Call of Duty: Modern Warfare II im Test
Mit Call of Duty: Modern Warfare II setzt Activision die Reboot-Reihe einer der beliebtesten Videospiel-Trilogien fort und knüpft dabei an ein erfolgreiches Rezept an. Es gelingt der Spagat zwischen Fanservice und kleinen neuen Ideen, der aktuell die Blockbuster-Spiele beherrscht. Altbewährtes gerade soviel zu verändern, dass sowohl neue, als auch erfahrene Spieler:innen ihre Freude haben.
Warfare II inszeniert den Krieg
Das Shooter-Genre spaltet seit jeher die Gemüter. Glorifizieren diese Spiele die Abgründe menschlichen Handels. Verstärken sie Stereotype und vermitteln sie ein Bild von Heldentum, das mittlerweile zu Recht als toxisch bezeichnet wird? Oder sind sie vielleicht doch eine Form der Katharsis, welche die Flucht aus dem Alltag möglich macht? Über diese Fragen diskutieren Spieler:innen und die Gesellschaft schon immer. Egal auf welcher Seite man steht, ob man die Gefahren hervorhebt oder den Gewinn, ein Ende solcher Diskussionen ist nicht absehbar. Und das ist auch gut so. Solange wir uns im Streit über die Qualitäten und Gefahren dieser Spiele befinden, passt alles.
Warum dieser Ausflug und was hat das mit Modern Warfare II zu tun? Weil hier all diese Fragen bildgewaltig ins Wohnzimmer ballern. Gut und Böse sind klar verteilt. Bereits zu Beginn der rund sechsstündigen Kampagne wird deutlich, was hier zur Disposition steht. Teams von kantigen Männern kämpfen mit jeder Menge Waffengewalt und markigen Sprüchen für die Sicherheit der Welt, oder besser gesagt für die Sicherheit der USA. Zeitlich angepasst stammt der Feind aus dem Iran und es muss wieder einmal ein Angriff mit Raketen verhindert werden. Zwei Fliegen mit einer Klappe sozusagen. Greifen die Entwickler:innen dabei doch auf zwei Motive zurück, die sich ins kulturelle Gedächtnis eingebrannt haben: Kalter Krieg mit Kuba Krise und Terrorismus aus den arabischen Ländern.
Im Kugelhagel
Die Grenze zwischen Spiel und Cutscenes verschwimmt dabei so elegant, dass ein Sog entsteht, der immer tiefer ins Spiel zieht. Diese großartige Eigenschaft der CoD-Spiele ist auch im neuesten Ableger intensiv spürbar. Wenn ihr als Sgt. Kyle „Gaz“ Garrick mit dem legendären Caption Price ein Lager des Los Almas Kartells infiltriert, auf der Suche nach entwendeten Raketen, und dabei zuerst aus der Ferne die Wachen per Sinter-Gewehr ausschaltet, geht das Zeitgefühl schnell verloren. Die Kommunikation der beiden, einerseits Hilfe, um den perfekten Schuss zu schaffen, ist auf der anderen Seite so banal, das es schmerzt. Dennoch liegt hier auch eine der Stärken des Spiels. Man ist Teil des Teams, egal ob in der Rolle von Gaz oder Sgt. John „Soap“ MacTavish. Das Team wird zum eigenen. Wir sind also wieder mit einigen der beliebtesten Spielcharakteren zusammen unterwegs. Allen voran der maskentragende Ghost sorgt dafür, dass das Fan-Herz höher schlägt.
Schade, dass die Story nicht ganz mit den Charakteren mithalten kann. Ich weiß nicht wie oft wir noch arabische Terroristen bekämpfen müssen, bevor jemand auf die Idee kommt, ein neues Setting in diese Spielwelten einzuführen. Wobei das selbe ja auch für die ewigen Themen Erster und Zweiter Weltkrieg gilt. Dabei gelingt mit dem Einbeziehen eines südamerikanischen Kartells doch ein spannender Kniff, der das Ganze ein wenig auflockert. Modern Warfare II glänzt in seinen besten Momenten mit spannenden Missionen, wie jener in Amsterdam oder auf einem Frachter (siehe Video), der in den wogenden Wellen hin und her wackelt und rutschende Container als mobile Deckung und Gefahr zugleich bietet. Andere, wie die bereits aus dem allerersten CoD bekannte „Ich sitze in einem Flugzeug und bombadiere alles was sich am Boden bewegt!“ Missionen zermürben fast und zeigen die entmenschlichende Banalität des Krieges.
