Mass Effect: Andromeda Test: Neue Galaxien entdecken
Ich habe Mass Effect 1 geliebt, Mass Effect 2 gerade zu verschlungen und mir Mass Effect 3 durch die Unkenrufe des viel zitierten, schlechten Endes vermiesen lassen. Das soll mir mit Mass Effect: Andromeda nicht noch einmal passieren, denn der Shitstorm zu den Gesichtsanimationen ist mir egal. Ich steige weder beim Hype-, noch beim Shitstorm-Train ein. Unvoreingenommen werfe ich daher einen Blick auf die noch unerforschte Andromeda Galaxie.
Ein Neuanfang
Übrigens, vier Jahre später habe ich dann Teil drei nachgeholt, was für mich abermals ein großartiges Erlebnis mit meinem Commander Shepard war. Ohne den etablierten Hauptcharakter, aber mit einer ganz neuen Galaxie, möchte man mit Mass Effect: Andromeda einen kompletten Neuanfang des Franchises starten. Durch Andromeda umgeht man quasi alle Entscheidungen aus den ersten drei Teilen und macht damit das Spiel nicht nur Einsteiger freundlich, sondern umkurvt damit auch das umstrittene Ende. Also tritt man je nach Wahl mit einem der beiden Zwillinge Scott oder Sara Ryder eine Reise ins Ungewisse an und muss dabei eine neue Heimat für die Menschheit suchen. Dabei wird man dann in eine Welt (oder eigentlich Welten) geworfen, die bei Weitem größer ist, als die eines Dragon Age: Inquisitions. Natürlich gibt es auch bei Mass Effect: Andromeda unzählige Nebenmissionen, aber im Kontext des Settings macht das durchaus Sinn. Dadurch, dass man ständig auf der Suche nach neuen Heimatplaneten ist und neue Planeten besiedeln möchte, brauchen die Menschen (und andere Lebewesen) einfach sehr viele Ressourcen. Diese Fetch-Quests sind teilweise langweilig, haben aber den großen Vorteil, dass sie sich auch in spannende Mini-Thriller verwandeln und sich sogar interessanter als die Hauptquest spielen. Im Gegensatz zu den vielen, standardmäßigen Fleißmissionen von Inquistion ist es mir sogar passiert, dass ein eher dröges abscannen eines Planeten zu einer Charakter bezogenen Loyalitätsmission geführt hat.
In der Gruppe ist’s am Schönsten
Und wenn ich von Loyalitätsmission spreche, dann sind wir schon bei der Crew, die meinen Scott Ryder begleitet (hier findet ihr ein Special zu den Charakteren). Zwar gibt es Gespräche, die direkt aus einem B-Movie stammen könnten, es gibt aber auch deutlich mehr Gekabbel und Interaktionen innerhalb der Gruppe, die das Miteinander lebendiger gestalten. Außerdem sind die neu kreierten Loyalitätsmissionen die besten der gesamten Reihen. Im Gegensatz zu Mass Effect 2 laufen diese nicht immer nach dem gleichen Schema ab, sondern ändern ihre Erzählstrukturen und zeigen wirklich spannende Hintergrundinformationen zu den Charakteren auf. Dabei kann es auch vorkommen, dass diese kleinen Geschichten über mehrere Etappen gehen und je nach Beziehungsstatus zur jeweiligen Figur anders weiter verlaufen. Doch nicht nur die Backgroundstorys sind sehr sehenswert, oft bieten die Loyalitätsmissionen auch gameplaytechnische Abwechslung, was sie zu einem absoluten Highlight von Mass Effect: Andromeda werden lässt.
Love is in the Air
Für Bioware schon selbstverständlich, gibt es natürlich wieder Romanzen zwischen Ryder und den CrewmitgliederInnen. Diese laufen aber ebenfalls nicht immer gleich ab, manche Charaktere haben schlicht keine Lust dazu mit Ryder zu schlafen. Andere hingegen wollen ihn sogar der eigenen Mutter vorstellen. Die austauschbare Sexszene, aus früheren Teilen mit der die Romanze dann abgeschlossen wird, gehört nun zum Glück der Vergangenheit an. Überhaupt sind die CrewmitgliederInnen so gut geschrieben, dass man diese in den ersten drei Missionen noch richtig hasst, sie ab Stunde 35 aber so richtig zu schätzen beginnt.
