Battlefield 1 im Test – Zurück zum Ersten Weltkrieg

von David Kolb-Zgaga 03.11.2016

Titanfall, Call of Duty und Battlefield – der Herbst bietet allen Shooter-Fans sehr viel neues und interessantes Futter. Auch DICE weiß das und bietet mit Battlefield 1 ein extrem umfangreiches Paket an, das sich zudem kritisch und respektvoll mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzen soll. Ob EA und DICE diese Aufgabe auch meistern konnten, erfahrt ihr in meinem Testbericht.

Ein Gemetzel

Der Erste Weltkrieg gilt bis heute als der erste große Schritt der Technisierung und Industrialisierung des Krieges. Damit ist auch endgültig die Zeit von noblen Kämpfern, auf edlen Rössern vorbei, die sich ehrenhaft duellieren. Hier geht es um großangelegte Überfälle, mit Gas als Massenvernichtungswaffen, wo Soldaten reihenweise, wie die Fliegen sterben. Kurz gesagt, es ist das absolute Chaos und das Grauen, dass in diesen knapp vier Jahren die Landmassen überzieht. Deshalb macht es DICE auch sehr geschickt, denn in der Singleplayer-Kampagne von Battlefield 1 geht es nur marginal um große Reiche oder politisches Ränkeschmieden. Viel mehr dürfen wir Einzelschicksale miterleben, die viel besser die Hilflosigkeit und die Atmosphäre des Ersten Weltkriegs einfangen. Gleich nach dem Titelbildschirm befinde ich mich an der Westfront und habe nur einen Auftrag: Haltet die Linien – um jeden Preis! Reihenweise sterben Soldaten, eigene, wie auch feindliche. Überraschenderweise stirbt auch mein Protagonist, jedoch wechsle ich nahtlos in einen anderen Soldatenkörper. Schnell wird mir klar, wie austauschbar und unwichtig jedes einzelne Leben hier behandelt wird und außerdem lässt sich schnell ein roter Faden finden. Egal ob Fußsoldat, Bord- oder Scharfschütze, es ist überall ein brutales Gemetzel.

Spannend und unterhaltsam, aber wenig kritisch

Exakt fünf dieser Einzelschicksale dürfen wir in der rund sechs- bis siebenstündigen Kampagne miterleben. Diese haben jedoch keine übergreifende Handlung und können daher auch in beliebiger Reihenfolge gespielt werden. Zwar spielt man dabei nie einen Supersoldaten, gerade aber die Episode „Avanti Savoia“ wirkt im Kontext des Ersten Weltkrieges mehr als lächerlich. So nehme ich eine schwer bewaffnete Festung quasi im Alleingang ein, wo vorher doch ganz Armeen an dieser Aufgabe scheiterten. Der Höhepunkt der Unglaubwürdigkeit ist dann jedoch eine Art Ritterrüstung als Panzerung, die beinahe unverwundbar macht. In diesem „Outfit“ mähe ich mich durch Scharen an österreichisch-ungarischen Soldaten, die genauso wenig, wie ich verstehen, was hier gerade vor sich geht. Dieser Moment erinnert verstörend an eine Szene aus Call of Duty: Advanced Warfare und hat meiner Meinung nach nichts im Setting des Ersten Weltkrieges verloren. Immerhin wechseln sich solche Szenen auch mit Gänsehautmomenten ab. Besonders atmosphärisch war da der Flug als weiße (Friedens-) Taube, die einen tödlichen Befehl übermitteln soll. Auch die Zwischensequenzen fangen immer wieder gut die Gräueltaten des Krieges und deren Auswirkungen ein. Während des Spielens hat mich der Storymodus ausgezeichnet unterhalten, ja sogar die Ritterrüstungsaktion war auf ihre Art spannend. DICE vollmundige Versprechungen der respektvollen und kritischen Betrachtung sind meiner Meinung aber nach nicht eingehalten worden. So gibt es keine einzige Mission, in der ich einen Soldaten der Mittelmächte spielen kann. Dadurch bekomm ich die eine Seite der beiden Kriegsparteien überhaupt nicht zu sehen, wodurch eine kritische Betrachtung nur sehr schwer fällt. Trotzdem muss ich aber ganz klar sagen, dass mir spielerisch gesehen, die Kampagne sehr viel Spaß gemacht hat. Ich finde es nur sehr schade, dass DICE sich dem Mainstream so sehr anpasst, dass sehr viele Möglichkeiten zunichtegemacht werden und man zu sehr auf der sicheren Seite bleibt.

Keine leeren Vehikel mehr

Lassen wir den Singleplayer aber nun hinter uns, denn der Kern eines jeden Battlefields ist der Multiplayer. Hier wird der Erste Weltkrieg zwar auch nicht korrekt dargestellt, das macht in diesem Fall aber nichts. An Stelle von langwierigen Stellungskämpfen erlebe ich Match um Match schnelle Angriffe mit vollautomatischen Waffen, mehr oder minder agile Panzer und Doppeldecker, die sich imposante Luftkämpfe liefern. Das Schlachttempo erinnert frappierend an das von Battlefield 4 und sorgt für ein lebendiges Schlachtfeld. Das Spielprinzip wurde von DICE nur wenig angepasst, die vier Klassen sind beinahe unverändert. Nur den Ingenieur, der fürs Fahrzeuge reparieren und zerstören zuständig war, gibt es nicht mehr. Der Assault übernimmt ab jetzt die Zerstörung (Anti-Tank-Granaten und Raketenwerfer), der Support nimmt optional den Schraubenschlüssel mit ins Getümmel. Scout (Scharfschütze) und Medic nehmen die gewohnten Rollen ein. Eine Besonderheit bilden dann aber die Spezialisten, die sofort in einem Fahrzeug oder Flugzeug starten. Diese können ihre Vehikel auch innerhalb des Fahrzeugs reparieren, sind aber schwächer ausgerüstet als die anderen Klassen, wenn diese aussteigen müssen. Das hat den positiven Effekt, dass um die Fahrzeuge verbittert gekämpft wird und nicht wie in den Vorgängern einfach stehen gelassen werden.

