The Plucky Squire – Der kühne Knappe (Test): Vielseitiges Abenteuer aus verschiedenen Blickwinkeln
The Plucky Squire (Der kühne Knappe) führt euch zwischen die Seiten eines Kinderbuches und lässt euch in die Rolle des Helden einer klassischen Abenteuergeschichte schlüpfen. Doch schon bald wird klar, dass die Welt mehr bietet als nur die Märchenbuchseiten. Es wartet ein kreatives Abenteuer in einer fantasievollen Welt, in der die Grenzen zwischen Buchseiten und Realität verschwimmen und abwechslungsreiche Momente in einer charmanten Erzählweise präsentiert werden.
Der Held fliegt aus der Welt
Im Zentrum der Geschichte steht Jot, der kühne Knappe, der in einem Kinderbuch lebt und als Held gefeiert wird. Zusammen mit seinen Freunden – dem chilligen, meisterliche Magier Mondbart, der klugen, künstlerischen Hexe Viola und dem schwungvollen Schlagzeuger-Bergtroll Krass – erlebt er Abenteuer im Land Mojo. Doch die Dinge ändern sich dramatisch, als der schmierige Schurke Grummweil, der seiner Rolle als ewiger Verlierer überdrüssig ist, beschließt, die Geschichte umzuschreiben. So fliegt Jot aus seiner eigen Geschichte und wird vom Buch in die reale Welt verbannt. Jot merkt schnell, dass er tatsächlich nur eine Figur in einem Kinderbuch ist, aber mit magischen Kräften und Portalen wieder zurückkehren kann. Dieses Wissen führt zu einer witzigen Meta-Erzählung, in der der Held die Geschichte umschriebt während er sie erlebt. Von da an wechselt das Spiel geschickt zwischen den 2D-Buchseiten und einem 3D-Kinderzimmer eines jungen Fans, der alles sammelt, was mit Jots Abenteuern in Verbindung steht. Diese clevere Idee eröffnet inspirierende und ungewöhnliche Rätsel, die zu kreativen und abwechslungsreichen Spielerlebnissen führen.
Dimensionen-Mix ganz fix
Durch den Wechsel der Dimensionen werden die 2D- und 3D-Welten nicht nur optisch, sondern auch spielerisch clever miteinander verwoben. Aufgaben in der 3D-Welt beeinflussen das Geschehen im Buch und umgekehrt, was den strategischen Einsatz beider Welten fördert. Diese geschickte Kombination von 2D und 3D ermöglicht es, abwechslungsreiche Herausforderungen zu gestalten und den Spieler mit kreativen, unerwarteten Ideen zu überraschen.
In dieser Geschichte liegt der Fokus auf kniffligen Rätseln und kreativen Minispielen. Besonders faszinierend sind die Rätsel, die auf der Manipulation von Wörtern in der Buchwelt basieren. So können Wörter aus Sätzen entnommen und in andere eingefügt werden, um zum Beispiel “offen” mit “geschlossen” zu tauschen, damit ein Tor geöffnet, neue Passagen zugänglich gemacht oder Gegenstände und die Szene verändert werden. Die Mechanik erinnert an das kreative Regel-Biegen von Baba Is You oder die Erzählweise von Lost Words: Beyond the Page, wenn auch in einer etwas abgespeckten Form. Die Wortmanipulation ist begrenzt und nur wenige Wörter lassen sich austauschen, doch das Konzept wird im Verlauf des Abenteuers klug genutzt und es macht Spaß, mit verschiedenen Kombinationen zu experimentieren.
Im Kinderzimmer erlebt Jot die Welt aus einer Toy-Story-Perspektive: Im Vergleich zum Helden wirkt alles riesengroß. Jot springt über Spielkarten und Bausteine und interagiert mit Alltagsgegenständen. Er kann das Buch auch von außen manipulieren, indem er es neigt, um Blöcke zu verschieben, oder zu einer früheren Seite zurückblättert, um ein Wort oder einen Gegenstand zu holen.
Die Besonderheit liegt in der Vielfalt
Neben all diesen Funktionen gibt es zahlreiche Minispiele, die zusätzliche Mechaniken einführen und die Kreativität des Spiels verdeutlichen. Einige dieser Minispiele enthalten rhythmusbasierte Elemente, andere orientieren sich an Arcade-Genres wie Shoot ’em Up oder Beat ’em Up, und es gibt auch rundenbasierte RPG-Kämpfe. Neben diesen abwechslungsreichen Exkursen gibt es auch konstante Mechaniken: In beiden Dimensionen gibt es immer wieder Plattforming-Abschnitte und kleinere Gegnergruppen, die bekämpft werden müssen. Richtig herausfordernd ist jedoch nichts davon. Die Plattforming-Elemente bleiben relativ simpel, und im Kampf kann man ein paar neue Moves erlernen – das war’s.
