Warcraft III Reforged im Test – Remake of Chaos
0,5 von 10 Punkten auf Metacritic?! Welches Machwerk der digitalen Selbstverachtung mag es wohl geschafft haben binnen kürzester Zeit zum schlechtesten Videospiel der Plattformgeschichte zu avancieren? Ein billig produziertes Handygame oder vielleicht gar dreister Early Access-Schrott? Nein, es ist kein geringeres Spiel als der einstige König der Echtzeitstrategie – es ist Warcraft III Reforged. Beinahe 27.000 erzürnte Stimmen machten Ihrem Ärger Luft und setzten dem geliebten Klassiker von 2002 ein unwürdiges Denkmal. Zum Vergleich: Das Originalspiel Warcraft III Reign of Chaos steht aktuell bei etwa 1800 Stimmen, und einer Wertung von 9.2. Dabei hatte Blizzard mit der Ankündigung von Reforged doch alles richtig gemacht – moderne Optik und Technik trifft auf bewährtes Gameplay und erzählerischen Tiefgang der absoluten Meisterklasse. Endlich wieder mit Arthas Menethil die Untoten aus Stratholme vertreiben, mit Malfurion Sturmgrimm den zwielichtigen Bruder Illidan zurechtstutzen. Ich jedenfalls konnte es kaum erwarten, Hand an Warcraft III Reforged zu legen.
Gebrochene Versprechen
In der Blizzcon 2018-Demo sah auch noch alles danach aus, als würde Warcraft III Reforged die erhoffte Offenbarung werden, die das Echtzeitstrategie-Genre so bitter nötig gehabt hätte. Das entzückte Auditorium wurde Zeuge einer optisch aufpolierten Zwischensequenz der Mission „Die Säuberung von Stratholme“, die es so leider nie ins fertige Spiel schaffte. Irgendwann im Laufe der Entwicklung muss Blizzard eingesehen haben, dass die selbst gesteckten Ziele zu ambitioniert waren, und den Rotstift angesetzt haben. Auch die Spielwelt selbst ist bei weitem nicht so liebevoll restauriert worden, wie die gezeigten Gameplay-Schnipsel anno dazumal vermuten ließen. Am schlimmsten traf es jedoch die nach wie vor lebendige Online Multiplayer-Community. Nicht nur wurde der Gameclient des Originalspiels mit dem des Remaster verschmolzen, dabei gingen auch noch essenzielle Features wie Ranglisten, SpielerInnen-Profile und benutzerInnendefinierte Kampagnen flöten. Auch die Modding-Richtlinien wurden heimlich still und leise überarbeitet, wodurch ModderInnen die Rechtsansprüche an ihren selbstkreierten Inhalten automatisch an Activision-Blizzard abtreten sollten. Das vorhersehbare Ergebnis war ein Shitstorm, der sich in den UserInnen-Bewertungen niederschlug.
Grafik
Aus ästhetischer Sicht gibt es dabei eigentlich wenig an Reforged zu bemängeln. Alle Einheiten, Gebäude, Doodads und Critter sowie Effekte, Animationen und Texturen wurden generalüberholt, und sehen nun zeitgemäß aus. Die Geländegeometrie der Maps wurde aus Balancing-Gründen beibehalten, was für einen bisweilen seltsam anmutenden Grafik-Mix sorgt. Auch der Sound wurde komplett neu abgemischt, und im Falle der deutschen Synchronisation sogar neu eingesprochen, um eingedeutschten Elementen wie „Frostgram“ und „Sturmgrimm“ Tribut zu zollen. Die Ingame-Zwischensequenzen wurden nur behutsam überarbeitet, und die Cinematic-Cutscenes überhaupt völlig unangetastet gelassen. Dadurch verkommt Reforged eher zum „HD-Update“ als zu einem waschechten Remaster.
Gameplay & Handlung
In diesem Aspekt des Spiels gab und gibt es kaum etwas zu bemängeln. Die Handlung von Warcraft III legt nach wie vor die Messlatte dafür, was in Echtzeit-Strategiespielen zum guten Ton gehört. Der treffsichere Mix aus Rollenspiel und Basis-Bau hat auch heute noch kein Quäntchen seines Charmes eingebüßt. Durch vier Kapitel mit je 8 Missionen des Hauptspiels und vier weitere Kapitel des integrierten Add-Ons The Frozen Throne führt die Singleplayer Kampagne des Spiels. Dabei treffen wir auf allerlei bekannte Gesichter des Warcraft Universums wie Illidan Sturmgrimm, Kael’thas Sonnenwanderer und Tyrande Wisperwind. Gerade bei Fans, die mit World of Warcraft groß geworden sind, weckt die Kampagne Erinnerungen, und lädt zum Entdecken neuer Details und Facetten der komplexen Story ein.
Multiplayer
Nach wie vor großer Beliebtheit bei einer treuen Community erfreut sich der Multiplayer-Teil von Warcraft III. Zwar konnten der Fantasy-Ableger in Sachen Popularität nie mit dem Phänomen eines Starcraft mithalten, brachte es mit Community-Mods wie Tower-Defense und DOTA aber ebenfalls zu respektabler Berühmtheit. Lief das Originalspiel noch auf Basis des alten Battle.NETs, wurde der Klassiker mit Reforged auf den neuesten technischen Stand gebracht.
Fazit zu Warcraft III Reforged
Das Internet kann echt grausam sein. In Zeiten von Cybermobbing und Shitstorm ist auch ein Garant für hochqualitativen Spielespaß wie Blizzard nicht vor der Maß- und Zügellosigkeit des erzürnten Cybermobs gefeit. Ich finde, soviel Hass hat Warcraft III Reforged nicht verdient, und es ist sicherlich nicht das schlechteste Spiel aller Zeiten geworden, wie manche Review-Aggregationsplattform uns glauben machen will. Das soll kein Freispruch für Blizzard sein – Warcraft III Reforged ist zum derzeitigen Zeitpunkt weder vollständig, geschweige denn perfekt. Blizzard muss hier noch fleißig nachbessern, um das Spiel zurück zu einstiger Größe zu führen. Die Singleplayer-Kampagne von Warcraft III hat aber nichts ihrer Qualität und Faszination eingebüßt, und sieht dank Grafik Update nun wirklich zeitgemäß und schick aus! Ein definitives Fazit ist hier schwer zu fällen. Fans der Kampagne und World of Warcraft VeteranInnen dürfen das Upgrade getrost wagen. Multiplayer-VeteranInnen der ersten Stunde müssen sich leider noch ein wenig gedulden, bis Warcraft III Reforged zu dem Spiel wird, dass Sie sich erhofft haben.