The Witch and the Hundred Knight (PS3) im Test

von Mandi 26.03.2014

Oh, wie ich diese Games liebe. Makai Kingdom, Prinny: Can I really be the Hero!?, die Disgaea-Reihe oder What Did I Do To Deserve This, My Lord!? teilen alle einen irrsinnigen Humor, für den ich anfällig bin. Kann sich der Titel names The Witch and the Hundred Knight auch in mein Herz spielen?

Bizarrer Humor, verrückte Charaktere

Gleich nach dem Starten des Titels fühlte ich mich richtig geborgen. Das Tutorial erzeugt eine eigene Geschichte, die euch sofort in die Irre führt, die mysteriöse Stimme aus dem Off ist nach der Storywendung innerhalb der ersten 30 Minuten eure Befehlshaberin, und das vormals unschlagbare Ungetüm, vor dem ihr gefühlte fünf Mal die Flucht ergreift (weil das Tutorial es vorgibt), prügelt ihr in wenigen Sekunden ins Nirvana. Klingt nach einem richtigen Nippon-Ichi-Spiel? Ist es auch!

Wie auch schon das Disgaea-Franchise, für das die EntwicklerInnen berühmt sind, lässt sich The Witch and the Hundred Knight in keine Schublade quetschen. Ihr werdet in eine Welt geworfen, in der sich zwei Hexen seit 100 Jahren bekriegen, und eure Meisterin Metallia möchte nichts sehnlicher, als die Welt in ihrem eigenen Sumpf untergehen zu sehen. Klingt komisch, ist auch so, aber die charismatische Hexe kann euch ganz genau erklären, warum sie das möchte und was ihre eigentlichen Beweggründe sind. Bevor ich aber noch mehr ins Detail gehe, beantworte ich die wichtigste Frage überhaupt.

Was seid ihr überhaupt?

Die Antwort ist ebenso simpel wie wenig überraschend: Ihr übernehmt die Steuerung des legendären Hundred Knight, der ein unglaublich mächtiger, nahezu unsterblicher Dämon mit fantastischen Fähigkeiten ist. Ihr wurdet von der ebenfalls sehr fähigen Hexe Metallia beschworen, um Metallias Widersacherin Malia ein für alle Mal zu besiegen und den Niblhenne-Sumpf auf die gesamte Länderschaft Madea auszubreiten. Dazu benötigt sie eure Hilfe, was ja kein Problem sein kann, da ihr einer der mächtigsten Dämonen der Weltgeschichte seid.

Nur blöd, dass bei der ganzen Beschwörung eine Sache nicht geklappt hat: Die Macht des Hundred Knight bleibt im Nexus der finsteren Mächte zurück. Das Intro gibt viel Slapstickhumor her und bringt euch durch verrückte Einwände schon ein paar Mal zum Schmunzeln, denn wer einen Riesendämon, einen Balorfürsten, einen Bösewicht wie Diablo selbst erwartet, rechnet bestimmt nicht mit einem kleinen schwarzen Blob, der Metallia halbwegs ungestüm vor die Füße fällt. Vom Aussehen her eher als Kuscheltier zu gebrauchen, müsst ihr euch nun aufmachen, um Metallias Wünschen dennoch nachzukommen.

Einfaches Ziel, forderndes Gameplay

The Witch and the Hundred Knight bringt euch in einem knapp 30 Minuten langen Tutorial alles Wissenswerte bei, was es über den Kampf und das Gameplay zu wissen gibt. Ist dies jedoch alles Spielzeit? Nein. Wieder und wieder erzählt euch Metallia, wie schön es nicht wäre, wenn ihr Sumpf das gesamte Gebiet unterjochen würde. Wieder und wieder flüchtet ihr vor einem größeren Gegner, während ihr kleinere mit zwei bis drei Schlägen über den Jordan schickt. Wieder und wieder lauft ihr durch Portale, die euch mit verwirrender Geschwindigkeit zwischen verschiedene Welten herumschicken. Am Ende des Prologs habt ihr jedoch eine halbwegs vernünftige Waffe gefunden, und der erste Bosskampf steht euch bevor.