Schwarz, Weiß VS Rot, Grün, Gelb, Blau
Aber wie wird denn nun entschieden, ob Ryder überhaupt in die Nähe eines Liebesakts kommt? Richtig – Dialoge! Dabei streift man das Vorbild/Abtrünnigen-Korsett ab und verwendet jetzt Antwortmöglichkeiten, die sich nach rationalen, gefühlsbetonten, lässigen (“casual”) oder professionellen Antworten richten. Damit wird das klassische Gut VS Böse angenehm aufgelockert und es gibt mehrere Möglichkeiten, wie man sich in gewissen Situationen verhalten kann. Das ist auch gut so, denn Mass Effect: Andromeda knallt euch einige, schwierige Entscheidungen vor den Latz. Dabei nutzt das Spiel wiederum geschickt den Gedanken an die Eroberung neuer Welten, denn viele Dinge drehen sich um grundlegende Ressourcen, wie Trinkwasserversorgung und Überlebenskampf.
Die Abwechslung mach ich mir selbst!
Einen Überlebenskampf bot mir auch die erste Trilogie von Mass Effect und niemals werde ich die Schreie der drei gleichzeitig erscheinenden Banshees am Ende von Mass Effect 3 vergessen. Ich habe den dritten Teil damals am höchsten Schwierigkeitsgrad („Wahnsinn“) durchgespielt und so einen Moment des totalen Chaos, kann mir Mass Effect: Andromeda leider nicht noch einmal bieten. Die Kämpfe auf „Wahnsinn“ sind zwar immer noch äußerst knackig, die Abwechslung lässt aber zu wünschen übrig. Gegner, die eine ganz andere Taktik benötigen, gibt es kaum, wodurch ich mir selbst mit Abwechslung weiterhelfen musste und so den Skilltree erkundet habe. Es gibt noch immer die gleichen Bäume, bestehend aus Soldat, Biotik und Tech. Da ich aber keine Klasse wählen muss, kann mein Ryder alle möglichen Kombinationen ausprobieren, was wirklich Spaß macht. Am coolsten spielen sich dabei die Komboangriffe, die zuerst eine Attacke benötigen, um den Gegner richtig zu bearbeiten und einen Folgeangriff, wodurch z.B. die feindlich gesinnten Ketts in Flamen aufgehen oder in eine Biotik Nova eingesaugt werden. Außerdem spielt sich Mass Effect: Andromeda nun nicht mehr so „Gears-of-War-lastig“, denn mein Hauptcharakter geht ohne Knopfdruck automatisch hinter großen Gegenständen in Deckung. Für mich persönlich ist das weder Vor- noch Nachteil, zu Beginn ist aber noch nicht so klar ersichtlich, welches Objekt denn groß genug ist, um auch Deckung zu bieten.
Mass Effect: Andromeda Test-Fazit
Mass Effect: Andromeda ist technisch keineswegs einwandfrei, was besonders in den teilweise wirren Gesichtsanimationen gipfelt. Die zerstören die Erfahrung des Spiels aber nicht und machen es auch nicht aus. Mass Effect: Andromeda lebt von seinem ständigen Entdeckergedanken und den unendlichen Weiten, die das Weltall zu bieten hat. Damit gibt mir das Spiel ein Motiv an die Hand, für das ich mich wirklich interessiere und auch eine Mission, weshalb ich diese ganzen Gefahren (aber auch teilweise langweiligen Aufgaben) auf mich nehme. Mass Effect: Andromeda ist kein perfektes Spiel, aber die Erschließung neuer Welten und auch das Kennenlernen meiner Crew macht mir so viel Spaß, dass ich das Sci-Fi-Rollenspiel einfach nicht zur Seite legen möchte. Bioware lässt damit zwar noch Luft nach oben, startet mit der Andromeda Galaxie aber einen sehr sinnvollen und stimmigen Neuanfang. Ich fliege jetzt wieder weiter, denn ich muss auch noch die 589. Alientechnologie abscannen.