Far Cry 5 im Test: Von Sekten, Wahnsinn und Schaufeln
Far Cry 5 bietet mit Hope County, Montana eine riesige und erkundenswerte Spielwelt mit vielen spannenden Aufgaben. Ubisoft schafft sogar die Türme und die nervigen Collectibles, der Ubisoft-Formel, ab. Man möchte meinen die apokalyptische Hillbilly-Sektengemeinschaft setzt da noch eines drauf, aber ausgerechnet die bleibt hinter den Erwartungen zurück. Spaß hat mir das Ganze aber trotzdem gemacht.
Mehr Schein als Sein
Sekten sind ein heißes und brandaktuelles Thema. In der realen Welt werden Menschen mit subtilen Methoden dazu gebracht sich den fragwürdigsten Religionsgemeinschaften anzuschließen. Die Sekte „Project Eden Gate“ (die Mitglieder der Sekte werden von den anderen BewoherInnen Hope Countys verachtend und abgekürzt „Peggies“ genannt) versucht aber keine psychologischen Tricks, viel mehr predigt Joseph Seed vom Untergang der Welt – und neben der ganzen Waffengewalt und den Entführungen war’s das auch schon. Das Spiel startet und ich darf in einem rudimentären Charaktereditor mir einen Polizisten oder eine Polizistin zusammenbauen und dann auch gleich noch einkleiden (Far Cry 5 wird zwar in der First-Person-Ansicht gespielt, aber sei’s drum). Der Hauptcharakter Rook muss dann sogleich Joseph Seed, „den Vater“, festnehmen und natürlich klappt das im ersten Anlauf so überhaupt nicht. Damit entlässt mich das Spiel dann aber auch in die Open-World und in meine knapp vierzigstündige Reise durch Hope County.
Die Seed Familie
Die Map ist in drei Gebiete eingeteilt, die von den Seed-Geschwistern besetzt sind. Während Rook das gesamte Spiel über schweigt, haben Faith, Jacob und John einiges zu erzählen, denn sie sind jeweils dem Wahn verfallen und/oder einfach nur böse. Damit bei der Sekte alles glatt läuft und der Weltuntergang gut über die Bühne gehen kann verwandelt Faith mit Drogen Menschen in willenlose Arbeitskräfte, Jacob stampft eine Armee aus leichtgläubigen Anhängern aus dem Boden und John bemüht sich um die PR und die „legale Außendarstellung“ von Eden Gate. Der Anführer Joseph Seed bleibt für mich aber der blasseste Far-Cry-Antagonist, denn erstens kommt er gar nicht häufig vor und zweitens steckt hinter seinen Reden meist nur Nonsens. Trotz der ähnlichen Charakteranlage, erwartet euch hier auf keinen Fall einen Vaas Montenegro!
Es wäre so interessant gewesen, wenn der redegewandte John Seed es geschafft hätte, mich nur im Ansatz davon zu überzeugen, seiner Sekte auch beitreten zu wollen. Abgesehen vom Weltuntergang gibt es aber überhaupt kein Argument dazu und ich kann mir auch nicht erklären, warum irgendein Mensch in Hope County, Eden Gate beitreten möchte. Ubisoft hat es komplett verpasst das Sekten-Thema spannend aufzuarbeiten und trotz eines gut inszenierten Twists bleibt für mich die Figur des John Seeds zu uninspiriert und zu eindimensional.
Keine überladene Karte mehr
Das vorweg genommen, hat es mir aber trotzdem viel Spaß gemacht in die Weiten von Montana einzutauchen. Das liegt vor allem daran, weil Ubisoft die Map nicht mehr mit blinkenden Icons zu kleistert und bei den Nebenmissionen an Stelle von Quantität, mehr auf Qualität setzt. Zu Beginn bekomme ich von einem NPC sogar augenzwinkernd mitgeteilt, dass der Sendeturm im Tutorial-Areal der einzige Turm sein wird, den ich im gesamten Spiel erklimmen muss. Das macht aus Far Cry 5 zwar noch kein The Legen of Zelda: Breath of the Wild, aber ich darf mich endlich wieder selbst darum kümmern, interessante Orte und Personen in der Welt eigenständig zu entdecken. Einzig ein paar Missionen werden auf der Karte von Anfang an dargestellt, denn das sind die optionalen BegleiterInnen, die Rook anfunken und dringend Hilfe benötigen.
Überlebenswichtige Hilfe
Die erweitern das Gameplay von Far Cry sehr gut, denn alle BegleiterInnen haben eigene Spezialfähigkeiten. Der Hund Boomer erschnüffelt Feinde und Tiere, Grace Armstrong ist eine zielsichere Scharfschützin und Nick Rye hilft mit seinem Flugzeug per Bombenabwurf und MG-Beschuss aus. Per Knopfdrück kann Rook Befehle an die BegleiterInnen erteilen, die dann das vorgegebene Ziel angreifen. So erhält man große Unterstützung im Kampf und durch die Vielfalt der MitstreiterInnen auch eine große Varianz für den eigenen Spielstil.
Möchte man eines der vielen, besetzten Lager einnehmen, kann man das z.B. mit Nick Rye, mit Pauken und Trompeten tun, oder wie man in Far Cry 5 sagen würde, mit Bomben, Raketen und Flammenwerfern tun. Es gibt aber auch die Möglichkeit, die selbe Aufgabe im Stealth-Modus und mit der zahmen Puma-Dame Peaches zu erledigen. Praktischerweise schleicht sie sich an Gegner unbemerkt an und überwältigt diese. Wird Peaches dann doch einmal entdeckt wird aber noch kein Alarm ausgelöst, da sie ein tierischer Begleiter ist und die Kultisten keinen menschlichen Angriff dahinter sehen.
