Investigativer Journalismus – Spotlight (Blu-ray) im Test
Best Motion Picture of the Year (2015) – mit diesem Titel darf sich der Film Spotlight von Regisseur Tom McCarthy schmücken und er bekam ihn zurecht. So viel kann ich euch gleich am Beginn dieses Blu-ray-Tipps verraten.
Spotlight – investigativ und gut
Spotlight ist nicht nur eine Referenz auf das gezielte beleuchten im dunklen verborgener Wahrheiten sondern auch der Name einer eigenen Abteilung des Boston Globe. Einer renommierten Zeitung der Ostküsten-Metropole die uns vor allem durch Filme rund um das Thema organisiertes Verbrechen bekannt ist. Sofort kommen mir Departed – Unter Feinden oder The Town – Stadt ohne Gnade ein. Auch in diesem Jahr wird die Stadt wieder im Kino auftauchen, mit einem tragischen Thema. Mark Wahlberg spielt in Patriots Day einen Police-Officer, der die Anschläge auf den Boston Marathon 2013 miterlebt hat.
Auch Spotlight beschäftigt sich mit einem tragischen Thema, dass weltweit für SChlagzeilen sorgte. Das nur aus vier Personen bestehende Spotlight-Team hat einen riesengroßen Skandal der katholischen Kirche in den USA aufgedeckt. Nicht nur, dass Kinder systematisch misshandelt und missbraucht wurden, die Taten mehrerer Priester waren bekannt und wurden vertuscht.
Die vierte Gewalt
Spotlight ist ein Film, der das jüngere Publikum auf eine harte Probe stellt. Verglichen mit anderen zeitgenössischen Filmen, wirken die ersten 45 Minuten wie eine triste Abfolge von Gesprächen und Diskussionen. Mit Wem muss Wer reden? Welche InformantInnen können angezapft werden und welche Steine liegen dem Team im Weg. Der Film braucht seine Zeit, entwickelt aber gerade dank dieser ruhigen Szenen eine ungeheure Intensität. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, jedes kleine Detail muss geprüft werden. Ohne es offen zu nennen verdeutlicht Spotlight das Prinzip echter journalistischer Arbeit nach angloamerikanischem Vorbild: check, re-check, double-check.
Tom McCarthy stellt die katholische Kirche nicht an den Pranger. Spotlight ist kein Film der unseriöses Kirchen-Bashing betreibt. Die Arbeit der JournalistInnen und der Einfluss der Medien auf die öffentliche Meinung stehen im Vordergrund, und zwar in einem positiven Sinn. Medien als die sogenannte Vierte Gewalt, die als einzige das systematische Verschleiern durch große Institutionen aufdecken kann, darum geht es in diesem Film. Das die katholische Kirche im Zentrum steht liegt mitunter daran, dass sie so stark in das Leben der Stadt Boston eingebunden ist. Eine zentrale Voraussetzung für systematisches Verschleiern.
Austauschbares Böse
Das Böse, ich nenne es an dieser Stelle absichtlich so, bleibt de facto austauschbar. Diesen Aspekt arbeitete das Spotlight-Team sehr fein heraus. Nur weil die katholische Kirche in der Stadt so gut vernetzt ist, kann es gelingen, dass über einzelne, schreckliche Taten hinweggesehen wird. Das, auch in anderem Zusammenhang oft gebrachte Statement, man solle wegen eines schwarzen Schafes nicht der gesamten Organisation schaden, wird zum traurigen Kompromiss. Wo endet das Wohl und Recht des einzelnen und wo beginnt das Gemeinwohl? Wer zieht die Grenze und wer wird zur Verantwortung gezogen, wenn diese überschritten wird? Es sind solche Fragen, mit denen sich der Film beschäftigt, und die ihm verdient den Oscar einbrachten.
Eine echte Empfehlung
Dieser Film braucht Zeit und die hat er absolut verdient. Der grandiose Cast, allen voran Mark Buffalo als beherzter Reporter und Liev Schreiber als ruhiger, sich nie auch nur im Ansatz beeindrucken lassender Chef erzeugen einen Sog, der euch spätestens nach einer Stunde nicht mehr los lässt. Am Ende schließt der Film mit der klug orchestrierten Reminiszenz an die alten Zeitungsfilme: laufende Druckerpressen und die bis vor die Haustüre gelieferte Zeitung mit großer Headline.