Ultra Street Fighter II: The Final Challengers (Switch) im Test
Mit Remakes ist das so eine Sache. Next-Gen-Portierungen á la Mario Kart 8 oder The Last of Us können vergangene Spiele-Perlen einer neuen Zielgruppe eröffnen. Die Restaurierung jahrzehntealter Klassiker hingegen soll vor allem Nostalgie und das „Einmal-noch-jung-sein-Gefühl“ bei potenziellen KäuferInnen wecken. In diese Kerbe schlägt auch Capcoms Debüt-Werk für die Nintendo Switch: Ultra Street Fighter II – The Final Challengers. Wieviel Liebe zum Detail und Wiederspielwert in diesem Beat ’em up-Remake des 1993er Spielhallen-Hits steckt, lest ihr im meiner Review.
Auf Super folgt Ultra
Ultra Street Fighter II – The Final Challengers versteht sich als Definitive Edition eines 25 Jahre alten Spiels. Super Street Fighter II galt seinerzeit als Referenztitel des aufkeimenden eSports. Es folgten einige weniger erfolgreiche Serien-Ableger nebst eines kultig schlechten Van-Damme-Films. Und auch wenn Street Fighter mittlerweile im 3D-Zeitalter und bei der Kennziffer V angekommen ist, glaubt man bei Capcom nach wie vor an die zeitlose Pixel-Schönheit des zweiten Teils.
Turbo HD Remix + Shoto-Clones = ?
Man nehme also die hochauflösenden Grafiken des 10 Jahre alten SF II Turbo HD Remix, mische da und dort ein paar neue Sound-Samples ab, und fertig ist der Präfix „Ultra“, oder? Nicht ganz, denn neben moderner 16:9 Grafik, zeitgerechter Tonwiedergabe und komfortablen Online-Features stecken noch weitere Neuerungen in Ultra Street Fighter II. Da wären zum einen die namensgebenden Final Challengers. Es handelt sich um zwei weitere Kombattanten Evil Ryu und Violent Ken. So richtig neu wollen die beiden aber dann doch nicht rüberkommen, handelt es sich dabei doch um Lupenreine Shoto-Clones. Das sind Neuinterpretationen der beiden Proto-Street Fighter Ryu und Ken, die den Kampfstil Shotokan Karate und deren typische Move-Sets übernehmen. Nicht mal die Grafik-Sprites der beiden sind wirklich kreativ. Bis auf dunklere Haut und rote Augen gleichen Evil Ryu und Violent Ken ihren Vorlagen bis auf den letzten Pixel.
Weg des Hado – Hau du das weg!
Eine weitere Neuerung ist der Modus Weg des Hado. Der passt so rein gar nicht zum Rest des Spiels, und wurde vermutlich auf Nintendos Wunsch hin integriert, die JoyCon der Switch zu berücksichtigen. Im Weg des Hado steuert ihr Ryus 3D-Modell aus der Ich-Perspektive, und könnt seine typischen Moves per Gestensteuerung gegen herannahende Schergen anwenden. Zumindest im Trainings-Dojo funktioniert das noch tadellos. Ein Hadoken-Feuerball lässt sich mit dieser einen, sehr vertrauten Handgeste rausdrücken. Eine Hand zum Himmel gestreckt, lässt Ryu einen Shoryuken, also einen Uppercut vom Stapel. Zu guter Letzt sorgt eine seitliche Rotation der JoyCon für einen wirbelnden Hurricane-Kick, dessen japanischen Namen ich euch lieber erspare. Oder zumindest sollte sie dafür sorgen, denn wenn man den Trainingsraum verlässt, funktioniert das Ganze bestenfalls noch soso-lala. Im Kampf gegen Bisons Truppen werden die einfachen Gesten oft völlig falsch interpretiert, was für ständige Frustration und ein regelrechtes Glücksspiel sorgt. Lassen wir diesen lieblos draufgeklatschten Modus also lieber schnell beiseite, und widmen uns dem eigentlichen Spiel.
