The Walking Dead Season 3 im Test – A New Frontier
Am 30. Mai erschien die letzte Episode „From The Gallows“, weshalb ich nun endlich in der Lage bin, über die gesamte The Walking Dead Season 3 zu berichten. Der Untertitel der neuesten Staffel lautet A New Frontier, was aber für Telltale nicht heißt, dass dabei spielerisch neue Grenzen überschritten werden. Ganz im Gegenteil, The Walking Dead Season 3 setzt abermals auf eine spannende Story im Stile einer Graphic Novel. Ob man mit dem immer gleichen Konzept genauso viele Fans erreichen kann, wie noch 2012 mit der fantastischen ersten Staffel, erfahrt ihr in meinem Test.
Spoilerwarnung zu Season 1 und 2
Vorsicht: Dieser Test enthält Spoiler aus der ersten und zweiten Episode. All jene, die sich dieses Spielerlebnis noch erhalten möchten, sollten jetzt aufhören zu lesen. The Walking Dead Season 3 wird selbstverständlich nicht gespoilert!
Die interaktive Serie geht weiter
Am 24. April 2012 erschien die erste Episode von Telltales The Wakling Dead. Für mich ein Meilenstein, der gemeinsam mit Titeln wie Heavy Rain das Genre des interaktiven Films neu definierte. Seitdem sind allerdings fünf Jahre vergangen und Telltale hat seitdem acht weitere Episodenspiele (unter anderem zu Game of Thrones, Batman, Minecraft oder zuletzt auch Guardians of the Galaxy) veröffentlicht. Langsam aber sicher sehnt man sich nach Abwechslung und neuen Impulsen. Zugegebenermaßen sollte man dies bei einem Spiel, wo gerade die dritte Staffel erschienen ist, nicht zu sehr darauf hoffen, weshalb auch The Walking Dead Season 3 altbekannte Kost bietet. Das Spiel zwingt euch erneut zu schwierigen Auswahlmöglichkeiten, die über Leben und Tod der Charaktere entscheiden können und das kann immer noch sehr spannend sein.
Konflikte überall
Aber nochmal zurück zum Anfang, worum geht es denn überhaupt und wie geht die Story weiter? Einige Jahre sind ins Land gezogen und wir schlüpfen in die Rolle von Javier García. Der ehemalige Baseballspieler befindet sich mit der Familie seines Bruders auf der Flucht. Die Essensrationen werden immer knapper und außerdem gibt es kaum noch Sprit, um vor einer herannahenden, riesigen Herde an Zombies zu fliehen. Dies sind aber nur die äußeren Bedingungen, denn wie immer geht es bei The Walking Dead mehr um die Konflikte innerhalb der eigenen Gruppe: Die Zombieapokalypse ist einsam und so wird Kate, die ehemalige Lebensgefährtin des eigenen Bruders, für Javi immer interessanter. Außerdem fällt es der Stiefmutter von Gabe und Mariana immer schwerer ihre Mutterrolle aufrechtzuerhalten. Trotz all der Zombies menschelt es auch in The Walking Dead Season 3 wieder gewaltig.
Rückblenden
Zwar nicht neu, aber öfter eingesetzt, sind die regelmäßigen Rückblicke, die den SpielerInnen mehr Background-Informationen zu Clementine und Javi liefern. Diese brechen meist angenehm mit der hektischen Action der Gegenwart, wodurch sich das Spiel den bereits bekannten Mix aus ruhigen Szenen und wilden Kämpfen erhält. Außerdem darf man dadurch auch immer wieder Clem spielen und so erleben was zwischen Staffel 2 und 3 geschehen ist. Mit diesem Kniff und dem allgemein guten Writing ist es gelungen die Charaktere deutlich glaubhafter zu gestalten, als dies noch bei der zweiten Staffel der Fall war.
Etwas kurz
Ich bin normalerweise niemand der laut aufschreit, wenn es um eine kurze Spieldauer geht. Mir ist es in vielen Fällen sogar lieber, wenn etwas straff erzählt ist, anstatt mir unnötige Spielstreckungen aufzuhalsen. Trotzdem bin ich von den Längen der Episoden etwas enttäuscht, denn zwei davon waren nach ein bisschen mehr als einer Stunde schon wieder vorbei. Das ist für eine Fernsehserie ok, wenn ich danach jedoch vier Wochen auf neuen Content warten muss, ist das etwas zu wenig. Dafür bin ich aber emotional wesentlich investierter, als noch bei Season 2, weil das Umfeld besser passt. Ich habe überlebenswichtige Bedürfnisse zu stillen und vor allem liegen mir viele meiner Mitmenschen wieder mehr am Herzen. Das ist zwar nicht mit der Beziehung zwischen Clem und Lee zu vergleichen, aber es geht wieder in die richtige Richtung.
