Paper Mario: Die Legende vom Äonentor Test (Switch): Nintendos RPG-Allzeitklassiker kehrt zurück
So richtig kann man Super Mario derzeit nicht mit Humor und Wortwitz verbinden. Paper Mario: Die Legende vom Äonentor (ein Remake vom GameCube-Titel aus dem Jahr 2004) bietet genau das!
Über Paper Mario: Die Legende vom Äonentor
Die offizielle Website zu Paper Mario: Die Legende vom Äonentor spricht eine ganz eigene Sprache. Schon auf den ersten Blick heißt es: Begib dich zusammen mit Mario und seinen Freunden auf die Suche nach dem legendären Schatz hinter dem Äonentor! Ein grandioses Abenteuer voller bunter Charaktere und blätterweise Spaß erwarten dich! Da kann man ja gar nicht anders, als das papierne Adventure gleich mal auszuprobieren – doch wer die übliche Kost von Super Mario-Titeln (reines Plattforming, rette Peach vor Bowser, alles außer Pilzen ist böse) erwartet, ist hier von Grund auf schief gewickelt. Denn dieses Game – ursprünglich 2004 für den GameCube entwickelt, erinnert ihr euch? – ist nun neu überarbeitet auf Nintendo Switch erschienen. Es handelt sich also strenggenommen um kein neues Spiel im Paper Mario-Universum, aber aufgrund des geringen Bekanntheitsgrads des Originals zählt es schon fast als solches.
Nun bekommen wir ein komplettes Remake des Games serviert: Da stellt sich die Frage, ist dieser Titel auch gut gealtert? Schon früh im Spiel, eigentlich in den ersten Sekunden, macht Paper Mario: Die Legende vom Äonentor mal einfach alles anders. Eure erste Begleitung ist nicht Toad oder Luigi oder Peach oder Bowser, sondern Gumbrina, ein Gumba. Richtig: Selbst vermeintliche Bösewichte bekommen in diesem Spiel Sprechrollen und wer mit Scheuklappen durch das Game geht, verpasst eine Vielzahl von lustigen Anspielungen und kleinen Easter Eggs. Auch, wenn es sich um einen Ableger von Paper Mario handelt, so müsst ihr das Spiel eher mit dem aktuell ebenfalls neu aufgelegten Super Mario RPG vergleichen: Hier wie da gibt es rundenbasierten Kampf und Strategie, geduldiges und zielgenaues Drücken auf Knöpfe zum passenden Zeitpunkt, und jede Menge Dialoge zum Durchlesen und Weiterklicken. Läuft!
Die ersten Momente
Da steht ihr also nun in der verruchten Stadt namens Rohlingen. Eigentlich ist Mario von Peach geholt worden, weil sie Hilfe von euch braucht, und zwar bei einer Schatzsuche. Praktischerweise hat sie euch die besagte Schatzkarte gleich mitgeschickt, und just, als ihr auftaucht, ist Prinzessin Peach verschwunden. Also macht ihr euch, so wie besprochen, auf die Suche nach dem Schatz, als ihr von den sagenumwobenen Sternjuwelen erfahrt. Nebenbei wird man sicherlich den einen oder Anhaltspunkt über den Verbleib der Prinzessin mitbekommen, oder etwa nicht? Um die Rollenspiel-Gruppe zu vervollständigen, braucht es natürlich Mitstreiter:innen. Deswegen begleiten euch am Anfang nach der generellen Einführung gleich mal Gumbrina, ein weiblicher Gumba, und der etwas mutlose Koopio, ein Koopa. So wild, wie sich dieser Absatz für Super Mario-Verhältnisse liest, bleibt es auch: Das Spiel steigt von da an nur noch aufs Gas.
Wie in Super Mario RPG und dem ersten Paper Mario (nicht der Origami King!) davor ist Die Legende vom Äonentor in Wahrheit eine Art Hybrid-Action-RPG. Wir können Welten erkunden und Charaktere wie in einem traditionellen RPG aufleveln, aber Kämpfe beinhalten auch einige Knopfdrucke zum richtigen Zeitpunkt oder komplettes Button-Mashing, je nach gewählter Technik. Mit einem rechtzeitigen Knopfdruck dürft ihr etwa mehr als einmal auf den Kopf eines Feindes springen oder eingehenden Angriffen durch Abblocken den Schaden reduzieren. Dies ist auf der einen Seite ein innovativer Twist für das in die Jahre gekommene Genre der rundenbasierten Rollenspiele, doch auf der anderen Seite kann es ein großer Hinderungsgrund für all jene sein, die davon nur genervt sind. Das Spiel macht jedenfalls einen tollen Job im Onboarding, und nach kurzer Zeit habt ihr die Grundmechaniken des Games zur Gänze verstanden.
