Taktik, Wahnsinn & Statistik – Darkest Dungeon im 60h+ Test
Das rundenbasierende Gothic-Rollenspiel aus den Red Hook Studios ist seit 19. Jänner auf der Nintendo Switch verfügbar und meine Wenigkeit war direkt mit von der Partie. Ich irrte seitdem durch dunkle Ruinen, gespenstische Buchten, verderbte Felder, bröckelnde Tunnel und – nicht zuletzt – das Darkest Dungeon selbst. Dieses Lovecraft-eske Strategie-RPG hat viele (ernsthaft… viele!) Vorzüge und in meinen Augen eine Schwachstelle. Doch vorweg ein paar Worte zur Story.
Die Sünden des Vaters
Was auch der Titel des aktuell erschienenen Far Cry 5 sein könnte, fasst die Story von Darkest Dungeon recht treffend und spoilerfrei zusammen. Zu Beginn des Spieles befindet man sich in einer Kutsche auf dem Weg zum (selbst benennbaren… ganz genau… Wayne Manor) Anwesen seines Vorfahren, der dort ein Chaos hinterlassen hat, auf das selbst der große Gatsby nicht mehr stolz wäre. Von Banditen über Hexen, Monster und Dämonen ist alles dabei und unser Job ist es, das Anwesen unserer Familie und dessen Umgebung zu reinigen und wieder zu Glanz zu verhelfen. Die „juicy details“ der diversen Ausschweifungen, Experimente und Grausamkeiten, die sich unser Vorfahre dabei zu Schulden kommen ließ, werden dabei aus dessen Tagebuch an den passenden Stellen erzählt.
“Mortality clarified in a single strike!”
Üblicherweise würde ich nach einem Story-Überblick mit dem Gameplay (dem Herz eines Games) fortfahren, aber da wir gerade beim Erzähler waren, ziehe ich Sound, Voice und Music vor. Und mit gutem Grund, denn Darkest Dungeon sollte, wenn irgend möglich, unbedingt in englischer Originalsprache und mit Kopfhörern (und am besten in einem dunklen Raum) gespielt werden. Damit kommt die fantastische Arbeit des Voice Actors Wayne June vollends zur Geltung und die ominöse Hintergrundmusik entfaltet ihre Wirkung. Zwischen der Wortwahl, die an ein Edgar-Allen-Poe-Gedicht erinnert, bis hin zur makellosen Intonierung Junes und den ebenfalls großartig umgesetzten Soundeffekten entsteht ein dichtes schauriges und einzigartiges Ambiente.
Damit ihr einen Eindruck davon bekommt, hier meine (ebenfalls spoilerfreien) Top 3-Lieblings-Zitate:
- “Remind yourself that overconfidence is a slow and insidious killer.”
- „As life ebbs, terrible vistas of emptiness reveal themselves.”
- “These nightmarish creatures can be felled, they CAN be beaten.”
Vorbereitung, Taktik… und Dark Souls? It’s complicated.
Eines muss direkt aus dem Weg geräumt werden: Darkest Dungeon ist NICHT das Dark Souls der rundenbasierenden Rollenspiele. Doch dazu in Kürze.
Wie funktioniert das Game also? In Darkest Dungeon werden diverse HeldInnen von der Spielerin/dem Spieler angeheuert, um die vier Areale (Ruins, Warrens, Weald und Cove) und das “Darkest Dungeon” von Ungeheuern, Kultisten & Co. zu reinigen und das Wayne Manor wieder auf Vordermann zu bringen. Die Missionen werden dabei in die Schwierigkeiten „Apprentice“, „Veteran“ und „Champion“ eingeteilt und das „Darkest Dungeon“ stellt eine eigene für Level 6 HeldInnen gedachte Schwierigkeit dar. Im Vanilla-Game gibt es 15 Klassen an HeldInnen mit jeweils eigenen Fähigkeiten, die es optimal zusammenzustellen gilt. Dabei gibt es alles vom Crusader-Tank, Highwayman-Rogues bis hin zu den Vestal-Heilerinnen. Mein persönlicher Favorit: Der sichelschwingende, lautenspielende blutrünstige Jester.
Mit mehr Erfahrung steigen die Charaktere in ihrem „Resolve-Level“, das den Stress-Widerstand ausmacht. Level-Cap ist 6. Erreicht der Stress in einer Mission 100 Prozent, so hat die Figur eine von ihren Werten abhängige Chance entweder einen positiven Virtue (eine Tugend, z.B. Courageous/Mutig) oder eine negative Affliction (ein Leiden, z.B. Hopeless/Hoffnungslosigkeit) zu entwickeln. Wie ihr euch vorstellen könnt, ist eine sich selbst verletzende Heilerin für eine Mission fatal. Erreicht der Stress 200 Prozent, kommt es zum Herzinfarkt und die HP sinken auf 0. Das Stresslevel und die Zustände halten an, bis die HeldInnen im Wayne Manor behandelt wird und sich vom Stress erholt.
