht allzu viel verändert. Noch immer gilt es bei einem Angriff entweder den Rüstungs- oder den Stärkewert anzugreifen. Ersterer ist nötig um Schaden abzublocken, der Stärkewert ist Gesundheitsbalken und Schadenswert zugleich. Dadurch spielen sich die Gefechte (mit höchstens sechs Partymitgliedern) sehr dynamisch und bieten verschiedenste, taktische Vorgehensweisen. Diese werden durch Klassen wie den Barden oder den Axtwerfer erweitert. Der Barde schmettert ein Ständchen für seine Mitstreiter und erhöht so deren Willenskraft, der Axtwerfer beleidigt gegnerische Angreifer, die dadurch in der Zugreihenfolge weiter nach hinten rutschen und erst später an der Reihe sind. Außerdem gibt es in The Banner Saga 2 mehr und unterschiedlichere Gegnertypen, die die Kämpfe abwechslungsreicher gestalten. Gerade in der ersten Hälfte des Spiels finde ich die Mischung aus Reisen, Storytelling und Rundenstrategie sehr angenehm. Später im Spiel gerät man jedoch zwangsweise in sehr viele, größere Gemetzel und der Anteil an Kämpfen steigt stark an. Durch die andauernde Wiederholung dieser Scharmützel wird diese Mechanik dann doch ein wenig repetitiv. Durch Barrikaden, die als Deckungsmöglichkeiten fungieren und unterschiedlichere Ausgangssituationen, konnte sich der zweite Teil gegenüber dem Ersten aber trotzdem verbessern. Außerdem fand auch ein Feintunig bei großen Schlachten statt, wodurch nun mehr taktische Optionen möglich sind und so je nach Verfassung der Karawane die bestmögliche Wahl getroffen werden kann.
Im Bann von The Banner Saga 2
An der Grafik hat sich nicht viel getan und das ist auch gut so! Wenn eine mehrere hundert Meter lange Karawane noch immer winzig wirkt, weil sie durch gigantische Gebirge zieht oder mit Booten den reißenden Fluss hinabfährt, läuft mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Auch The Banner Saga 2 zeigt mir, wie klein und unbedeutend ich bin. Die Götter sind tot, überall herrscht Krieg und das sind noch nicht einmal meine größten Probleme! The Banner Saga 2 ist zudem immer wieder anstrengend, undankbar und manchmal sogar bösartig und genau so soll es auch sein. Lange sinniere ich über Entscheidungen, wäge ab, was das Beste für meine Gruppe ist und werde dadurch aber auch zu unmenschlichen Entscheidungen gezwungen. Selten hat es ein Spiel bei mir geschafft, mich so paranoid zu machen und Personen und ganzen Gruppen zu misstrauen, die mir schon lange als Vertraute zur Seite stehen. The Banner Saga 2 macht alles ein bisschen größer und besser und trotzdem behält es den Kern der Saga bei. Das Franchise The Banner Saga bleibt daher auch mit dem zweiten Teil ein Rollenspiel Kleinod, dass eine großartige Erfahrung bietet.