Ganz wie damals, oder?
Was sich anfangs allerdings noch etwas fremd anfühlt, ist die ungewohnt hohe Textlastigkeit von Paper Mario: Die Legende vom Äonentor. Es gibt kaum ein Mario-Spiel, wo ihr euch nach 40 Minuten noch immer in Dialogen befindet – dieses RPG gehört jedenfalls stolz zu dieser Kategorie! Wenn ihr euch rasante Action und rasche Abwechslung erwartet, solltet ihr schon jetzt die Finger von diesem Spiel lassen. Dieser Ableger bietet euch viel Stoff zum Versinken, zum Lesen, zum Schmunzeln und auch mal zum Lachen. Aber wenn dieses Game etwas nicht ist, dann aktiv und für kurze Sessions geeignet! Zu tun gibt es jedenfalls genug, und das gemächliche Gameplay mit seiner Vielzahl von Charakteren und noch mehr Dialogen zwischen ebenselben stellen sicher, dass ihr lange Zeit mit diesem Spiel beschäftigt sein werdet. Doch abseits dessen hat sich einiges getan seit dem Original aus dem Jahre 2004:
- Neu arrangierter Soundtrack
- Artwork-Galerien, in denen ihr den Soundtrack sowohl der ursprünglichen als auch der neuen Versionen anhören könnt
- Sound-Galerien, in denen ihr Zeichnungen von Charakteren und Schauplätzen ansehen könnt
- Ein verbessertes Hinweissystem, das euch auf Wunsch stets einen Tipp geben kann
- Kampf-Coach: Dieser tapfere Toad ist stets bereit, alle Arten von Kampftipps zu geben
- Schnellreisen: Ein neuer Raum lässt euch schnell zu den Gebieten zurückkehren, die ihr bereits abgeschlossen habt
Erforschung und Kampf
Ihr lauft also durch Rohlingen und Umgebung, immer auf der Suche nach neuen Hinweisen oder gar den Sternjuwelen selbst. Da alles aus Papier besteht und ihr zu Beginn gleich mal einen Hammer bekommt, wisst ihr schon, was zu tun ist: Herumlaufen und überall, wo ihr hinkommt, für gehöriges Chaos sorgen! Der Koopa, der auf seine zerbrechliche Sammlung von Kleinoden stolz war, tut mir noch ein bisschen leid … Auf jeden Fall habt ihr zu jeder Zeit einen oder mehrere Begleiter:innen in eurer Gruppe, und sie alle haben eigene Kräfte. Der eine hat den Hammer ausgepackt, die nächste kann für Windstöße sorgen: Es geht ziemlich rund in Paper Mario: Die Legende vom Äonentor! Im Laufe dieser Abenteuergeschichte erlebt ihr vieles. Sei es Kampfspaß in der Arena von Falkenheim, Schiffswrack-Schabernack auf einer verlassenen Insel oder gar eine wahnwitzige Mission zum Mond, komische Momente warten an jeder Ecke!
