Rakuen (PC) im Test: Pixeliger Gefühlstrip
Ein Junge liegt im Krankenhaus und lernt die PatientInnen um sich herum näher kennen. Rakuen erzählt die Geschichte aus der Perspektive, wie es sich anfühlt, mit einer Krankheit geschlagen zu sein. Das Adventure hat es in sich – lest den Test! Zur offiziellen Website des Spiels geht es hier.
Gleich vorweg: Von Rakuen habe ich nur am Rande etwas mitbekommen. Ich wusste zwar, dass es in gewissen Kreisen einen Riesenhype darumgab, aber wieso das so war? Keine Ahnung. Das war Grund genug für mich, mir Rakuen zu holen und selbst anzutesten. Aber hätte ich vorher gewusst, was mich da erwartet, wäre das erzählerische Spiel weitaus nicht so effektiv gewesen. Daher wird dieses Review (wie alle anderen auch) bewusst spoilerfrei gehalten und die Story bewusst vage belassen.
Rakuen holt euch ab und haut rein
Die Geschichte beginnt, indem ihr den namenlosen Protagonisten kennenlernt. Warum er im Krankenhaus sein muss, ist unbekannt. Wie lange er dort bleiben muss? Man weiß es nicht. Ihr werdet bewusst allein gelassen und ihr bestreitet die ersten Minuten voller Fragen. Die klinische Welt ist etwas kühl gehalten, und ihr knüpft die ersten zarten Bande. Ihr holt euch euer geliebtes Buch zurück, ihr helft PatientInnen und klärt sogar einen Diebstahl auf.
Doch alles verändert sich, als eure Mutter zu Besuch kommt. Sie liest euch aus eurem Lieblingsbuch Rakuen vor, und danach habt ihr eine Idee. Da eure Mutter eine positive und unterstützende Person ist, ermöglicht sie diese im Handumdrehen. Gemeinsam beginnt ihr eine Reise, um dem Jungen einen Wunsch zu erfüllen. Er will nach Rakuen, und um das zu bewerkstelligen, gilt es, in Morizora‘s Forest Aufgaben zu erfüllen.
Ohne zu viel verraten zu wollen: Ihr springt zwischen der Welt des Krankenhauses und der Welt von Rakuen hin und her. Durch gewisse Tore gelangt ihr immer an andere Stellen in der Umgebung. Eine Karte gibt es nicht, es bleibt also euch und eurem Hirnschmalz überlassen, ob ihr euch zurechtfindet. Allzu fordernd gibt sich das Game hierbei aber nicht, ihr müsst also keine Ausbildung in Sachen Orientierung besitzen.
Alles ist verbunden – und das ist gut
Euch fällt früh im Spiel auf, dass sowohl die beiden Welten, aber auch die Charaktere irgendwie miteinander zu tun haben. Was ihr in der einen Welt anstellt, hat einen Einfluss auf die andere. So bekommt Rakuen einen leichten Touch von Life Is Strange, ohne jedoch an dessen Entscheidungsvielfalt heranzureichen. Rakuen ist ein lineares Abenteuer, was sicherstellt, dass ihr die Dinge genau so erlebt, wie es Laura Shigihara beabsichtigt.
(Falls ihr es nicht mehr im Kopf habt: Laura Shigihara ist verantwortlich für den Endsong von Plants vs. Zombies, aber auch für die Musik in To The Moon.) Das Spiel wird gerne mit To The Moon verglichen, aber auch mit Maniac Mansion und The Legend of Zelda: Link to the Past. Obwohl Rakuen keinerlei Kampf beinhaltet, verstehe ich nach dem Spielen schon, wieso diese Vergleiche gezogen werden. Die Rätselpassagen können hier schon gut mithalten!
Im Verlauf des Spiels taucht ihr also unter Zeitdruck durch Räume, legt Schalter um, löst Puzzles und findet verstreute Murmeln. Letztere bringt ihr eurer Lieblingsmitpatientin Sue, die zu jeder Murmel eine eigene Geschichte erzählen kann. Falls ihr einmal nicht um die Burg weiterkommt, könnt ihr jederzeit eure Mama fragen. Sie gibt euch zwar einen kleinen Hinweis, aber begreifen und den richtigen Ort finden müsst ihr dann wiederum selbst.
