The Lost Child (Switch) im Test: Makaberer Dungeon-Crawler
Monster fangen und sie im Kampf einsetzen: The Lost Child erfindet das Rad nicht neu. Kadokawa Games und NIS America garnieren rundenbasiertes Kampfsystem mit einer JRPG-Story für einen interessanten Mix! Ob das aufgeht, lest ihr hier!
Die Hintergrundstory von The Lost Child
Ihr seid Hayato Ibuki, eures Zeichens Reporter für ein Magazin namens LOST. Ihr lebt davon, Geistergeschichten und okkulte Erlebnisse aufzubereiten. Gerüchte über seltsame Vorkommnisse gibt es schon lange, doch diesmal soll eine Dämonin Selbstmorde verursachen. Nach einem Einstieg á la Kingdom Hearts werdet ihr mit Anime-Sequenzen begrüßt.
Wenige Minuten später überschlagen sich die Ereignisse, und eine Dame namens Lua gibt sich als Engel zu erkennen. Sie behauptet, von Gott geschickt worden zu sein, und Hayato sei der Auserwählte! Dämonen sollen versuchen, unsere Welt zu übernehmen oder zu zerstören. Es gilt, diese aufzuhalten. In der Welt der Menschen befinden sich Portale, die zu sogenannten Layern führen.
Diese Dungeons sind voller Dämonen, und dort heißt es aufräumen! Die sehr textlastige Einführung bringt euch Gottes Auftrag näher: Ihr müsst die üblen Geister einfangen. Danach sollt ihr sie reinigen, damit ihr sie im Kampf einsetzen könnt. Dadurch büßen die Sünder, und so ganz nebenbei rettet ihr die Menschheit. Klingt doch gut, oder?
Zum Spielprinzip des Games
Ähnlich wie Might & Magic X Legacy und Etrian Odyssey schlägt The Lost Child in die Kerbe der Rollenspiele. Ihr spielt das gesamte Game aus der Ego-Perspektive, abgesehen von den zahlreichen Zwischensequenzen. Am unteren Rand seht ihr von eurer fünfköpfigen Party sowohl die Lebens- als auch Magiepunkteanzeige. Die Kämpfe in The Lost Child sind rundenbasiert.
Dies bedeutet, dass ihr viel Zeit dafür habt, wie ihr eure Angriffe und Aktionen plant. Doch kaum habt ihr das Ende eurer Runde bestätigt, zeigt sich gnadenlos, ob eure Planung aufgeht oder nicht. Gegenstände werden eingesetzt, Attacken werden durchgeführt, und auch eure Feinde ziehen ihre Runde durch. Ausschlaggebend für die Reihenfolge ist der Schnelligkeitswert aller aktiven Figuren.
So geht es Runde für Runde für Runde dahin, bis entweder Hayato oder die Feindesgruppe k.o. geht. Nach erfolgreich absolviertem Kampf regnet es für eure nicht-dämonischen Spielfiguren Erfahrungspunkte. Für eure Dämonen sammelt ihr gutes, böses und duales Karma (blau, rot und lila angezeigt). Dieses dürft ihr dann für die Stärkung eurer Diener ausgeben.
Was The Lost Child besonders macht
Hayato als Auserwählter kann mit der Gangour-Kanone die Dämonen, sogenannte Astrals, durch den „Astral Burst“-Angriff einfangen. Nach einer Reinigung (die kostet Karma) könnt ihr das Monster in eure Party mit aufnehmen! Danach steht ihr wieder im Layer (Dungeon) und lauft bis zum nächsten Zufallskampf weiter. Ein Stufenaufstieg heilt eure Figuren ein wenig.
Der nächste Punkt ist die Hostility, oder besser gesagt, der Aggro-Level. Ein Auge zeigt euch neben jeder Spielfigur, wie wahrscheinlich sie angegriffen wird. Ihr könnt die Kampfrunden in The Lost Child automatisch bestreiten lassen, und im Dungeon dürft ihr auch einen Autopilot zu bereits bekannten Orten verwenden. Gewisse Gegenstände holen euch wieder heraus, was euch komplett heilt.
Ein Speicherpunkt pro Etage muss euch reichen. Selbst, wenn Hayato zu Boden gehen soll, heißt dies noch nicht Game Over! Ihr könnt gegen eine gewisse Gebühr in Yen den Kampf neu starten, oder gegen Karmapunkte zum Zeitpunkt vor dem Kampf zurückkehren. Entscheidet ihr euch gegen beide Optionen, seht ihr wieder den Hauptbildschirm von The Lost Child.
Viele Mechanismen, gute Ideen
Jedes Monster gehört einer Elementgruppe an, und natürlich hat jedes Element Schwachstellen. Je mehr Schaden ihr anrichtet und erleidet, umso mehr Astralenergie sammelt ihr am oberen Bildschirmrand. Ist die Leiste fast gänzlich gefüllt, richtet ihr mit eurem Astral Burst-Angriff extra viel Schaden an! Kommt allerdings mehr Energie zusammen, als die Leiste fassen kann, fällt sie wieder auf Null.