Genauso an jeder Ecke warten allerdings die Kämpfe, die ihr entweder selbst initiieren könnt, oder wenn Not am Mario ist, dürft ihr ihnen durch Weglaufen auch ausweichen. Besonders gut ist es, wenn ihr mit Mario am Steuer die herumlaufenden Feinde mit dem Hammer erwischt, weil ihr auf diese Weise einen Freischlag spendiert bekommt – gerade im rundenbasierten Kampf ist das eine ganz gute Sache! Danach wechselt ihr euch ab, zuerst seid ihr an der Reihe, und dann die Gegner. Entscheidet euch für eine Technik und führt sie nach den Anweisungen aus, und das Ganze geht so lange, bis eine Gruppe aufgibt. Cool ist auch die Mechanik mit den Zuseher:innen: Alles spielt sich auf einer Bühne ab, und das Publikum kann hier sowohl direkt als auch indirekt ins Geschehen eingreifen. Das verleiht dem Kampf in Paper Mario: Die Legende von Äonentor noch ein bisschen Würze! Und ab und an werdet ihr auch verflucht…
Ein wahres Rollenspiel
Diese Flüche sind aber nichts Schlimmes, sondern in Wahrheit nur Formwandlungen für euren papiernen Mario. Den ersten, den ihr abbekommt, lässt euch auf speziellen Plattformen nach einem Knopfdruck zum Papierflieger werden! Das ermöglicht es euch natürlich, so Strecken im Flug zurückzulegen – nur mit einem etwas fordernden Minispiel kombiniert, das Ungeübte schon mal verzagen lässt. Apropos Minispiel: Auch in den rundenbasierten Kämpfen kommt es dann und wann mal vor, dass ihr plötzlich mit einem Frage-Antwort-Quiz oder einer Runde Glücksspiel konfrontiert werdet. Bestmöglich wäre es, wenn ihr bei Paper Mario: Die Legende vom Äonentor stets das Unerwartete erwartet, denn dann überrascht euch nichts mehr – wobei, sogar dann würde es dieser Nintendo Switch-Titel schaffen. Neben der Dialog-Last und dem Durchackern einer jeden Abart von Humor gibt es aber auch ganz gewöhnliche Qualitäten.
Denn so, wie man es vielleicht schon aus dem Super Mario RPG kennt, sammelt ihr mit jedem Kampf Erfahrungspunkte, hier heißen sie halt anders. Habt ihr 100 von ihnen gesammelt, steigt euer Hauptcharakter – richtig, Mario – um eine Stufe auf, und ihr dürft eine Entscheidung treffen. Entweder steigert ihr die Anzahl eurer maximalen Herzen, ihr treibt die Höchstgrenze der Blumenpunkte (die Aktionspunkte in Paper Mario: Die Legende vom Äonentor) nach oben oder ihr ermöglicht es euch selbst, durch das Erhöhen der Ordenspunkte mehr Orden anzulegen. Diese gilt es nämlich im Verlauf des Spiels zu finden, und wenn ihr sie anlegt, bekommt ihr Boni spendiert. Sie reichen von passiven Verbesserungen wie “mehr Ausweichen, wenn unter 5 Lebenspunkten” über Statussteigerungen wie “Lebenskraft +10” bis hin zu stärkeren Attacken, die ihr im Austausch gegen die Blumenpunkte vollführen dürft.
So viel zu sagen
Als allerletztes Detail, was den Kampf betrifft, gibt es noch die Sternenkraft. Anfangs könnt ihr sie nur für eine Sache nutzen, und zwar, um ein Minispiel für die zufällige Heilung eurer Charaktere und Blumenpunkte auszulösen. Das hilft Mario und der von euch gewählten Begleitung manchmal gut über die Runden, und es empfiehlt sich, sie eigentlich stets zu verwenden, wenn ihr sie braucht. Denn jede Aktion und jede Runde in Paper Mario: Die Legende vom Äonentor bringt euch Respekt vom Publikum und daher solche Sternenkraft-Punkte ein, mit denen ihr eure Sternenkraft wieder auffüllen könnt. Falls all das jetzt miteinander so klingt, als wäre es viel: Keine Sorge, das Spiel leitet euch diesbezüglich ganz wortreich an und lässt euch – ein Relikt aus der Vergangenheit! – auch Tutorials gleich, nachdem ihr sie gehört habt, erneut wiederholen, damit ihr sie ja verstanden habt. Diese Funktion habe ich niemals genutzt.
Ja, Paper Mario: Die Legende vom Äonentor hat euch einiges zu sagen, und das ist wirklich ein zweischneidiges Schwert. Während ich an manchen Abenden den vielfältigen Humor goutieren konnte, war es an anderen Zeitpunkten fast schon ein Gräuel, mich durch so viel Text klicken zu müssen. Und, um das Thema aufzugreifen: Ja, das Spiel läuft grundsätzlich mit 30 Bildern pro Sekunde ab. Das ist leider Sub-Standard im Jahr 2024, und natürlich ist das der mittlerweile älteren Hardware der Nintendo Switch geschuldet, so sagt man. Aber: Es ist einfach seltsam zu sehen, dass ein Spiel heute langsamer läuft als vor 20 Jahren auf dem GameCube, besonders wenn Nintendo 60 Euro für das aktuellere Erlebnis verlangt. Dem muss man wiederum gegenüber halten, dass so gut wie jeder Aspekt des Spiels grundlegend überarbeitet wurde, und die kommende Switch 2 – schließlich in der gleichen Bauart wie die jetzige – soll das Game in 4K-Auflösung laufen lassen können. Yay!