Einfach gehalten, aber einfach großartig
Rakuen hält eure Hand nur zweckmäßig, ihr seid also immer ein bisschen gefordert. Das wirkt jedoch sehr gut, denn dadurch, dass ihr stets mit dem Geist dabei sein müsst, merkt ihr euch kleine Dinge in der Regel besser. Bei jedem Gespräch mit allen PatientInnen achtet ihr auf Details. Was will der grumpfige Tony? Wieso ist Winston so traurig? Warum gibt Sue ihren Murmeln Namen? Kann der Wächter des Waldes dem namenlosen Jungen wirklich helfen? Und was verbindet alle PatientInnen überhaupt?
Die Optik ist pixelig und einfach gehalten. Da Rakuen mit dem RPGMaker-Tool erstellt wurde, ist das auch klar – die gezeichneten Porträtfotos geben dem Game aber unendlich viel mehr Charme mit, als man es vermuten würde. Die Animationen sind zweckmäßig, viel technische Finesse dürft ihr in grafischer Hinsicht nicht erwarten. Alle Gegenstände sind aber gut gekennzeichnet und ihr kommt gut zurecht, wenn ihr euch bei der Orientierung auf eure Augen verlasst. Die unterschiedlichen Umgebungen wirken gut und bleiben lange im Gedächtnis haften.
Das ist aber nichts im Vergleich zur Soundabteilung. Die Hintergrundmusik erinnert teilweise im positivsten Sinne an Stardew Valley, mit eingängigen Tunes wurden verschiedene Bereiche untermalt. Das Hauptziel des Spiels ist es jedoch, fünf Teile eines Liedes zu sammeln, mit dem ihr den Hüter des Waldes erwecken könnt, damit der Wunsch des Jungen erfüllt werden kann. Was sich am Anfang noch schwer nach Kitsch anhört, kommt im Verlauf des Games immer wieder, um euch einen gewaltigen Hieb in die Magengrube zu versetzen. Auch sonst wird gesungen – hier macht das Game alles richtig.
Fazit: Rakuen ist Pflicht für Gefühlsfans
Was mir an Rakuen besonders gut gefällt, ist, dass die Geschichte keine losen Enden offen lässt. Alles ist abgeschlossen, jede Kleinigkeit wird mehr oder weniger subtil erklärt, und eure Gefühlswelt am Ende schwer in Mitleidenschaft gezogen. Jeder Text sitzt, und egal, ob euch ein Charakter gefällt, nervt oder egal ist: Alles hat seinen Sinn. Ich dachte mir zwischendurch schon mal „oh Gott, nicht er/sie schon wieder“ – aber genau so ist es geplant und rüttelt euch teils sehr kräftig durch.
Zwischendurch kann Rakuen ein wenig zäh wirken. Die Rätselpassagen werden mit Fortdauer des Spiels länger und komplexer, ohne überfordernd zu werden. Bremsen tun diese den Spielfluss allerdings, und ich persönlich hätte gerne die Geschichte teils schneller erzählt bekommen. Gut Ding braucht jedoch Weile, und Rakuen nimmt sich gerne Zeit. Dafür dürft ihr euch drauf verlassen, dass alle PatientInnen ihren fairen Anteil an Zeit bekommen. Ihr lüftet Geheimnisse, bringt Familien zusammen und tut, was ihr könnt.
Rakuen fühlt sich im Nachhinein besehen wie ein langer Build-up an, der ab der Hälfte des Spiels beginnt, so richtig auszuteilen. Das Ziel sind immer eure Gefühle. Manche Schläge seht ihr von weitem kommen und sind vielleicht keine große Überraschung, aber ein, zwei fiese Schwinger sind dabei, die euch komplett aus dem Off erwischen. Den Griff zum Taschentuch konnte ich mir dabei nicht verkneifen. Für ein Spiel, das etwa sieben bis acht Stunden dauert, ist das bemerkenswert. Wiederspielwert besitzt Rakuen nur bedingt, aber mir reicht diese eine Reise, an die ich mit einem Lächeln zurückdenke und euch wärmstens empfehlen kann.