Größerer Einfluss
Wer schon mal einen Telltale-Titel gespielt hat, weiß, dass das Entwicklungsstudio gerne darauf zurückgreift Entscheidungsfreiheiten nur vorzugaukeln.
Da ist es dann schon einmal egal, ob man Person A oder B rettet, wenn diese dann beide 20 Minuten später, ohnehin das Zeitliche segnen. Nachdem ich mir alle möglichen Story-Verästelungen der dritten Staffel angesehen habe, musste ich überrascht feststellen, dass viele Entscheidungen tatsächlich echte Konsequenzen haben. Zwar gibt es gerade angeführtes Beispiel mit Person A und B so ähnlich leider wieder, es gab aber auch Optionen in Episode 1, die in Episode 5 zum Tragen kommen und den Ausgang der Geschichte beeinflussen.
Durch die Weiterführung der Geschichte (Season 4 ist schon geplant) muss Telltale zwar immer noch auf den einen oder anderen Taschenspielertrick zurückgreifen, die insgesamte Tragweite der Optionen und deren Auswirkungen hat sich aber deutlich verbessert. Lasst euch hier nicht vom einen oder anderen Forenbeitrag beirren (die Diskussionen nach jeder erschienenen Folge gehören für mich zum Spielspaß dazu)! Im Vergleich zu den ersten beiden Staffeln haben eure Entscheidungen mehr Gewichtung und können den Verlauf und sogar den Ausgang der Geschichte beeinflussen.
Dumm ist der, der Dummes tut!
Im Gegensatz zu einigen, kritischen Stimmen (auf Steam: Kürzlich: Ausgeglichen, Insgesamt: Größtenteils positiv) hat mir The Walking Dead Season 3 viel Freude bereitet. Der Cast und die Charaktere waren gut gewählt, die verstärkten Hintergrundgeschichten eine gute Idee. Man sollte sich aber trotzdem im Klaren sein, was man mit The Walking Dead: A New Frontier bekommt! Nämlich kein klassisches Point&Click-Adventure, keine Rätsel, kaum Gameplay und den einen oder anderen angewandten Taschenspielertrick der Autoren. Noch dazu gibt es auch keine Gameplayrevolutionen. Dafür ist und bleibt The Walking Dead für mich einfach das beste Franchise für Telltale Spiele.
Gewalt ist (fast) nie beiläufig, hat immer Konsequenzen und das lässt mich das Spiel auch stark in meinen Entscheidungen spüren. Übrigens, ganz nach Forrest Gumps „Dumm ist der, der Dummes tut!“ erhält man bei schlechten Entscheidungen auch einen schlechteren Ausgang. Meiner Meinung nach eine absolut legitime Vorgehensweise, denn wenn ich diese Art von Spiel spiele, möchte ich doch gerade, dass meine Wahl der Optionen ernst genommen wird.
Take Us Back
Meines Erachtens ist A New Frontier besser gelungen als die zweite Staffel. Man besinnt sich der Wurzeln: Eine zerrüttete Gruppe, man selbst als Anführer – das ging mit einem jungen Mädchen als spielbaren Charakter in der vergangenen Staffel einfach nicht. Mit Javi hat Telltale einen interessanten Charakter geschaffen, der um jeden Preis seine Familie beschützen möchte, dabei aber viele Risiken und Zwiespälte auf sich nehmen muss. Fans, die bisher die beiden Staffeln gespielt haben, sollten auch The Walking Dead Season 3 eine Chance geben.
Zwar erhält man wieder mehr vom Gleichen, es ist aber einfach spannend – die emotionale Achterbahnfahrt gegen Ende hin inkludiert. Alle anderen, die noch nie The Walking Dead gespielt haben, müssen jetzt sofort aufstehen, loslaufen und sich Staffel 1 besorgen. Oder bleibt sitzen und kauft es per Kreditkarte – ihr seid alles Gamer, ihr wisst, wie das geht! An die hohe Qualität und das einmalige Spielerlebnis von Staffel 1, kann auch The Walking Dead Season 3 nicht herankommen.