Die Technik der Legende vom Äonentor
Man muss es einfach sagen: Selbst, wenn ihr das Original in- und auswendig kennt, ist Paper Mario: Die Legende vom Äonentor es definitiv wert, dass ihr es euch noch einmal anseht. Die Grafiken sind reichhaltiger und detaillierter, mit schärferen Sprites und Beleuchtung, die die Umgebungen so richtig lebendig machen. Vermeintliche Kleinigkeiten wie Lichtspiele und Spiegelungen fügen sich so nahtlos ins Gesamtbild ein, dass es mühelos wirkt – aber die Aufmachung ist trotz des Papier-Looks oft nahezu atemberaubend. Nicht nur das, auch dem Soundtrack des Spiels wurde neues Leben eingehaucht, um weniger nach Chiptunes und MIDI-Samples zu klingen. Wollt ihr die Originalklänge aus der GameCube-Ära hören, ist das natürlich möglich, ihr müsst es euch nur zuvor verdienen.
Was die Steuerung des Titels angeht, so gibt es dazu zwei Punkte zu erwähnen. Einerseits ist Paper Mario: Die Legende vom Äonentor ein Rollenspiel, und sowohl in den Dialogen wie auch bei diversen Einstellungen und Kämpfen funktioniert alles hervorragend. Da gibt es keinen Zweifel, alles ist simpel gehalten und ihr benötigt in den allermeisten Fällen immer nur einen Knopf zum Spielen – das schaffen alle. Doch so viel ist in diesem Game mit dem richtigen Timing verbunden, sei es der Papierflieger-Fluch, so gut wie jede Attacke im Spiel oder auch das Nutzen der Kräfte eurer Mitstreiter:innen. Das macht den Titel unnötig schwieriger, und mit 30 Bildern pro Sekunde fühlt es sich oftmals so an, als müsstet ihr den Knopf bereits einen Tick früher drücken. Natürlich könnt ihr euch daran anpassen, keine Frage, aber für Wenigspieler:innen ist es ein potentieller Frustmoment, der sich mit Fortdauer des Spiels immer wiederholt.
Das Fazit: Grandioses RPG mit Ecken und Kanten
Man mag es, oder man mag es nicht. Paper Mario: Die Legende vom Äonentor streitet seine Wurzeln aus dem Jahre 2004 absolut nicht ab und hält an allem fest, was es damals zum besten Spiel seiner Serie gemacht hat. Sowohl der Humor in jeder Situation, die abgedrehten Charaktere, die vielen Mini- und Mikrospiele und auch der Umstand, dass ihr während des Spiels kaum an der Hand gehalten werdet, machen es eigentlich unmöglich, den Titel mal so eben nebenbei zu zocken. Er fordert eure volle Aufmerksamkeit, und dafür werdet ihr reichlich belohnt: Das Spiel sieht dank seiner kreativen Umsetzung zauberhaft aus, sorgt für jede Menge Abwechslung und so manche Lacher, es gibt immer wieder Andeutungen und Easter Eggs für Fans, und das grundsolide Rollenspiel wird von der Story gut vorangetrieben. Nicht umsonst wurde das Spiel als Meisterwerk gehandelt, und 20 Jahre später verdient es diesen Status nach wie vor.
Doch es gibt Einschränkungen: Die überbordende Textlast kann ermüdend bis abtörnend wirken, und wer mit den Super Mario RPG-mäßigen Timing-Einlagen (auch wegen der 30 fps-Grenze) nicht warm wird, wirft schnell das Handtuch. Hier sei also ein Probespielen angeraten, bevor ihr euch für den Griff zum Vollpreistitel um 60 Euro entscheidet. Aber wer diesen Sprung wagt und sich das Game – möglicherweise zum zweiten Mal – holt, wird nicht enttäuscht. Dieser Titel ist wahrlich gut gealtert, nach wie vor strotzen die Charaktere vor Individualität, die kreativen Umgebungen und der Papier-Look werden von Nintendo perfekt umgesetzt, als Fan kann man gar nicht anders, als dem Spiel mit einem großen Lächeln zu begegnen. Paper Mario: Die Legende vom Äonentor kommt genau zur rechten Zeit auf die Nintendo Switch, und da sich die Remakes gerade häufen, ist es nicht vermessen, sich auf einen echten Nachfolger zu freuen.