Man kann The Lost Child schon vorwerfen, dass nur wenig Abwechslung herrscht. Das Grundprinzip bleibt immer gleich: Astrale fangen und zähmen, eure Party verstärken, mehr Dungeons durchkämmen. Allerdings kommen noch zusätzliche Herausforderungen dazu, wie etwa Chaos-Dungeons. Hier könnt ihr beispielsweise gefallene Astrale nicht einfach zurückholen.
Dazu kommt noch ein Hauptmechanismus in The Lost Child, der seinen Ursprung in Etrian Odyssey und Konsorten hat. Die Minikarte wird von euch selbst gezeichnet – Kästchen für Kästchen wird aufgedeckt. Leider sind die Dungeons so aufgebaut, dass ihr viele Schritte braucht, um ans Ziel zu gelangen. Die Schlangenlinien erhöhen die Anzahl der Kämpfe und somit die Spielzeit künstlich.
Dranbleiben lohnt sich – ein wenig
Nach etwa fünf bis sechs Stunden habt ihr die meisten Mechanismen in The Lost Child gesehen. Auch die Geschichte nimmt dabei an Fahrt auf, und typische JRPG-Stereotypen werden langsam bedient. Da kommen sogar klingende Namen bei den Fieslingen vor! So erkennt ihr, dass der Hauptbösewicht in The Lost Child tatsächlich Cthulhu höchstselbst ist.
Nach und nach bringt ihr die Dämonen Hastur, Cthugha, Dagon und Cthulhu zur Strecke. Allerdings kommen noch unvorhergesehene Plot Twists des Weges, die alle mit dem Thema „gefallene Engel“ zusammenhängen. Gott scheint wohl seinen Ruf bei uns nicht ganz so verdient zu haben, wie das so manche kolportieren. Wenn ihr solche Ansätze gut findet, ist auch die Story etwas für euch.
Natürlich ist auch der Sammel-Aspekt in The Lost Child ein Hauptgrund, das Spiel überhaupt zu zocken. Die verschiedenen Monster unterscheiden sich nicht nur in den Attributen, sondern auch in ihren Zaubern und Fertigkeiten. Diese könnt ihr auch ähnlich wie in den Disgaea-Spielen hochstufen und verbessern. Gleich vorweg: Ihr benötigt einiges an Geduld, um mit The Lost Child warm zu werden.
Die technische Seite von The Lost Child
Ja, man muss es einfach sagen: Es ist das Jahr 2018, und diese Grafik ist unter keinen Umständen zeitgemäß. Die Texturen in den Layer-Dungeons sehen aus, als würdet ihr auf einer PS2 spielen. Auch die Effekte locken heute niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Auch, wenn die Nintendo Switch nicht die potenteste Hardware hat: Das geht auf alle Fälle besser!
Selbst bei den Soundsamples hat man sich hier nicht viel angetan. Die Sprachausgabe (Englisch oder Japanisch) ist bestenfalls in Ordnung, auch wenn längst nicht alles vertont wurde. Die einzelnen Dämonen bekommen eine kleine Zeile, wenn ihr sie gereinigt habt, aber die Kampftöne gehen euch schnell auf die Nerven. Die Hintergrundmusik verschwindet bald wie von selbst.
Bei der Steuerung kann The Lost Child größtenteils punkten. Die rundenbasierte Natur ermöglicht euch auch in hitzigen Gefechten ein stressfreies Spiel. Einzig und allein die Weltkarte sowie das Astral-Verstärken und -Sortieren artet in ein Menümonster aus. Alles in allem macht hier das Spiel aber einiges richtig, das ist so in Ordnung.
Fazit: Bemühtes, nicht ganz verlorenes Kind
Selbst Fans müssen zugeben, dass The Lost Child unter keinen Umständen jemanden umhauen kann. Dazu ist die technische Seite zu vernachlässigt worden, und das Genre würde viele Optionen bieten. Die Story ist auch etwas durchwachsen, da ihr von einer Untersuchung in die nächste rutscht. So wird der Geschichtspart von The Lost Child schnell verworren.
Doch sobald ihr in den Dungeons seid und eure Karten skizziert, sind die eben angesprochenen Punkte wie verflogen. Es hat schon etwas, Schritt für Schritt voranzukommen und die Gewölbe und Monster besser kennenzulernen. Euer Erforscher- und Sammlerdrang muss nur ausreichend hoch sein, dann könnt ihr einige lustige Stunden mit The Lost Child genießen.
Somit sei allen, die genau wissen, dass sie gerne grinden, Karten erstellen und Monster entwickeln, The Lost Child ans Herz gelegt. Wenn ihr darüber hinaus auch JRPG-Fan seid und mit dem teils seltsamen Humor klarkommt, umso besser. Was mich betrifft: Ich habe mich schon über manche Dinge, vor allem über die technische Umsetzung geärgert. Dennoch habe ich bereits zig Stunden investiert. Seltsam, oder?