Dark Souls II im Test
Wäre es nicht lustig, wenn zu einem Spiel kein Review zustande kommen würde? Beispielsweise, weil es zu schwer ist. Nein? Nicht lustig? Gut, denn dann könnt ihr ruhigen Gewissens diesen Testbericht lesen …
Der Tod steht dir gut
Wie schon in den Vorgängern Demon’s Souls und Dark Souls gilt es auch in diesem Ableger, möglichst wenig zu sterben und viele Feinde dem Schnitter zu überbringen. Die Hintergrundgeschichte ist rasch erklärt: Ihr seid eine Hülle und möchtet nichts lieber, als wieder unter den Lebenden zu weilen und ganz nebenbei den Fluch, der das Land in Schatten hüllt, zu brechen. Klar, in Dark Souls gab es noch eine bedeutungsschwangere Prophezeiung, die ihr dank eines Rabens, eurer Spielgewalt, einer Menge an vergeudeten Versuchen und noch mehr unausgesprochenen Flüchen schlussendlich erfüllen konntet.
Das Tutorial in Dark Souls II ist sehr kreativ und wirkt dennoch extrem verstörend. Alte Hexen lachen euch aus, da ihr nur eine Hülle seid und nun eure verzweifelte Reise antretet, den Fluch aufzuheben. Ihr lernt nach und nach, euch zu bewegen, etwas aufzuheben, einen Angriff durchzuführen, eine Ausweichrolle zu vollbringen, Paraden und heftige Attacken zu starten und mehr. Nach etwa einer Stunde werdet ihr auf die freie Wildbahn losgelassen, und hier beginnt der wahre Spaß von Dark Souls II – wie schon in den Vorgängern.
Doch zunächst erwartet euch die obligatorische Charaktererstellung. Zur Auswahl steht die Kriegerklasse, die vor allem mit Stärke und Beweglichkeit, aber auch solider Rüstung glänzt. Ihr Gegenpart ist die Ritterklasse, die als Tank geeignet ist und mit viel Leben und einer starken Nehmerfähigkeit aufwartet. Die Banditenklasse ist eher ausgeglichen, so sind ihre Vorzüge ganz klar die hohe Stärke und die Kondition, die sie länger sprinten, mit dem Bogen zielen und mehrere Ausweichrollen nacheinander vollziehen lassen. Die neue Schwertkämpferklasse wiederum wird als superstark und beinhart angepriesen, allerdings verrät erst der Blick auf die Statistiken, dass diese sogar weniger Leben als ein Zauberer besitzt und somit für Ungeübte bestenfalls Kanonenfutter darstellt.
Schwer, schwerer, Dark Souls II
Apropos Ungeübte: Dieses Game ist nichts für GelegenheitsspielerInnen, die sich eine Pause von Candy Crush Saga und dergleichen gönnen möchten. Nein, Dark Souls II nimmt euch an euren cojones und klopft mit einem gigantischen Hammer darauf, bis ihr um Gnade winselt. Im Test musste ich nach wenigen Spielstunden bereits w. o. geben, da ich mit meinem ersten Charakter (ihr ahnt es bereits: ein Schwertkämpfer) einfach keine Chance mehr hatte und die normalen Mobs viel zu stark waren. Lag es an mir, an meinem geringen Verständnis für das Spiel, oder gar meiner miesen Fähigkeit, die Feindbewegungen zu lesen und dementsprechend zu reagieren? Ich zweifelte, ich fluchte.
Doch den Fleißigen gebührt die Ehre und lacht die Sonne, also begann ich erneut. Eine Banditin sollte es sein, und siehe da, mit fast zweieinhalb so viel Leben schnetzelte es sich schon bedeutend leichter durch die Reihen der FeindInnen! Das Grundgerüst gestaltet sich ähnlich wie schon in Dark Souls: Anstatt zwei Glockentürme zu läuten und damit einen Fluch zu brechen (ungeachtet der Konsequenzen), muss man nun in Dark Souls II, vier einzigartige Bossgegner finden und deren Seelen in euch aufnehmen. (Skyrim much? Okay, vielleicht nicht ganz so.) Das Ziel ist also klar, und nun gilt es, euch in die weite Welt hinauszuwagen und möglichst lange zu überleben.
Der Weg ist das Ziel
Je mehr ihr euch mit Dark Souls II beschäftigt, umso mehr rutscht ihr langsam, aber sicher in einen gewissen Masochismus hinein. Ihr werdet vorsichtiger, ihr werdet misstrauischer, ihr werdet ängstlicher, ihr werdet überlegter. Genau im Stadium dieses selbstzentrierten meditativen Überlebenswillens empfangen euch dann reguläre GegnerInnen, die in anderen Spielen locker als Zwischen- bis Endboss aushelfen könnten. Besonders der Drachenkämpfer hat es mir angetan, der sowohl mit Geschwindigkeit als auch mit irrsinniger Reichweite aufwarten kann: Diesen zu besiegen ist für Ungeübte kaum zu schaffen. Doch früh übt sich, wer am Ende stark sein will.