Habt ihr diesen dann überstanden, fängt das Spiel erst richtig an. Euer Ziel ist es, in jeder Stage eine bestimmte Pflanze zu prügeln, damit sie „released“ wird und ihre sumpfartigen Innereien flächendeckend verteilt. Bis ihr allerdings zu dieser Zielpflanze kommt, müsst ihr Rätsel lösen, eine Menge von kleineren Feinden verkloppen und natürlich euren eigenen Level steigern. Die EntwicklerInnen von NIS sind bekannt und berüchtigt für ihre teils verrückten Ideen, und in The Witch and the Hundred Knight nahmen diese ja fast schon überhand. Kleines Beispiel gefällig?

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Mehr Interface als Aktion

Nicht weniger als sieben Mechanismen sind gleichzeitig am Werk, die ihr bestmöglich im Auge behalten müsst. Während ihr also in einer Stage unterwegs seid, fällt euer GigaCal-Anzeiger stetig. Sprintet ihr oder betretet ihr unerforschte Gebiete, fällt er stärker, lauft ihr in sicherem und erforschtem Gebiet herum, fällt er nur minimal. (Ja, dieser Mechanismus dürfte von Breath of Fire V in einer leichten Variation abgekupfert worden sein.) Damit nicht genug: Ihr habt eine Lebensleiste, eine Aktionspunkteleiste, eine Extrapunkteanzeige für Boni, eine andere Punkteanzeige für temporäre Status-Boosts und eure Waffenleiste. Verwirrt? Fürchtet euch nicht, das geht in Minuten in Fleisch und Blut über. Wirklich.

Anfangs müsst ihr euch noch ein wenig konzentrieren, doch spätestens ab der dritten Stage (also ab der knapp zweiten Spielstunde) ist das User Interface kein Thema mehr, und ihr könnt euch auf die Individualisierung eures Hundred Knight stürzen. Je nachdem, welche Waffen ihr in welcher Reihenfolge wählt, könnt ihr nämlich unterschiedliche Kombinationen freischalten. Hier hat NIS einen klugen Schachzug gewählt: Die verschiedenen Waffen richten nämlich anderen Schaden an (Hieb, Wucht, Stich), und naturgemäß sind manche Gegner gegen manche Schadensarten immun. Denkarbeit ist also gefragt, wenn es um die Ausrüstung eures schwarzen Ritters geht.

Ressourcenmanagement und Action

Den GigaCal-Anzeiger habe ich zwar schon beschrieben, doch je länger ihr The Witch and the Hundred Knight spielt, umso wichtiger wird er. Klar, man kann sich jederzeit wieder aus der Stage teleportieren, die Goodies einheimsen, die XP verteilen und dann wieder durchlaufen (und alle Gegner erneut murksen), doch das Game verhindert Übertrainieren ziemlich geschickt. So steht ihr immer wieder vor der Entscheidung, bei einem riesigen Gegner doch einmal in die Vollen zu gehen oder lieber für die kommenden Challenges ein paar Punkte zu sparen.

Gemeinsam mit der Ausrüstungs- und Schadensfrage (da sind die magischen Fertigkeiten noch nicht einmal angedacht) bietet The Witch and the Hundred Knight ein weitaus tieferes System als ein einfaches Hack-and-Slay-Game. Auch das Raid-System ist witzig und erinnert an die Gebäudeschlachten aus Makai Kingdom: Ihr levelt euren Schwarzen Ritter auf, jagt ihn in ein Gebäude (Händler, Heim, Bürgermeister), und darin wird sich geprügelt, bis ein Sieger erkennbar ist. Gewinnt ihr, dominiert ihr fortan dieses Gebäude, verliert ihr, wird der Hundred Knight mit einem Lebenspunkt aus dem Haus geworfen. Dass die Dominanz in einem Dorf aber Konsequenzen nach sich ziehen kann, wird euch noch früh genug bewusst …

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Stop-and-go: Ein Kritikpunkt

In aller Deutlichkeit muss hier gesagt werden, dass The Witch and the Hundred Knight keineswegs für GelegenheitsspielerInnen gedacht ist. So wie fast alle anderen NIS-Produktionen wird auch dieses Spiel niemanden an der Hand führen, denn dass die meisten Tutorialtexte in den Ladebildschirmen erscheinen, spricht Bände. Nicht nur das, auch das Verhältnis von Spielzeit zu Wartezeit ist in der fertigen, mir vorliegenden Version gewaltig in die Hose gegangen. Während es im Tutorial noch zu verschmerzen ist, dass man vielleicht fünf Minuten spielt, aber knapp 20 Minuten der präpubertären Hexe beim Fluchen zuhört (nicht, dass es nicht lustig wäre), geht das spätestens im ersten Kapitel nicht mehr.