All diese Mechaniken kratzen zwar nur an der Oberfläche, erwartet also keine tiefergehenden Systeme. Jeder Abschnitt des Spiels bringt neue, temporäre Mechaniken, die sich organisch in die Geschichte und das Gameplay einfügen. Dieser Mix aus Rätseln und Minispielen sowie der Dimensionswechsel lassen keine Langeweile aufkommen und tragen zu einem dynamischen Spielerlebnis bei. Das einzige, was extrem negativ aufgefallen ist, sind die langwierigen Stealth-Passagen, die den Spielfluss unterbrechen und Frust statt Spaß bringen. Besonders schlimm wird es im letzten Drittel des Spiels, wo die Geschichte deutlich an Dynamik verliert.
Lebendiges Kinderbuch
The Plucky Squire gibt euch wahrlich das Gefühl, in einem lebendigen Kinderbuch unterwegs zu sein. Die Buchseiten sind in liebevoller 2D-Illustration gestaltet und wirken wie handgemalt, was an klassische Märchenbücher erinnert. Jedes Kapitel ist gespickt mit neuen, bunten Hintergründen, liebenswerten Charakteren und lebendigen Details, die den Spieler in eine zauberhafte Geschichte entführen. Während die 3D-Umgebung detailreich und realistisch gestaltet ist, wirkt sie eher wie ein Projekt eines Studenten – keineswegs schlecht, aber auch nicht besonders herausragend … ein abgespeckter Toy Story-Look: sehr clean, aber mit viel Luft nach oben. Die Übergänge zwischen den Dimensionen sind fließend und die Charakterdesigns charmant; all das trägt zur märchenhaften Atmosphäre des Spiels bei. Dazu kommt die musikalische Untermalung, die die verschiedenen Situationen hervorragend unterstützt. Sanfte Melodien begleiten die Erkundung der Buchwelt, während dynamischere Stücke die Action-Sequenzen untermalen. Die Geschichte wird durch viele Textboxen und einen absolut hochwertigen Erzähler vermittelt (im Deutschen ist dies Carlos Lobo, den man von der Synchronisation von Schauspieler Javier Bardem kennt). Im Februar nächsten Jahres kommt sogar noch eine physische Version exklusiv für PlayStation 5 und Nintendo Switch (Xbox Series X/S geht leider leer aus). Wer dann wirklich ein reales Buch in Händen halten will, kann hier zur Deluxe Edition greifen die ein Artbook beinhaltet.
Die Kritik vieler, dass die Erzählung zu „textlastig“ sei, kann ich nicht nachvollziehen. Was erwartet man von einem Abenteuer, das sich um ein Buch dreht? Sicher, manchmal gibt es mehr zu lesen, und Spieler:innen werden etwas an die Hand genommen, aber die Vorlage ist nun mal ein KINDERBUCH – entsprechend sollte man seine Erwartungen anpassen. Wenn ich etwas bemängeln würde dann, dass man die Text- und Erzählersprache nicht wechseln kann – ich hätte gerne die englische Sprachausgabe ausprobiert.
Ideenreiches Abenteuer mit vielen Einflüssen
The Plucky Squire glänzt durch eine Vielzahl von Besonderheiten, die das Spiel einzigartig machen. Die Möglichkeit, sowohl in der Buchwelt als auch in der realen Welt die Geschichte aktiv zu manipulieren, lässt uns in ein lebendiges Märchen eintauchen und eröffnet ein fantastisches Meta-Erlebnis voller Überraschungen. Minispiele, die an Klassiker wie Punch-Out!! oder Space Invaders erinnern, bringen frischen Wind und verleihen dem Spiel seinen ganz eigenen Charme. Insgesamt bietet dieses neuartige und zweifelsohne absolut kreative, ideenreiche Abenteuer viel Spaß – es ist jedoch wie ein Schweizer Taschenmesser: Es hat viele Funktionen und wirkt auf den ersten Blick sehr interessant, doch mit der Zeit beschränkt man sich auf eine Funktion, die weder vollständig ausgearbeitet noch besonders tiefgreifend ist. Es ist eine perfekte Möglichkeit, Kinder an Videospiele heranzuführen und ihre Interessen zu erkunden. Erwartet ein innovatives Abenteuer, das mit einem Mix aus cleveren Rätseln, vielseitigen Momenten, reizvollen Dimensionswechseln und einer wunderschönen Präsentation begeistert.