battlefield-1-screenshot

Gewaltige Schlachten

In Battlefield 1 sind zudem die allseits bekannten und beliebten Modi Conquest, Rush, Team-Deathmatch und Domination mit am Start. Zusätzlich gibt es jetzt auch den Modus Kriegstauben, wo SpielerInnen einen Taubenschlag erobern müssen, um dann eine Brieftaube im Freien loszuschicken. Spannend daran ist, dass die Chance besteht, die Taube vom Himmel zu schießen und so die Partie noch in letzter Sekunde gedreht werden kann. Damit bietet man zu den anderen Modi eine willkommene Abwechslung, ein richtiger Klassiker wird daraus aber eher nicht werden. Gewichtiger fällt da der Modus Operations aus. Über zwei bis drei Maps hinweg versuchen die Angreifer, die Verteidiger zurückzudrängen, ohne dass die eigenen Tickets ausgehen dürfen. Ähnlich wie auch bei Conquest werden die sogenannten „Behemoths“ eingesetzt, und zwar immer dann, wenn eine Seite der Niederlage nahe ist. Ein Behemoth ist je nach Map ein riesiger Zeppelin, ein gepanzerter Zug oder ein Schiff, welche allesamt über beeindruckende Feuerkraft verfügen. Um diese Vehikel auseinanderzunehmen, benötigt es eingespieltes Teamplay und gute Nerven. Das macht die Partien aber auch äußerst spannend, weil sie so gut ausbalanciert werden, dass viele davon denkbar knapp ausgehen. Für mich sind die Behemoths eine um vielfaches, coolere Idee als noch die Levolutions (geskriptete Zerstörung des Levels) in Battleflied 4.

Großartig inszeniertes Chaos

In den letzten Absätzen habe ich die größten Features beschrieben und bewertet, aber wie fühlt sich so ein Multiplayer-Match eigentlich an? Die Antwort ist so kurz, wie simpel – fantastisch. Die Präsentation der Schlachtfelder lässt mir immer wieder den Atem stocken. Egal ob sandige Dünen oder schlammige Schützengraben, alles ist mit vielen Details versehen. Außerdem zeigt sich hier ganz ohne Zwischensequenzen das Ausmaß des Krieges. Ständig hört man Schüsse, Schreie, Motoren oder sogar Flugzeuge, die sich mir alarmierend nähern. Diese allein schon packende Szenerie gipfelt dann auch noch in der Ankunft eines Behemoths. Gerade die ersten Male ist es ein ganz besonderer Magicmoment, wenn ein riesiger Zeppelin, besiegt und brennend aus der Luft stürzt und auf den Boden aufknallt. Während Call of Duty im Kleinen für Feinoptimierung steht, steht Battlefield für das Chaos und Battlefield 1 ist das gelebte Chaos. Die Karten sind riesig und doch so gut durchdacht, wodurch sich immer wieder neue Situationen und Spielerfahrungen ergeben. Außerdem wird auch Teamplay wieder ganz großgeschrieben, denn für jede unterstützende Aktivität (wie z.B. Munition oder Medipacks nachzuliefern) gibt es Punkte und nochmal mehr Punkte, wenn man die eigenen Squad-Kameraden damit unterstützt.

Fazit

Auch wenn ich einige Kritikpunkte an den Singleplayer-Missionen habe, bietet Battlefield 1 die bisher beste Solokampagne seit Bad Company. Die Inszenierung der einzelnen Kriegsgeschichten passt viel besser zur Serie als ein (oder mehrere) Supersoldaten, die um die ganze Welt reisen und so von Setting zu Setting jagen. Man macht damit einen Schritt weg von der „Call-of-Duty-Nachahmungs-Kampagne“ und damit einen großen Fortschritt zur selbstständigen Erzählung.
Der Multiplayer ist für ein Battlefield trotz kleinerer Bugs, relativ problemlos gestartet und macht genau das, was ich mir von Battlefield 1 erwarte. Riesige Schlachten, beeindruckende Maps und ein Balancing, dass jedes Match möglichst lange offen hält. Nach einem sehr durchwachsenen Battlefront beweist DICE es abermals, dass das schwedische Entwicklungsstudio weiß, worauf es ankommt. Für mich bietet Battlefield 1 den besten Multiplayer des Jahres. Die Inszenierung, wie auch das unkomplizierte, actiongeladene Gameplay sind auf aller höchstem Niveau und bietet jede Menge Spielspaß.

Wertung: 9.1 Pixel

für Battlefield 1 im Test – Zurück zum Ersten Weltkrieg von
2 Comments
neuste
älteste
Inline Feedbacks
View all comments

[…] haben Mafia 3, Battlefield 1 und Watchdogs 2 gemeinsam? Sie alle sind von großen Videospielfirmen veröffentlicht worden. Sie […]

[…] offiziellen Releasetermin warteten wir bislang vergebens. Doch nun kommt Bewegung rein: Mit dem Battlefield 1–DLC They Shall not pass sollen im März 2017 die Franzosen endlich Einzug im Spiel […]