Über das Resolve-Level hinaus, können Ausrüstung und Fähigkeitsstufen für Gold upgegradet und außerdem je zwei Items pro HeldIn ausgerüstet werden, um deren Fähigkeiten in eine bestimmte Richtung zu lenken. So kann der zaubernde Okkultist z.B. je nach Fähigkeitszusammenstellung und Items massiven Schaden austeilen oder dank seiner dunklen Experimente auch ein effizienter Heiler sein (oder irgendetwas in der Mitte). Da bestimmte Fähigkeiten nur von bestimmten Positionen in der Gruppe genutzt werden können, spielt auch die Aufstellung des Teams eine große Rolle. Insgesamt ergibt sich damit große taktische Tiefe, die gute Vorbereitung und Gruppenplanung belohnt.
Doch zurück zu Dark Souls: Die Besonderheit der Soulsborne Games ist es, dass nicht das Charakter-Level und Equipment alleine über den Erfolg entscheiden, sondern Player-Skill den entscheidenden Unterschied zwischen Leben und Tod macht und die Spielerin/der Spieler damit der Hauptcharakter ist. Die SpielerInnen können einen Gewissen Nachteil an Level also mit eigenem Skill wett machen. Und hier kommen wir zu der einen Schwachstelle, die Darkest Dungeon aus meiner Sicht hat.
Fortuna und die Statistik
Nach über 60 Stunden Spielzeit und viel Planung von mehreren gut abgestimmten Gruppen gelang es mir dennoch wiederholt mit Lvl 6 Teams an Champion Missionen zu scheitern. Hier ist das Problem: Das Pech schlägt schneller zu, als man reagieren kann (oder deine HeldInnen an die Reihe kommen) und unsere Heilerin wird von vier Gegnern attackiert. Ihre Gesundheit fällt auf 0. Doch keine Sorge. Mit 0 Gesundheit steht die Heldin nach wie vor und hat mit jedem weiteren Schaden eine gewisse Chance, den endgültigen Tod zu sterben.
Die Heilerin ist Level 6 und hat ein Item ausgerüstet, das diese Chance vermindert. Wir sollten also überleben, bis sie sich selbst heilen kann. Dann kommt sie an die Reihe, der Schaden aus dem Blutungs-Effekt, den eine Attacke ausgelöst hat schlägt an und keine Vorbereitung, kein Item des Spiels schützt uns vor der grausamen Statistik. Denn wir sehen die gefürchteten Worte „Death Blow!“. Das alles passiert, ohne dass die SpielerInnen dabei in irgendeiner Weise einschreiten können und dummerweise sind Champion-Missionen (und erst recht das “Darkest Dungeon”) mit nur drei HeldInnen kaum bis nicht zu schaffen.
Diese Art der Entwaffnung der SpielerInnen, trotz aller Vorbereitung, kann mitunter durchaus zu Frust führen und hat bei mir mehr als einmal bewirkt, dass ich das Spiel ein paar Tage ruhen lies. Aber wer weiß. Vielleicht ist Fortuna auch einfach nicht mit mir.
Harte Linien, tiefe Schatten
Wie ihr inzwischen gesehen habt, pflegt Darkest Dungeon einen abstrakten Comic-Artstyle. Ein Stil wie dieser ist natürlich Geschmackssache, aber dennoch lässt sich nicht darüber streiten, dass sowohl Charaktere, Antagonisten und Backsets trotz aller Abstraktion ein stimmiges Gefühl vermitteln.
Die Details in den Zeichnungen erwecken einen vom Leben mitgenommenen Eindruck und passen einfach wunderbar ineinander. Darüber hinaus war ich regelmäßig davon beeindruckt, wie Bewegung in diesem auf den ersten Blick statischen Stil umgesetzt wurde: Ein gehender Charakter bewegt Arme und Beine als wäre es eine aus Papier ausgeschnittene Zeichnung, doch wirklich gut gemacht sind die verschiedensten Moves in Kampfsituationen, bei denen an Variabilität nicht gegeizt wurde.
Insgesamt ein einzigartiger Stil, der dem Spiel viel Wiedererkennungswert gibt, das Auge (dieses Comic-Liebhabers) laufend erfreut und mit hohem Abwechslungsreichtum überrascht.
Darkest Dungeon Testfazit
Der Game-Loop dieses düsteren und harten RPGs birgt ohne jede Frage Suchtgefahr und die 60+ Stunden, die ich mit dem Titel auf meiner Switch verbrachte, vergingen wie im Flug. Trotz leichter Frustgefahr (ja, ich habe geflucht) ist das Gameplay ausgereift, das Design perfekt passend auf das Spielerlebnis abgestimmt und es juckt mich regelmäßig in den Fingern, das Spiel wieder aufzunehmen. Diese Aspekte, getoppt von der fantastischen Arbeit des Sound und Voice Teams, bringt mich zu einer Wertung von …