Schnelle Tode
Das gilt auch für den eigenen, virtuellen Tod. So stereotyp männlich die Taskforce 141 und die Los Vaqueros um Colonel Alejandro Vargas sind, gestorben wird dennoch. Das liegt nicht an der überragenden KI, sondern vielmehr am schnellen Tod durch wenige Kugeln. Manchmal ist es einfach nur Glück, wenn Soap oder Gaz nach dem Öffnen einer Tür oder dem Blick um die Ecke nicht gleich ins Gras beißen. Die Entwickler:innen hatten anscheinend Spaß dabei, Gegner mit Schrottflinten gerade dort zu platzieren, wo man es zwar erwartet, die Reaktionszeit dennoch zu lang ist. Andere Missionen sind im Vergleich geradezu ein Kinderspiel. Die passende Taktik vorausgesetzt. Gemeinsam mit Captain Price und bewaffnet mit High-End Scharfschützengewehren muss zum Beispiel eine Basis des Kartells infiltriert werden. Um in Lagerhäuser zu gelangen bieten sich mehrere Möglichkeiten. Tür aufsprengen, durch die Oberlichten hineinschießen oder Tränengas durch den Lüftungsschacht, um die Bösewichte raus zu treiben. Immer aus der Ferne unterstützend Captain Price. Bei letzterer Variante genügt es, entspannt vom Dach aus zuzusehen, wie er Feind für Feind aufs Korn nimmt. Ein Kaffee bietet sich an.
Überhaupt gibt es am Missionsdesign selbst kaum etwas auszusetzen. Die Stealth-Missionen verursachen regelrechtes Herzklopfen, weil in der Wiese liegend ausgeharrt wird, bis der Feind vorüber ist. Daneben gibt es ein Actionfeuerwerk, das den Vergleich mit Hollywood nicht scheuen muss. Besonders angetan hat es mir eine Mission, bei der einer aus dem Team befreit werden muss. Spoiler gibt es keinen, weil damit einer der spannendsten Kniffe der Story zusammenhängt. Soviel sei aber verraten. Via Überwachungskameras und Funkanweisung schleicht sich Ghost an mehreren Wachen vorbei, um Unruhe in einem Gefängnis zu stiften. Die Anweisungen gebt ihr und müsst dabei auf Laufwege achten und Schachzüge überlegen. Eine bereits in zahlreichen Rezensionen geäußerte Klage zum Missionsdesign muss ich an dieser Stelle aber auch bestätigen. So abwechslungsreich die Missionen gestaltet sind, gerade jene, die sich neu und fordernd anfühlen, sie sind im Vergleich zu kurz geraten. Ich verzichte liebend gern auf ein paar Minuten im Flugzeug, um dafür länger durch das traumhaft schöne Amsterdam zu schleichen.
Bildgewaltig und ohrenbetäubend
Am Herzstück der Modern Warfare Spiele hat Infinity Ward zum Glück nichts verändert. Auch MW2 sieht überragend aus und fühlt sich an vielen Stellen wie ein Film an. Auch wenn in der PS4-Version manchmal die Texturen hängen oder das Gras eine traurige grüne Fläche ist, stimmt der Gesamteindruck. Vor allem die Animationen überzeugen. Beim Robben am Boden passen die Fußbewegungen ebenso wie die Basisemotionen in den Gesichtern. Bei manchen Schauplätzen ist Liebe fürs Detail zu spüren. Amsterdam mit flanierenden Touristen, aber auch eine Bohrinsel im Golf von Mexiko stechen besonders hervor. Einzig der Sound wirkt an manchen Stellen zu übertrieben. Manche Waffen klingen als hätte jemand den Bass überdreht und von der deutschen Synchro spreche ich lieber nicht. Die Dialoge sind im Original zwar auch nicht oscarverdächtig, auf Deutsch klingt es aber meist wie die weniger guten Actionhits der frühen 1980er Jahre.