Von A wie Akuma bis Z wie Zangief
Ultra Street Fighter II lässt sich allein im Arcade-Mode, zu zweit auf dem Split-Screen, oder auch Online bestreiten. In einem speziellen Kumpelkampf-Modus können wir sogar gleichzeitig zu zweit gegen eine Computer-GegnerIn antreten. In allen Modi lässt uns das Spiel von Anfang an aus 19 KämpferInnen wählen. Außer den beiden eingangs erwähnten Shoto-Klonen sind sie alle schon aus Super Street Fighter II bekannt. Auch Akuma, der damals nur als freischaltbarer Boss-Charakter verfügbar war, ist von Anfang an mit von der Partie. Die erste augenscheinliche Neuerung gegenüber HD Remix ist, dass auch die Charakter-Portraits und das Interface originalgetreu aus der Vorlage übernommen und restauriert wurden. Dadurch lässt sich die Grafik nun bei Bedarf auch auf den Original 4:3 Pixelsumpf zurückstellen. Um Augenkrebs vorzubeugen, empfiehlt sich aber die moderne Optik aktiviert zu lassen.
Alte Liebe rostet nicht?
Innerhalb eines Matches fühl sich Ultra Street Fighter II sehr vertraut an. Die Steuerung hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert. So ist es bereits nach kurzer Zeit ein Leichtes, unseren KontrahentInnen Feuerbälle, und andere Specialmoves um die Ohren zu pfeffern. Auch das Meta-Game blieb weitestgehend unangetastet. Immer noch entscheiden blitzschnelles Erfassen der Situation und gezieltes Reagieren über Sieg und Niederlage. Doch spätestens bei den Animationen kommt das Alter des Spielprinzips deutlich zutage. Wenige Frames müssen reichen, um Hintergründe, Backpfeifen und zerberstendes Stage-Inventar darzustellen. Das Capcom bei den KämpferInnen auf Füller-Frames verzichtet hat, um das Gameplay möglichst unangetastet zu lassen, verstehe ich ja noch. Die kargen Hintergründen hätte man trotzdem zeitgemäßer restaurieren können.
Wenn Max vor lauter Payne schreit
Ultra Street Fighter II fühl sich sehr vertraut an
Und dann ist da noch dieser Zeitlupen Effekt! Anno 1993 sah das ja sicher noch ganz fetzig aus, wenn eine hart getroffene Spielfigur in bester Max Payne-Manier durch die Stage segelte. Mit den puristischen Animationen und dem heutigen Verständnis von Coolness kommt dieser Effekt aber gar nicht mehr klar. Das sieht eher aus, als ob die Nintendo Switch angesichts der grafischen Opulenz des Dargebotenen in Performance-Nöte geriete, und das Bild zu stottern beginnt. Auch das Flackern von Feuerbällen oder zersplitternden Kisten hat diesen unwillkürlich alt wirkenden Blink-Effekt, den ich schon in den 90ern nicht ausstehen konnte.
Fazit zu Ultra Street Fighter II – The Final Challengers
Ein paar Gameplay-Modernisierungen hätten dem Retro-Charme nicht geschadet
Nun mag man mich schelten: Es handelt sich doch um ein Remake! Wenn mir der Retro-Stil nicht gefällt, soll ich halt die Finger davon lassen! Ja eh, aber der Rest der Grafik wurde ja auch in High Definition und 16:9 restauriert. Hie und da ein paar Gameplay-Modernisierungen (weichere Animationen) hätten dem Retro-Charme meines Erachtens nicht geschadet. Und wer jetzt schreit: Ja, aber die Balance! – Die wurde mit der Einführung von zwei neuen Figuren sowieso komplett durchgewürfelt. Ich bin also der Meinung: Wenn schon remastern, dann bitte gleich ordentlich! Ich lege meine Hoffnungen in Blizzard, die mit StarCraft: Remastered beweisen dürfen, wie man so was macht. Capcom ist mit dieser Neuauflage lediglich den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Und den lässt man sich immerhin nochmal stramme 39 Euro kosten. Da hätte man sich den abgrundtief schlechten Weg des Hado schenken, und stattdessen noch mehr Aufwand in die grafische Politur stecken können – es hätte dem Erbe von Street Fighter II weitaus besser zu Gesicht gestanden!