Encodya im Test – Cyberpoint and Click
Cyberpunk ist zurzeit in aller Munde. Nicht nur CD Project Red, auch das deutlich kleinere Chaosmonger Studio aus Estland hat mit Encodya einen neuen Genrevertreter geschaffen. Was das klassische Point-and-Click-Abenteuer zu bieten hat, verrate ich euch in diesem Testbericht.
>lade: praemisse
In Encodya begegnen wir der 9-jährigen Waisen Tina und ihrem persönlichen Roboter SAM-53, die auf den Straßen Neo-Berlins tagtäglich ums Überleben kämpfen. Dazu gehört, genügend Nahrung für Tina sowie ausreichend Öl für SAM aufzutreiben und einen wetterfesten Unterschlupf zu bewahren. Doch als die beiden eines Tages überraschend von der Polizei gesucht werden, gerät ihr Alltag gehörig durcheinander. Darüber hinaus erfährt Tina von einem geheimen Projekt, an dem ihr Vater vor seinem Verschwinden gearbeitet haben soll. Also machen sich die beiden Protagonisten auf die Suche nach Antworten…
Die Geschichte beinhaltet grundsätzlich ernste Themen, immer wieder eingestreute Scherze brechen jedoch mit dieser Stimmung. Im Gegensatz zu gelungenen Tragikomödien, hat mich dieses Wechselbad in Encodya allerdings nicht betroffen gemacht, sondern dazu geführt, dass mich die Handlung emotional nicht sonderlich mitriss. Dass dieses auch emotional fordernde Abenteuer von einem Kind im Grundschulalter gemeistert wird, ohne davon besonders mitgenommen zu werden, trägt zum Immersionsbruch bei. Andererseits muss ich zugegeben, dass es durchaus erfrischend ist, in einem nahen Zukunftssetting mal keinen mürrischen Antihelden mit Drei-Tage-Bart zu spielen.
>lade: definition_point_and_click
Beim Spielprinzip beschreitet Encodya altbekannte Pfade und liefert ein Point-and-Click-Adventure, wie es klassischer nicht sein könnte: Mit der Maustaste steuert man die beiden Charaktere, SAM und Tina, und interagiert mit anderen Spielfiguren sowie Gegenständen. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist, will eingesammelt und an passender Stelle eingesetzt werden, um im Spielgeschehen voranzukommen. Und wenn man mal nicht weiter weiß, hilft es meistens, alles nochmal von vorne sorgfältig abzuklappern, Dialogoptionen auszureizen, und brav jeden Bildschirm mit dem Mauszeiger abzurastern, um sicherzugehen, dass man nicht doch etwas übersehen hat.
Hat man zu Beginn des Spiels den leichten Schwierigkeitsgrad gewählt, kann sich Tina auch Tipps von SAM holen. Diese fallen jedoch gerne zu allgemein aus, um nützlich zu sein. Auch die Suche nach lokal sehr begrenzten Interaktionspunkten hat mich das ein oder andere Mal etwas aufgehalten. Zwar lassen sich mit einem Tastendruck zu sammelnde Gegenstände hervorheben, diese Funktion ist allerdings so dezent gehalten, dass man kleine Dinge dennoch leicht übersieht.
>detail: raetsel
Nicht nur die Wahl der Protagonistin, auch der Schwierigkeitsgrad lässt mich mutmaßen, dass Encodya eher für Kinder und unerfahrenere SpielerInnen entworfen wurde. Die meisten Rätsel gestalten sich sehr einfach und verlangen lediglich eine sorgfältige Untersuchung aller Schauplätze, gerne auch mit einer zünftigen Portion Backtracking. Bei den wenigen Rätseln bei denen tatsächlich das Kombinieren unterschiedlicher Gegenstände gefragt ist, hätte das Spiel hingegen stellenweise kommunikationsfreudiger sein dürfen. Es ist selten ein gutes Zeichen, wenn man nach dem Durchprobieren aller Möglichkeiten, die Aufgabe gelöst hat und sich denkt: „Uff, warum hat mir das Spiel denn nie gesagt, dass das möglich ist!“. Diese Stellen haben sich aber auf wenige Ausnahmen beschränkt.
>lade: audiovisuelle_eindruecke
Begleitet werden die Knobeleien von Musik, die sich meist dezent im Hintergrund hält. Die Spielwelt hingegen fällt durch detaillierte Umgebungen auf. Optisch hat sich Encodya deutlich bei anderen Genregrößen inspirieren lassen und zeigt Wolkenkratzer, dreckige Nebenstraßen und allerlei Leuchtreklamen mit asiatischen Schriftzeichen. Schade, dass es an diesen schönen Orten wenig Interaktives zu entdecken gibt, das nicht unbedingt handlungsrelevant ist.
>schließe: encodya
Encodya bietet klassisches Point-and-Click-Gameplay in einem ebenso klassischen Cyberpunk-Setting. Während ich weder an Grafik, Story noch Gameplay groß was auszusetzen habe, hebt sich das Spiel allerdings auch in keinem Punkt vom Mittelmaß ab. Wer nach VirtuaVerse, und Co. neuen Genrestoff sucht oder Kinder an das Genre heranführen möchte, könnte hier fündig werden.