For Honor-Review: Gepflegt die Schwerter kreuzen
For Honor. Der Titel sagt es schon: Im neusten großen Spiel aus dem Hause Ubisoft kämpfen heroische Krieger um Ruhm und Ehre. Warum ich trotz dieser spannenden Prämisse zwiegespalten bin, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.
Schwaches Herz
Selten fühle ich mich bei einem Spiel so hin und her gerissen. In For Honor schlagen zwei Herzen. Sie stehen für die zwei Persönlichkeiten, die darin stecken. Das eine Herz steht für die saubere Arbeit, die die Entwickler geleistet haben: Die Animationen sind toll, dass Gameplay ist ausgetüftelt und innovativ; drei sympathische Fraktionen stehen zur Auswahl. Dass andere Herz hingegen, das für das steht, was die Community aus dem Spiel macht, kann von Ubisoft nicht belebt werden. Das geschieht durch uns SpielerInnen. Wir beleben dieses zweite Herz durch unseren Enthusiasmus, unsere Begeisterung für das Spiel.
Genau das gelingt mir nicht. Ich schaffe es nicht, das zweite Herz von For Honor zum Leben zu erwecken. Es will einfach nicht schlagen. Dabei habe ich mir wirklich Mühe gegeben. Habe den Story-Modus alleine sowie mit einem Freund bestritten, Rücken an Rücken die Buchstaben A, B und C verteidigt. Und wofür das alles? Nur um eine weitere Runde gegen den gegnerischen Clan zu gewinnen? Ein wenig mehr Ansporn dürfte schon sein…
Story-Modus? Naja…
Mit der Handlung ist das so eine Sache. Keine Tiefe, kein Witz und kein Köder ziehen mich in die Spielwelt. Sie ähnelt eher einer Abfolge einzelner Prüfungen, die lose mittels eines dünnen Faden zusammengehalten werden. Dennoch lohnt es sich, die rund sechs bis acht Stunden in Angriff zu nehmen. Ein besseres Tutorial hätten die EntwicklerInnen dem Spiel gar nicht spendieren können. Ihr lernt verschiedene Kombos zu beherrschen, könnt euch auf unterschiedliche Angriffsmuster einstellen und bekommt insgesamt einen guten Einblick in das innovative Kampfsystem.
For Honor will auch gar kein echtes Single-Player-Spiel sein. Selbst die 18 Missionen der Kampagne könnt ihr gemeinsam mit einem Freund bestreiten, auch wenn sie das nicht unbedingt spannender macht. Das liegt vor allem daran, dass sich die Aufgaben nicht verändern. Keine Prüfungen, die vier Hände brauchen, keine „du greifst an, ich geb dir Deckung“ Situationen. Anstatt alleine, kämpfen wir uns eben gemeinsam durch Horden von Gegnern.
For Honor zu kaufen lohnt sich also nur dann, wenn ihr die Singleplayer-Kampagne als Tutorial versteht, der euch auf die Multiplayer-Schlachten vorbereitet. Erst hier wird es richtig spannend und es schleicht sich ein kleiner Hauch Beat’ em Up ein. Genau hier, an diesem Punkt müsste es For Honor schaffen, mich zu begeistern. Wenn es hier Klick macht, bei der Kernstärke des Spiels, dann garantiere ich For Honor eine strahlende Zukunft.
Schöne, große Online-Welt
Und tatsächlich wird die Sache online besser. For Honor richtet sich eindeutig an ambitionierte Online-Spieler, die sich so richtig in das Kampfsystem reinhängen wollen. In verschiedenen Spielmodi kann entweder gegen KI-Bots oder echte Spieler gekämpft werden. Egal ob Einzelduell, Deathmatch oder Herrschaft, verschiedene Modi locken zum gepflegten Kreuzen diverser Waffen. Die verschiedenen Modi sowie drei Fraktionen mit je vier Klassen sorgen dafür, dass einem nicht so schnell langweilig wird. Insgesamt also zwölf spielbare Charaktere, wobei jeder sowohl Mann als auch Frau sein kann.
„Wen nehm ich den jetzt?“
Egal ob Ritter, Wikinger oder Samurai, die drei Fraktionen sind auf dieselbe Art und Weise ausbalanciert, nur die vier Klassen unterscheiden sich voneinander: Es gibt die mächtigen Tanks, die flinken Schleicher und Allroundtalente.
- Tanks: Kriegsherr der Wikinger, Shugoki der Samurai und Eroberer der Ritter. Diese können viel einstecken und ordentlich austeilen.
- Flinke Schleicher: FriedenshüterIn der Ritter, Walküre der Wikinger und Orochi sowie Nobushi der Samurai. Diese Charaktere können schnell in Kämpfe eingreifen und genau so schnell wieder aus diesen verschwinden.
- Allrounder: Wächter & Gesetzesbringer der Ritter, Plünderer und Berserker der Wikinger und Kensei der Samurai.
Wie oben bereits erwähnt spielen sich die drei Fraktionen relativ ähnlich, einzig euer persönlicher Stil ändert das Spielgeschehen. Mit einer Ausnahme: den Gaben.
