Snowpiercer (DVD) im Test
Als Human Torch und Captain America kennen ihn die filmbegeisterten Massen, aber auch als Curtis im Sci-Fi-Geheimtipp Snowpiercer zeigt Chris Evans seine schauspielerischen Qualitäten. Eine Rezension „from tail to front“.
Facts
- Genre: Sci-Fi/Action
- Vertrieb: Ascot Elite
- Regie: Bong Joon Ho
- Release: 23. September 2014
Worum geht’s?
In einem postapokalyptischen Setting rauschen die letzten überlebenden Menschen in einem überlangen Zug durch die lebensfeindliche Kälte, die unseren Planeten anno 2031 umhüllt. Seit 18 Jahren fristen jene im hinteren Teil des Zugs ein elendes Dasein, während es in der Front-Sektion an keinem Luxus mangelt. Und wie in jeder Zweiklassengesellschaft brodelt der Konflikt so lange, bis das Pulverfass auf Schienen hochgeht. Angeführt von Curtis machen sich die PassagierInnen der „Zweiten Klassen“ auf den Weg an das andere Ende des Zuges. Dort finden sie die ewige Maschine und mehr als ein schreckliches Geheimnis. Doch in der Menschheit dunkelster Stunde bleibt wie so oft nur Pandoras letzte Gabe: Hoffnung.
Bild & Ton
Anspruchsvolles Kino kommt heutzutage nur noch selten aus Hollywood. Die ewig gleiche Actionkost aus dem Stechpalmenwald lockt zwar immer noch die Massen in die Lichtspielstätten, doch die wahren Perlen des Genres kommen schon lang nicht mehr aus den US of A. Einen eindrucksvollen Beweis legt diesbezüglich auch die Verfilmung der Graphic Novel Schneekreuzer ab. Handwerklich lässt sich Snowpiercer nichts zuschulden kommen. Zwar erspart sich die filmische Zugfahrt die handelsübliche Überdosis Special Effects, dafür begeistert sie mit bedrückender optischer Authentizität: ein Blick aus dem Fenster, eine schwebende Schneeflocke, ein brutaler Kampf in Nachtsichtgerät-Perspektive – unmerklich zu einem fesselnden Gesamtbild komponiert.
Ein sparsam eingesetzter Soundtrack tut sein Übriges, um dieses Gesamtbild akustisch zu untermalen. Statt knüppelharter Gitarren begleitet sanfte, manchmal verstörende Klassik die brutalsten Szenen des Films – nie aufdringlich, aber oft einen schalen Beigeschmack hinterlassend. Die Musik trägt so maßgeblich dazu bei, dass die blutig in Szene gesetzten Gewaltdarstellungen keine „Hulk smash“-Euphorie hervorrufen, sondern die ZuseherInnen mit einem beklemmenden Gefühl der Sinnlosigkeit zurücklassen.
Extras
- Trailer, Kinotrailer und Teaser
- Making-of
- Making-of-Spot
- Animierter Clip
Zusammenfassung
Um den Faden der Tonarbeit hier gleich wieder aufzunehmen, empfehle ich an dieser Stelle die englische Originalvertonung. Zwar ist die deutsche Fassung wider Erwarten grundsolide, doch verliert auch Snowpiercer wie die meisten anderen Filme und Serien in der Übersetzung an Ausdrucksstärke. Sonst bleiben neben großem Lob nur einige wenige Kritikpunkte: Es bleiben in Bezug auf die Ausgestaltung des „eternal trains“, wie der letzte Zug der Menschheit genannt wird, einige Geek-Fragen offen. Dass diese in einem 120-Minuten-Film einfach nicht zur Gänze zu beantworten sind, ist eine plausible Erklärung, aber eben nur ein schwacher Trost. Snowpiercer – Die Serie in derselben Besetzung würde hier als Prequel großartig Abhilfe schaffen *zwinker*.
Begeisterung löst der Film hingegen vor allem durch die kurzweilige Handlungsabfolge, die Aufarbeitung des Umgangs mit absoluter Macht, den durch Klaustrophobie induzierten Wahnsinn und die eine oder andere unerwartete Wendung aus. Daneben überzeugt die Auswahl der SchauspielerInnen auf ganzer Linie. Von Chris Evans als Antiheld Curtis bis hin zu Ed Harris als halbwahnsinnigen Lokführer der Menschheit finden zahlreiche bekannte Gesichter gekonnt in ihre jeweilige Rolle. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß auf dem Weg an die Spitze des Zuges bis zur Unkenntlichkeit. Spätestens das emotionale Bekenntnis des Protagonisten „I know what people taste like“ sorgt diesbezüglich für gemischte Gefühle.
Nach circa zwei Stunden bleibt die Gewissheit, einen der besten Sci-Fi-Actionfilme der letzten Jahre gesehen zu haben. Snowpiercer ist meiner Meinung nach eine der positiven Überraschungen des vergangenen Jahres und sollte in keiner gut sortieren Action-DVD-Sammlung fehlen. Vielleicht nichts für den klassischen Sonntagnachmittag, ist die postapokalyptische Zugreise jede Minute Aufmerksamkeit wert. In diesem Sinne: „The engine is forever.“