Heroes of the Storm (PC) im Test

von Werbung 29.06.2015

Ich teste immer gern Blizzard-Spiele. Die KalifornierInnen haben zwar noch kein einziges originäres Spielerlebnis kreiert (okay, Hearthstone mal ausgenommen), aber dafür immer perfekt kopiert und perfektioniert. Sei es das Warhammer-Universum für Warcraft und Starcraft, sei es Ultima Online als Vorlage für das erfolgreichste MMO der Spielegeschichte, sei es jüngst einen Team-Taktik-Shooter vom Schlag Team-Fortress für das anstehende Overwatch. Heroes of the Storm hingegen, Blizzards zweiter Ausflug ins Free-to-Play-Gefilde, ist weniger eine Kopie als der Versuch, Boden in einem Genre gutzumachen, das einem Blizzard-Spiel entstammt: MOBAS (Multiplayer Online Battle Arenas). Das erste MOBA entstand als Mod für Warcraft 3 und trägt den Titel Dota (Defense of the Ancients). Darin gilt es, als Gruppe von Heldeneinheiten den gegnerischen Stützpunkt zu überrennen. Aus den eigenen Mauern strömen stetig kleine Kampftrupps, die allein aber nicht viel ausrichten. Hier kommen die speziellen Fähigkeiten der HeldInnen ins Spiel. Dummerweise sicherte sich die Rechte an Dota Valve, um mit Dota 2 einen würdigen Gegenpol zum erfolgreichen Platzhirschen League of Legends (LoL) zu etablieren. Ein gesättigter Markt also, den Blizzard nun mit Heroes of the Storm aufmischen möchte. Kann das klappen? Ich habe HOTS für euch auf Herz und Nieren getestet.

Als erstes schlagkräftiges Argument für einen fulminanten Auftakt schickt Blizzard die geballte Kraft all seiner Spieluniversen ins Rennen: Im Nexus, einer Art Singularität im Raum-Zeit-Kontinuum, treffen HeldInnen aus Diablo, Warcraft, Starcraft und sogar alten Klassikern wie Lost Vikings in einer epischen Schlacht aufeinander. Warum? Das vermag nicht einmal der weise Paladin Uther so genau zu sagen: einfach so halt! Weil es Spaß macht, wenn sich Illidan und Raynor gegenseitig die Rüstung zerdellen. Zu Spielbeginn kann man sich aus einer rotierenden Auswahl freier HeldInnen seine/n persönliche/n FavoritIn aussuchen. Andere Charaktere können für Echtgeld oder Ingame-Gold freigeschaltet werden. Die Preisgestaltung stößt aktuell noch einigen Fans sauer auf. Zehn Euro für einen neuen Helden, derselbe Betrag für ein kosmetisches Outfit, da sollte man sich doch eher ein Beispiel am fairen LoL nehmen. Für Levelaufstiege gibt’s gottseidank genug Geld, um zumindest in absehbarer Zeit die Helden freispielen zu können, die es für zweitausend Einheiten Gold gibt. Coolere Recken wie Prinz Arthas oder sein finsteres Alter Ego, der Lichkönig, schlagen mit zehntausend Einheiten der digitalen Währung schon ganz stramm zu Buche. GelegenheitsspielerInnen werden hier nicht so rasch auf einen prallgefüllten Roster zurückgreifen können.

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An ebendiese richtet sich das Spiel als Alternative zu klassischen MOBAS aber ganz deutlich. Und aus diesem Grund wurde auch kräftig der Banhammer geschwungen und Features, die das Spielprinzip unnötig verkomplizieren, ersatzlos gestrichen. Item-Shop? Fehlanzeige! Last-Hit-Mechanik? Nope! Level-up? Schon, aber nicht individuell, sondern immer für den gesamten Stoßtrupp, der in einer typischen HOTS-Partie aus fünf ReckInnen besteht. Das kann hartgesottenen MOBA-VeteranInnen schon mal sauer aufstoßen. Wenn man in einer Noob-Gruppe landet, hat man nicht einmal die Möglichkeit, durch individuelle Klasse zu glänzen. Durch diese Reduktion wurde die Spielzeit einer Partie auch auf 15 bis 20 Minuten verkürzt. Hop-on-/Hop-off-Gameplay á la Hearthstone also. Deutlich zieht sich dieser Trend in der vergangenen Zeit durch fast alle Blizzard-Spiele. Das bedeutet aber keineswegs, dass HOTS keinen Spaß macht. Die flotten Partien spielen sich actionlastig und spannend, die Maps sind optisch abwechslungsreich und bieten spezifische Extras, die eine Schlacht zu wenden vermögen. In der Schwarzherzbucht gilt es beispielsweise, dem namengebenden Knochenpiraten Dublonen zu überbringen, die man zuvor Crittern oder gegnerischen SpielerInnen aus den Rippen schnitzt. Genug davon veranlassen den gierigen Kapitän, seine Kanonen gegen das feindliche Fort zu richten.