Voller Vorfreude und mit (zugegebenermaßen) etwas übertriebenem Selbstwert schritt ich frohgemut in das Waldstück und wurde prompt von ziemlich intelligenten Untoten binnen Sekunden zerlegt. Macht keinen Fehler: Egal, wie gut ihr ausgerüstet seid, egal, wie viele Monster ihr in der Zwischenzeit erlegt habt, und egal, wie gut ihr euch fühlt, euer Alter Ego kann nicht viel mehr als sieben bis maximal acht Schläge aushalten. Das ist Tradition in der Dark Souls-Reihe, und auch in Dark Souls II wird diese geehrt. Zum Glück gibt es vielerlei Dinge, die euch bei eurer Reise helfen können.
Kleine Helfer, kleine Wirkung
Mit jedem Kill kämpft ihr euch vorwärts. Jeder Tod der anderen bringt euch ein Stück weiter, ihr sammelt mehr Seelen, ihr beißt euch durch. Ihr kämpft dreckig, versucht alle Tricks, seid schon versucht, mit Sand zu werfen. Je mehr Seelen ihr habt, umso wohlhabender seid ihr: Diese stellen die Währung in Dark Souls II dar. Es ist klug und ratsam, früh starke Ausrüstung zu kaufen, doch davor haben die EntwicklerInnen ein wenig Farmarbeit gestellt.
Das bedeutet im Dark Souls II-Jargon das Folgende: Einen Rastplatz (ein Lagerfeuer ist ein Speicherpunkt) zu finden, diesen zu aktiveren, die Vorräte zu füllen. Dann eine Meute von nichtsahnenden GegnerInnen ausfindig machen, diese dem Erdboden gleich machen, und das Wichtigste von allem: überleben. Habt ihr das Attentat erfolgreich durchgeführt, geht es zurück zum Lagerfeuer. Passt auf, dass euch keine fiesen WidersacherInnen in einen Hinterhalt locken (ja, das kommt ger vor), erholt euch, und beginnt das Spiel von vorn. Nur so habt ihr anfangs überhaupt eine Chance, an das teilweise heftig teure Equipment zu kommen.
Sterbt ihr allerdings während der Prozedur, bleiben eure Seelen an eurer Leiche liegen. Nun beginnt der wahre Nervenkitzel: Ihr müsst in die Gefahrenzone von vorhin, die kein Stück weniger gefährlich geworden ist, und eure Leiche schnappen – erst dann habt ihr eure Seelen wieder. Sterbt ihr erneut, bevor ihr euren Körper bergen konntet, sind all eure Seelen dahin. Unwiederbringlich. Zum Glück feiert der gute, alte Estus-Flakon ein Wiedersehen. Doch was ist das? Anstatt fünf oder zehn Fläschchen wie in Dark Souls bekommt ihr im Nachfolger genau einen Flakon. Richtig gelesen. Ein einziger Estus-Flakon in Dark Souls II.
An der Grenze zu „unfair“
Genau richtig, meinen die einen, viel zu schwer, meinen die anderen. Wer sich nicht unweigerlich dem Bann von Dark Souls II hingibt und neben dem Farmen stets aufpassen will, ja nicht sein zartes Leben zu lassen, wird nicht viel Freude an diesem Game haben. Natürlich waren Teile des Vorgängers nicht unbedingt ausbalanciert, in der Mitte des Spiels (in der die ersten Zauberer ihr Auftreten hatten) kamen plötzlich Mobs zum Vorschein, die euch binnen Sekunden extrem viel Schaden zufügen konnten.
Doch Dark Souls II versucht es zeitweise nicht einmal, irgendwie ausbalanciert zu wirken. Mit der falschen Taktik (und ihr erwischt immer die falsche Strategie, glaubt mir) blasen euch die Gegnergruppen im Nu das Licht aus. Anders als noch in Dark Souls, wo man gemütlich dahinspielen und die einzelnen GegnerInnen auf sich ziehen konnte, ist dieser halbe Vorteil endgültig dahin. Sobald ihr in Dark Souls II die Aufmerksamkeit eines/einer WidersacherIn auf euch zieht, ist euch schon die gesamte Gang auf den Fersen. Nur allzu oft bedeutet genau ein/e GegnerIn mehr oder weniger den Tod.
Sterben werdet ihr extrem oft. Man kann es gar nicht oft genug sagen: Wenn ihr durch Scheitern demotiviert werdet, ist Dark Souls II bestimmt nichts für euch. Wenn ihr aber wie ein/e ProgrammiererIn gestrickt seid und nach jedem Fehlschlag denken könnt „Gut, so geht’s nicht“, dann herzlich willkommen in dieser schönen fiesen Welt. Die verschiedenen Areale sehen nicht nur ganz fein aus, sondern spielen sich auch komplett unterschiedlich. In der einen Umgebung stapfen euch riesige, römisch angehauchte Gladiatoren entgegen, wohingegen ihr in der anderen mit wilden Tieren kämpfen müsst.
