Grand Budapest Hotel (Kino) im Test
Wenn es einen Anlass gibt, der mich, einen ausgewiesenen Langschläfer, motiviert aus dem Bett schnellen lässt, dann ist es die Aussicht zu früher Morgenstunde Qualitätskino in Form einer Pressevorführung des Films Grand Budapest Hotel zu genießen. Vor allem, da Wes Anderson, der Mann hinter dem kontinentalen Frühstücksfilm, dafür bekannt ist, dass sich sein non-konformes Märchenkino durch Geschmack und Textur angenehm vom Hollywood-Einheitsbrei abhebt.
Wes Anderson zum Frühstück
Der Film erzählt die Geschichte eines dynamischen Duos, das im Europa der 1930er-Jahre ungewollt in ein Netz aus Mord, Intrigen und aufkeimender Fremdenfeindlichkeit verwickelt wird. Ein gealterter Monsieur Moustafa (F. Murray Abraham) nimmt dabei im mintgrünen Ambiente der frühen 1970er-Jahre die Rolle des Märchenonkels ein und erzählt einem jungen Autor (Jude Law) beim Abendessen die Geschichte seines Lebens. Ihren Ausgang nehmen die Ereignisse damit, dass der junge Zero Moustafa (Tony Revolori) als Lobby-Boy im Grand Budapest Hotel anheuert.
Ein Concierge zum Verlieben
Den exzellenten Ruf, den das Haus zu dieser Zeit genießt, hat es zu einem großen Teil dem mit der Pferdepeitsche herrschenden Chef-Concierge Monsieur Gustave (Ralph Fiennes in Arroganzhöchstform) zu verdanken. Da Zero schnell lernt, worauf es beim Bedienen der betuchten Gäste ankommt, entwickelt sich so etwas wie eine professionelle Freundschaft zwischen ihm und dem eitlen Schwerenöter Gustave. Dessen Schwäche für alte Damen bringt den Filou schließlich auch in Schwierigkeiten. Als Madame D. (Tilda Swinton), eine seiner liebsten Anbeterinnen, in ihrem Herrenhaus verstirbt, macht er sich zusammen mit Zero sofort auf, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Leider wird seine noble Geste von den Verbliebenen der Madame gar nicht gewürdigt. Zu allem Überfluss stellt sich bei der Testamentsverlesung dann auch noch heraus, dass sie Gustave das wertvolle Renaissancegemälde „Jüngling mit Apfel“ vermacht hat. Nach einer Auseinandersetzung mit Dimitri (Adrien Brody), dem wütenden Sohn der Madame, entwenden Gustave und Zero kurzerhand das fragliche Bild und suchen das Weite. Was folgt, ist ein temporeiches, amüsantes und spannendes Katz-und-Maus-Spiel vor dem Hintergrund des ausbrechenden 2.Weltkriegs.
Fiennesabrahambrodydafoeswintonnorton …
Auch wenn sich die Besetzungsliste wie ein Auszug aus dem Telefonbuch von Beverly Hills liest, ist Grand Budapest Hotel weit mehr als ein uninspiriertes Cash-in-Projekt, das ein Dutzend Stars vor den Marketingwagen spannt. Neben Fiennes, der dem schrulligen Concierge eine dezente Aura melancholischer Nostalgie verleiht, glänzen auch Brody und Dafoe als „gruftiesque“ Bösewichte.
Das Urteil
Was den Film neben der Liste an erstklassigen SchauspielerInnen – es sind zu viele, um sie wirklich alle aufzuzählen – vor allem auszeichnet, ist der für Wes Anderson typische skurrile Mix aus fantasievollem Märchen und düsterer Komödie. Auch die kunstvoll überzeichnete Gestik und Mimik, die einer Liebeserklärung an den Stummfilm gleichkommt, die traumhaft pittoresken Sets und die Kameraführung, deren Geometrie und Exaktheit jeden Bildausschnitt zu einem Gemälde werden lassen, tragen ihren Teil dazu bei, Grand Budapest Hotel zu einem Film zu machen, der erfrischend anders als die übliche Hollywoodkost ist. Eine der großen Stärken Andersons ist es, vergangene Jahrzehnte bildgewaltig und detailverliebt in Szene zu setzen; auch in dieser Hinsicht ist Grand Budapest Hotel keine Ausnahme. Ob im schäbigen kommunistischen 1970er-Jahre-Ambiente der Rahmenhandlung oder in den prunkvollen Lobbys, Sälen und Suiten der 1930er, das Setdesign und der Look des Films triefen vor Retrochic und Nostalgie. Zugegebenermaßen ist Wes Andersons eigenartiger Humor nicht jedermanns Sache, wer sich aber für aufgemalte Schnurrbärte, „epische“ Skiverfolgungsjagden à la James Bond, Nasenbluten und märchenhaft schöne Bilder begeistern kann, sollte sich überlegen, demnächst einmal für zumindest zwei Stunden im Grand Budapest Hotel einzuchecken.