Dank den Gaben
Eine Besonderheit in For Honor sind die Gaben, die ihr eurer Figur zuordnen könnt. Dabei könnt ihr aus einem reichhaltigen Fundus verschiedenster Boni wählen. Die Bandbreite reicht von einfacher Heilung über zeitbegrenzt verbesserte Angriffswerte bis hin zu Artillerie-Feuer in Form von Pfeile-Hagel oder Katapult. Die Gaben legt ihr auf die vier Seiten des Steuerkreuzes und befreit euch damit aus so manch brenzliger Situation. Im Singleplayer können diese Gaben öfters eingesetzt werden, es bedarf lediglich einer kurzen Aufladephase, bis sie wieder verwendet werden können. Anders im Multiplayer, hier läuft es ähnlich wie in Call of Duty ab. Mit guten Aktionen sammelt ihr Ruhmpunkte, die wiederum eine Gabe freischalten.
Spaß im Multiplayer?
Auch für den Multiplayer gilt, was ich bereits zu Beginn gesagt habe. In For Honor schlagen zwei Herzen und nur wenn deren Takt im Einklang ist, kommt richtig viel Freude auf. Manche der Kämpfe sind spannend, nervenaufreibend und bei einem Sieg ist der Jubel unglaublich groß. Dann gibt es aber wieder Situationen, die einfach nur frustrierend sind. So gut durchdacht das Kampfsystem auch ist, es fordert euch heraus. Wollt ihr es gut beherrschen, solltet ihr euch wirklich damit beschäftigen. For Honor ist kein schnelles Spiel, bei dem man hin und wieder vorbeischauen kann. For Honor ist keine spaßige Zwischendurchbeschäftigung. Wollt ihr zu den erfolgreichsten Recken gehören, heißt es üben, üben und üben. Denn nur wer seine Figur gut beherrscht, kann als Sieger vom Schlachtfeld gehen. Natürlich gelingt hin und wieder ein Glückstreffer, wenn ihr auf einen ausgelaugten und geschwächten Gegner trefft. Insgesamt muss ein Sieg aber hart erkämpft werden.
Bereits jetzt, kurz nachdem das Spiel veröffentlicht wurde, hat sich eine besondere, aber umso einfachere Taktik bewährt: im Team schlägst du härter zu. Sobald ihr euch mit jemandem verbündet, und dieser eine komplementäre Klasse hat, könnt ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Welt erobern. Steht man zwei oder gar noch mehr Kämpfern gegenüber, wird die Sache nämlich wirklich knifflig. So gute Kombinationen können euch gar nicht gelingen, als dass so eine Situation gut ausgeht. Der einzige Lichtblick ist dann ein Verbündeter, der euch schnell genug zur Hilfe eilt.
For Honor Metagame … Was ist das?
For Honor begnügt sich nicht damit, eine anspruchsvolle Mischung aus Hack `n` Slay und Beat `em Up zu sein. Ubisoft erweitert die Kämpfe um eine Metaebene. Hier geht es darum, gewonnene Kriegsressourcen auf einer interaktiven Karte zu platzieren und so das Herrschaftsgebiet der eigenen Fraktion zu vergrößern. Dazu gibt es tägliche Extra-Aufgaben und verschiedene Runden. Eine Runde dauert immer sechs Tage und eine Saison umfasst 10 Wochen. Nach einer Saison werden die Karten neu gemischt und nach einer Cool-Down-Phase beginnen die Schlachten von Neuem.
Schön ist das schon
Elegant schwingt mein Nobushi das Schwert durch die Luft und lässt es mit Schwung auf meinen Gegner nieder. Bei stärkeren Gegner bleibt dieses am Ende im Oberkörper stecken und mit einem Druck auf die Taste Viereck gibt es einen schön inszenierten Finishing-Move. Dieser variiert von Klasse zu Klasse und bringt neben Ruhmespunkten auch ein wenig Lebensenergie. In großen Schlachten könnt ihr die dringend gebrauchen.
For Honor sticht vor allem mit seinen Animationen hervor. Die Grafik selbst ist nicht auf allerhöchstem Niveau, muss sich aber auch nicht verstecken. Ich vermute, dass hier, um Ressourcen zu schonen, ein wenig gespart wurde. Besser umgesetzt ist der Sound. Die Schwerter und Äxte klirren nervenaufreibend und die deutschen Synchronsprecher versuchen ihr Bestes, um die Story ein wenig aufzupeppen. Auch wenn ihnen das gut gelingt, bei dieser Textvorlage ist nicht wirklich viel zu holen.
For Honor-Review Fazit:
Ich bekomme das zweite Herz einfach nicht zum Schlagen. Kaum ein Spiel kostet mich soviel Mühe, es zu spielen. Das ist keine schöne Sache. Eigentlich sollten Spiele Spaß machen. Ich sollte mich darauf freuen und es kaum erwarten können, mich in die Spielwelt zu verabschieden. For Honor schafft das einfach nicht. Das liegt aber nicht an der Qualität des Spiels. Ubisoft hat wirklich sehr viel richtig gemacht und liefert ein Rundum-Paket für Multiplayer-Enthusiasten. Wer wie ich aber mehr auf Storybasierte Spiele steht, sollte von For Honor besser die Finger lassen. Ich spiele auch sehr gerne online, möchte es aber vermeiden, einem Zeitfresser zu erliegen. Es ist eben kein einfaches Hack’ n Slay, bei dem es nur darauf ankommt, die richtige Tastenkombination perfekt zu beherrschen. For Honor erfordert taktische Raffinesse und den Blick fürs große Ganze, um als Sieger vom Schlachtfeld zu kommen.