Technisch flott und sauber
Die PS3 ist ja weiß Gott nicht mehr die aktuellste Plattform, doch im Vergleich zu Dark Souls ist es gewaltig, was die EntwicklerInnen da noch herausgeholt haben. Die Umgebungen, teilweise der Schwachpunkt des Vorgängers, sehen nun richtig schick aus, und die Charaktermodelle sind für die mittlerweile schon bald acht Jahre alte Hardware Respekt einflößend. Auch die Animationen laufen wunderbar rund ab, und wie schon in Teil zwei (darf ich Demon’s Souls einfach einmal dazu erwähnen?) begeistert auch die Atmosphäre wieder und wieder. Kein Spiel kann euch so vereinsamt und allein zurücklassen wie Dark Souls II, vor allem, wenn ihr das Schlurfen und Ächzen der Feindeshorden aus den Heimkinolautsprechern hört.
Der Titel spielt wieder in einer rauen, unverbrauchten Dark-Fantasy-Welt, die beim Artefaktdesign wieder deutlich vom europäischen Mittelalter bestimmt ist und durch neblige Wälder, Sümpfe und Höhlen führt, während die Kreaturen auch hier künstlerisch angehauchte Mischwesen aus echter Tierwelt, klassischen Monstern und Eigenentwürfen zu sein scheinen, die wohl besonders bei den Bossen ebenso schaurig wie Ehrfurcht gebietend daherkommen. Die Beleuchtung ist erneut das Um und Auf, denn wo ihr nichts sehen könnt, ist die Gefahr logischerweise am größten. Unter freiem Himmel sieht das Spiel wirklich gut aus und spielt im oberen Drittel mit, und wenn es finster wird, ist dies beabsichtigt, um euch so richtige Horrorvorstellungen zu verpassen.
Von akustischer Seite gibt es nur Lobeshymnen und die Information, dass sich HeimkinobesitzerInnen die Hände reiben dürfen: In Höhlen fallen einzelne Wassertropfen von den Wänden herab, die Waffen klingen glaubwürdig – je nachdem, worauf ihr gerade einschlagt – und die SprecherInnen sind auch gut besetzt. Kein hektisches Gedüdel, niemals übertriebene Schlachtlaute, kaum Untotengegröle, sondern stimmungsvolle Untermalung erwartet euch in Dark Souls II.
Auch steuerungstechnisch gibt es kaum Überraschungen. Ja, der Controller ist voll belegt. Das heißt jedoch nicht, dass es überfordernd wirkt: Eher logisch und ziemlich intuitiv zeigt das Spiel, wie sich ein richtiges Core-Game anfühlen muss. Mit den linken Schultertasten steuert ihr die linke Hand eures/eurer ProtagonistIn, während ihr mit den rechten Schultertasten die rechte Hand steuern könnt. Nebenbei habt ihr auch noch die Möglichkeit, Paraden und starke Angriffe zu starten, Sprints ausdauerabhängig einzusetzen, GegnerInnen anzuvisieren, mit dem Bogen einen Zoom-Angriff zu starten und vieles mehr. Es gibt zwar feine Unterschiede im Vergleich zu Dark Souls, aber nach spätestens einer Spielstunde fallen sie kaum mehr ins Gewicht.
Dark Souls II: Raue Schale, rauer Kern
Die vielen Qualitätsmerkmale des Spiels wie Grafik, Sound, Steuerung und ein duales Balancing (Gibt es eines? Ist es perfekt?) vermischen sich bei jedem Spielstart zu einem Cocktail, der euch so schnell nicht mehr loslässt. Die gut modellierten Bossgegner können euch bis in die tiefsten Träume verfolgen, die regulären Mobs sind zum Teil fies genug, um euch jederzeit einen Strich durch die Rechnung zu machen, und die Umgebungen sowie die Freiheit im Game sind etwas, was die SpielerInnen seit jeher (seit Demon’s Souls) faszinieren und gleichermaßen fesseln konnte.
Mittlerweile habe ich alles angesprochen, was Dark Souls II ausmacht: Es ist grenzwertig schwer, es kann euch in einen Sog versetzen, die Geschichte ist wie schon in den Vorgängern eher vernachlässigbar, und es wird euch „toten“. Stück für Stück, immer und immer wieder. Fühlt ihr euch davon eher abgestoßen, sucht einfach ein anderes Spiel. Da verpasst ihr nichts, was euch guttut. Wenn ihr euch jedoch mit den Vorgängern schon gut unterhalten fühlt und auf der Suche nach einer neuen Herausforderung seid, ist der nächste logische Schritt klar: Holt euch Dark Souls II.