Um das Spielgefühl so intensiv wie möglich zu gestalten, darf in Puntco Steuerung einiges adaptiert werden. Von Zielhilfe bis zu speziellen Effekten gibt es unzählige Hebel, um das Handling so angenehm wie möglich zu gestalten. Gepaart mit der aus allen CoD-Titeln bekannten, intensiven Spielmechanik, die die eigentlich linearen Schlauchlevel zu offenen Schauplätzen werden lässt, sorgt das für einen gelungenen Gesamteindruck und ein immersives Spielerlebnis. Zum Glück kommt nach ungefähr zwei Dritteln dann auch wieder richtig Schwung in die Story. Nachdem das Mittelstück etwas langatmig wirkt, kommt eine Überraschung, mit der zumindest ich nicht gerechnet hatte. Dann ist es auch schwer, den Controller aus der Hand zu geben und in Ruhe schlafen zu gehen. Verletzt schleppt man sich durch die Straßen von Las Almas und muss aus allem, was zu finden ist, Fallen und Waffen basteln, um am Ende mit dem restlichen Team zum Gegenschlag auszuholen.
Warfare II im Multiplayer
In den Mutiplayer haben einige Neuerungen Einzug gefunden, da das Spielgefühl tatsächlich leicht verändern. So sind die Maps etwas kleiner geworden und die Entwickler:innen haben an der Mechanik geschraubt. Besonders ins Gewicht fällt die teils sehr kurze Time to Kill, was vor allem für Neulinge ein bisschen frustrierend sein kann. Wer noch nie oder nur wenige CoD-Titel spielte, muss sich erst einmal daran gewöhnen. Das Matchmaking nimmt zwar Rücksicht auf den Fortschritt, dennoch bleibt das Kill-Tode-Verhältnis am Beginn negativ. Und wer es gewohnt ist, in üblicher Rush and Kill Manier über die Maps zu hetzen, wird ebenfalls überrascht sein. Die Karten sind kleiner und durch die niedrige Time to Kill, werden unüberlegte Sprints aus und um Deckungen schnell bestraft. Das nimmt ein wenig Tempo raus und erfordert mehr Taktik. Ungewöhnlich frisch in dieser Spielreihe.
Ein zuletzt oft geäußerter Kritikpunkt des Multiplayers ist das verwirrende Menü, dabei vor allem die Waffenschmiede. Der Weg zum ideellen Build ist verzweigt und erfordert viel Zeit. Unzählige Aufsätze und Modifikationen verschlimmbessern die Waffen und sorgen für Frust im Spiel. Umso wichtiger ist es, den Build an die eigenen Präferenzen anzupassen. Um das zu erreichen heißt es viel ausprobieren und immer wieder anpassen. Positiv fällt auf, dass die MPs nicht mehr so strak sind und so wieder mehr Ausgewogenheit herrscht. Fanden sich früher vor allem Spieler:innen mit schnellen Sniper-Nahkampf-Kombinationen oder MPs auf den Karten, erlebt das Sturmgewehr in Modern Warfare II eine regelrechte Renaissance. Auf größere Distanzen spielt es seine Stärken voll aus und wird mit einem an den eigenen Spielstil angepassten Build zu einem mächtigen Verbündeten. Alles in allem bleibt der Multiplayer das Herzstück der Reihe und kann auch diesmal mit seinen stärksten Modi, Team-Deathmatch und Herrschaft, überzeugen.
Das Fazit zum Terrorkampf
Schon wieder ein Call of Duty und noch dazu eines, dass wir so ähnlich schon gespielt haben. Braucht es das? Ein klares Ja. Auch wenn die neuen Akzente zu schwach ausfallen, Infinity Ward die neuen Ideen mutiger hätte durchziehen können, stimmt am Ende der Gesamteindruck. Modern Warfare II macht das, was alle Blockbuster-Spiele auszeichnet. Wer soviel Geld investiert, um einen großen AAA-Titel zu produzieren geht zwangsweise auf Nummer sicher und bleibt dem, was immer schon gut funktioniert hat, treu. Ich hatte meine Freude mit der Kampagne und werde sicher noch viele Stunden im Multiplayer verbringen. Und wer weiß, vielleicht kommt die große Überraschung im dritten Teil des Reboots, der unweigerlich kommt. Nicht umsonst gibt es am Ende der Kampagne einen tollen Cliffhanger, der mich als Veteranen der Reihe besonders gefreut hat und der mich auf ein ähnlich großes Finale hoffen lässt, wie der Abschluss der alten Trilogie.