Charakterentwicklung

Anders als bei anderen MOBAS leveln alle Charaktere eines Teams gemeinsam auf. Somit erhalten auch alle MitstreiterInnen regelmäßige Talent-Upgrades, die sich flott aus einer Liste unten rechts auswählen lassen. Die Talente richten sich dabei durchwegs nach den bekannten Charaktereigenschaften der ProtagonistInnen aus deren jeweiligen Spielen. Die Barbarin aus Diablo beispielsweise zieht sich mit dem Speer von Vulkatos an GegnerInnen heran und startet dann eine verheerende Wirbelsturm-Attacke, während der Oberschamane Thrall mit Blitzen und Geisterhunden hantiert. Bis Level zehn lassen sich die ersten drei Talente aufmotzen. Dann erhält man eine Heldenfähigkeit mit langer Abklingzeit und starker Wirkung. Jim Raynor kann beispielsweise sein Kampfschiff, die Hyperion, herbeirufen und mit Plasmasalven eine Schneise durch die gegnerischen Reihen ziehen. Die Klassen selbst lassen sich in die typischen Schubladen aufteilen: Schadensausteiler und Fernkämpfer finden sich hier gleichermaßen wie Schadensfresser und Supporter. Die KI versucht natürlich, möglichst ausgewogene Teams zusammenzuwürfeln, richtig erfolgreich wird man allerdings nur in einem abgesprochenen und aufeinander abgestimmten Team sein.

Gameplay

Über drei Lanes gilt es, mit den eigenen HeldInnen und computergesteuerten Einheiten die gegnerischen Befestigungen zu überwinden – so weit, so bekannt. Auch das Verstärken der eigenen HeldInenn durch das Erledigen von neutralen Geschöpfen auf der Map kennt man aus anderen MOBAS bereits. In HOTS liefern diese nicht nur Erfahrungspunkte für das eigene Team, sondern kämpfen auch gleich auf der Seite der Bezwinger mit. Zusätzlich gibt es, wie bereits eingangs erwähnt, auf jeder Karte ein spielentscheidendes Extra. Mal muss man Rabengötzen einsammeln, Mal müssen Unkrautler ihrer Samen beraubt und damit mächtige Gartenmonster beschworen werden. Das macht durchwegs Spaß und gibt dem Spiel eine zusätzliche taktische Komponente. Eine Partie dauert so lange, bis der gegnerische Schrein in seine Einzelteile zerlegt wurde.

Präsentation

Nun waren Blizzard-Spiele noch nie dafür bekannt, neue Grafikbenchmarks auszustellen oder das Letzte aus der Hardware herauszukitzeln. Vielmehr versucht man, ein breites Spektrum an Plattformen und Geräteklassen zu erreichen. HOTS macht da keine Ausnahme. Trotzdem sieht die Grafik so hübsch aus, dass man sich ein Warcraft 4 mit liebevoll gestalteten Figuren und Karten instinktiv als Add-on wünscht. Die Effekte sind nicht zu aufdringlich und dennoch ein Augenschmaus. Doch nicht nur in Sachen Grafik macht HOTS eine gute Figur, auch die akustische Untermalung lässt kaum Wünsche offen. Aktionen werden von den Einheiten witzig und gut übersetzt quittiert, der orchestrale und für jede Map individuell gestaltete Soundtrack hat Ohrwurmqualitäten, und die SprecherInnen, die die Match-Eröffnung oder Aktionen wie Doppelkills kommentieren, sind ebenfalls auf die jeweiligen Karten abgestimmt. In einer Wüstenwelt beispielsweise hat der Kommentator einen ägyptischen Akzent. Solche Details machen HOTS und Blizzard-Spiele im Allgemeinen zu einem speziellen Erlebnis und bereichern das Spielerlebnis ungemein.

Fazit

Ich bin kein typischer MOBA-Spieler. Das Aufrüsten der Helden im Item-Shop, frustrierende Mechaniken wie Last-Hit und zu lange Partien haben mir schon im Ur-Dota nicht wirklich Spaß gemacht. Blizzard nimmt viel von diesen Hürden aus der Gleichung und würzt das alles noch mit bekannten und beliebten HeldInnen. Eigentlich müsste ich begeistert sein. Aber irgendetwas fehlt mir noch. Das Matchmaking hat mich zu oft in aussichtslose Partien gesteckt, und das Shopmodell wirkt noch etwas unausgereift und knausrig. Ich traue Blizzard aber durchaus zu, daraus noch etwas richtig Rundes und Großes zu machen. Bis dahin spiel ich lieber noch ein paar Partien Hearthstone.

Wertung: 8 Pixel

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