Meine Schaufel und ich
Im Gameplay ist Far Cry 5 eine satirische Gewaltfantasie, die mich teilweise sogar an GTA 5 erinnert hat. Mit Dynamit, C4, Molotow-Cocktails, Bögen, Brandmunition, Flammenwerfern und vielem mehr sprengt sich Rook durch die Gegnerscharen. Besonders skurril und meine absoluten Favoriten sind aber die Nahkampfwaffen. Ich habe in diesem Spiel mehr Schaufeln durch die Gegend geworfen, als ich geschossen habe. Man kann nämlich mit allerhand Rohren, Baseballschlägern oder eben Schaufeln nicht nur zuschlagen, sondern diese auch werfen. Ubisoft ist sich dabei völlig bewusst, wie abgedreht dieser Spielstil ist und spendiert mir gleich obendrauf noch eine Schaufel mit einem nett grinsenden, gelben Smiley auf der Unterseite. Und so „pflügen“ meine Schaufel – ich habe sie liebevoll Gary genannt – durch Hope County. Wenn mir das dann doch einmal zu eintönig wird, kann ich jederzeit wieder auf vollen Stealthmodus oder Sprengmeister umstellen und das Gameplay ändert sich drastisch.
Der Held den Hope County verdient
Montana ist zur Fuß ziemlich mühsam zu bereisen, weshalb mir Far Cry 5 unter anderem Trucks, LKWs, Motorboote, Flugzeuge und Helikopter zur Verfügung stellt. Die fahren und fliegen sich ganz gut und durch Clutch Nixon gipfeln die motorisierten Vehikel auch noch in angenehm, wahnsinnigen Aufgaben. Denn wann immer ihr laute Gitarrenriffs hört, ist auch eine Gedenktafel des verstorbenen Clutch Nixons nicht weit. Dieser Vollblut-Amerikaner war einst ein gefeierter Stuntman und Rook muss an bestimmten Orten, die bekanntesten Stunts von Nixon nachstellen. Wie weit, kann man also mit einem brennenden Auto fahren? Schafft man es schnell genug mit einem LKW durch einen Hindernisparkour, mit Rampen und brennenden Schulbussen? Diese Szenen werden auf ironisch übertrieben Art dargestellt: Ständig explodiert etwas, die amerikanische Flagge muss auch andauernd herhalten und einfach alles ist augenzwinkernd maßlos übertrieben.
Urlabusdestination Hope County
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass Hope County grafisch wunderschön aussieht. Die weiten Felder, die Berge und Täler mit ihren Flüssen – wären dort nicht so viele Sektenanhänger, wäre die Spielwelt von Far Cry 5 ein richtig schönes Urlaubsziel. Ein weiterer Grund, warum es sich lohnt Hope County zu erforschen, sind die Prepper-Verstecke. Diese bieten euch gekapselte, gut gestaltete Rätsel, wo es darum geht in Bunker einzudringen oder Verstecke in Häusern zu plündern. Manchmal muss Rook nach Schlüsselkarten tauchen, einen schwer erreichbaren Generator aktivieren oder sogar in Hundekot herumwühlen, um Zugang zu erhalten. Die Prepper-Verstecke bieten euch neben interessanten Gameplayhäppchen, vor allem auch Geld, Munition und Vorteilspunkte.
Kein Levelaufstieg mehr
Diese Vorteilspunkte lösen das Levelsystem des Vorgängers ab. Es gibt keine Erfahrungspunkte mehr, stattdessen werden euch Aufgaben wie z.B. führe zehn Takedowns aus, töte zwei Bären oder fliege zwei Kilometer mit dem Wingsuit gestellt. Dadurch erhaltet ihr die eben genannten Vorteilspunkte, die ihr in neue Fähigkeiten investiert. Dieses neue System funktioniert gut und die Zusatzfähigkeiten sind meistens cool und sinnvoll. So könnt ihr die Punkte in Fallschirm oder Wingsuit, besseren Umgang mit Waffen, zusätzlichen Takedown-Möglichkeiten und viele andere Erweiterungen stecken.
Far Cry 5 Fazit
Die Story von Far Cry 5 ist gehaltlos aber gut inszeniert. Man möchte gleichzeitig wissen wie es weitergeht und spürt trotzdem, dass nicht all zu viel dahinterstecken dürfte. Das große Potenzial des Sektenthemas bleibt quasi ungenützt. Meiner Meinung nach hätte sich Far Cry 5 einen großen Gefallen getan, wenn es den Wahnsinn und die satirischen Elemente vom Gameplay, auch auf die Story übertragen hätte. So ist die Geschichte höchstens nett, es bleibt aber der fahle Beigeschmack, dass hier viel mehr möglich gewesen wäre. Die Welt und das Gameplay hingegen haben mir gut bis ausgezeichnet gefallen. Es gibt so viel zu tun, ohne dass ich dabei mit Sinnlos-Aktivitäten erdrückt werde. Das was in Far Cry 5 angeboten wird, macht zu einem erheblichen Großteil auch wirklich Spaß. Ich freue mich daher, dass Ubisoft die eigene Formel ein Stück weit aufgebrochen hat und mit Far Cry 5 einen Schritt in die richtige Richtung gemacht hat.