Leider macht The Witch and the Hundred Knight genau den Fehler, dass dieses Ungleichgewicht weitergeschleppt wird. So könnt ihr nicht eine einzige Stage abschließen, ohne dass zumindest ein gleich langer Dialog sich dazwischenquetscht. Das Problem ist, dass die Handlung eigentlich nur eine Ausrede dafür ist, warum der Hundred Knight von A nach B gelangen muss, und darüber hinaus die Charaktere ziemlich wenig Tiefe aufweisen. Schon bald seid ihr geneigt, alle Dialoge zu überspringen, damit ihr wieder euren Hundred Knight steuern dürft. Ahh, diese Ruhe. Er spricht nämlich nicht.

Gute Ideen, Umsetzung meh

Dass sich NIS mit diesem Titel viel vorgenommen hat, liegt auf der Hand. Nicht weniger als zwölf wichtige Charaktere habe ich in meiner Testzeit gezählt, die Waffensysteme wirken wie ein Ergebnis endloser Versuche, den/die SpielerIn nicht zu mächtig werden zu lassen, die Dialoglänge hätte auch für ein Spiel mit der vierfachen Spielzeit gereicht und die Mechanismen wie das Raid-System, um die einzelnen Dörfer in den Stages zu unterwerfen, würden auch einem reinen Strategiespiel gerecht.

Alles in allem scheitert The Witch and the Hundred Knight an der nicht konsequenten Umsetzung. Anstatt die Anzahl der Mechanismen und Systeme etwas zu reduzieren und dafür mit den wenigen Elementen richtig in die Tiefe zu gehen, kratzt hier alles eher nur an der Oberfläche. Das Raid-System beispielsweise ist keine Herausforderung, sobald der Hundred Knight eine gewisse Stufe erreicht hat, und ist in etwa so spannend wie das Öffnen einer Schatztruhe. Besser noch, sobald ihr nämlich ein paar Dörfer komplett unterjocht habt, kommt der fiese Karmalevel ins Spiel und verteuert euch die Preise bei den HändlerInnen, obwohl ihr deren Schicksal in Wahrheit in euren fiesen Händen habt.

Wozu diese Mechanismen letzten Endes gut sind, weiß ich nicht. Die HändlerInnen hatten selten bis nie etwas, was mein Hundred Knight wirklich brauchte, und selbst wenn, fand ich in spätestens einer Stunde einen gleichwertigen oder besseren Gegenstand. Ihr seht also: Nicht alles in The Witch and the Hundred Knight wurde zu Ende gedacht, und vielleicht wäre es besser gewesen, noch ein paar Monate in die Entwicklung zu stecken oder vielleicht doch ein, zwei Mechanismen wieder herauszunehmen.

The Witch and the Hundred Knight: Hundert Punkte?

Es ist wie ein Puzzle, bei dem die Teile nicht hundertprozentig zueinander passen: Das Kampfsystem beginnt als Hack-and-Slay, bevor die taktische und ausrüstungstechnische Komponente hinzugefügt wird. Dann kommen Herausforderungen in Form von Bosskämpfen und Zeitlimits in Form des GigaCal-Anzeigers, was sich aber durch kluges Ausrüsten von Waffen wieder in Schach halten lässt. Das eher unnütze Raid-System hat wenig Sinn und macht nur ein paar Minuten Spaß, und das ewige Stop-and-go-Spielprinzip ist wegen der vielen Dialoge mitten im Gameplay das gröbste Foul überhaupt.

Dennoch hat The Witch and the Hundred Knight irgendwo, irgendwie seinen ganz eigenen Charme. Klar ist die Hexe Metallia nervig, klar wiederholen sich die Pointen, und klar ist der schräg-abgefahrene Humor bestimmt nicht die Sache aller SpielerInnen. Aber wer sich richtig mit dem Spiel anfreunden kann und die Dialoge eher genießt, anstatt sie zu überspringen (dann übersieht man nämlich gern das nächste Ziel!), hat bestimmt eine gute Zeit mit dem Titel. Ich persönlich gehöre eher zur zweiten Gruppe, da ich einfach auf den NIS-Humor und die Implementierung der schaurig-doofen Charaktere stehe. Mir ist aber durchaus bewusst, dass ich damit einer Minderheit angehöre: einer kleinen, wunderbaren Minderheit, die sich ein Leben ohne abgedrehte JRPGs einfach nicht vorstellen kann.

Wertung: 7.5 Pixel

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