Schickt einen Klempner! – Sonic Mania im Test

von Marianne Kräuter 04.01.2018

Dass Nostalgie unser Urteilsvermögen beeinträchtigt, ist gemeinhin bekannt. Je länger etwas zurückliegt, desto selektiver und eingeschränkter bleibt es in unserer Erinnerung. Sonic Mania liefert die Gelegenheit, verklärte Erinnerungen an die goldene Ära des blauen Igels gegen die Realität antreten zu lassen. Ein Kampf, der nur in Schmerz enden kann.

Retro-Remix

Doch lasst uns zunächst mit dem Inhalt beginnen, der in Sonic Mania geboten wird und ganz ordentlich ausgefallen ist. Das Spiel beinhaltet insgesamt zwölf Level, die aus je zwei Akten bestehen. Vier davon wurden neu für Sonic Mania entwickelt, die anderen acht bestehen im ersten Akt aus altbekannten Leveln der ersten Sonic-Teile. Für den zweiten Akt wurden “neue” Level aus den Versatzstücken der ursprünglichen Klassiker zusammen gezimmert. Natürlich rast Sonic durch die Green Hill Zone, doch auch exotischere Welten, wie eine chemische Fabrik, ein TV Studio oder Lavaseen haben in Sonic Mania Einzug erhalten.

Hier möchte ich die Vielfalt loben, die die unterschiedlichen Level bieten. Stets gibt es neue Platforming-Elemente oder Gegnertypen zu entdecken. Bis man alle möglichen Pfade, Geheimgänge und versteckten Räume eines Levels erkundet hat, dauert es eine Weile.  Ebenfalls die audiovisuelle Gestaltung ist eine Freude. Von den farbenfrohen Hintergründen über die kleinen, liebevollen Charakteranimationen bis hin zum schwungvollen Soundtrack ist Sonic Mania ein Genuss für Augen und Ohren.

Ein Gegen-die-Zeit-Modus und ein Offline-Versus-Wettkampf, in dem man mit FreundInnen um die Wette spielen kann, sorgen für etwas Abwechslung. Wer genug von Sonic hat, kann auch als Tails oder Knuckles spielen, die mit ihren speziellen Fähigkeiten (fliegen, klettern) neue Erkundungsmöglichkeiten bieten. Auch ein paar Minigames schaltet man im Laufe des Spiels frei.

Klassisches Gameplay

Ganz klassisch jagt unser Held Sonic in 2D durch die Spielwelten voller Loopings, Stacheln, Seilrutschen, Sprungplattformen und Gegner und sammelt auf dem Weg Power-Ups sowie goldene Ringe ein. Am Ende eines jeden Akts erwartet Sonic ein Bosskampf, in dem man gegnerischen Attacken ausweichen und den Bösewicht seinerseits oft genug rammen muss.

Nach heutigen Maßstäben ist der Schwierigkeitsgrad etwas knackig, aber fair. Wird Sonic einmal getroffen, verliert er all seine Ringe. Sammelt man bis zum nächsten Treffer keine Ringe mehr ein, war’s das für den blauen Igel und er startet am letzten der recht großzügig verteilten Checkpoints. Allerdings hat Sonic nur eine begrenzte Anzahl an Leben zur Verfügung. Sind alle Leben verloren, heißt es Game Over und die momentane Zone muss mit Akt 1 erneut gestartet werden.

Pacing und Präzision

Klingt soweit doch recht gut, oder? Leider hat Sonic Mania in zwei Punkten große Probleme: Dem Pacing der Level sowie Sonics Steuerung.

Das vom Level geforderte Tempo ändert sich ohne Vorwarnung, was durchaus frustig sein kann. Gewisse Passagen, wie Loopings oder hohe Wände erfordern einiges an Geschwindigkeit, um sie zu überqueren. Läuft man also zu zaghaft durch die Zonen, um nicht von Gegnern, Abgründen oder spitzen Hindernissen überrascht zu werden, muss man des öfteren zurückgehen und Anlauf nehmen, um einen Sprung zu schaffen. Klar, dass das wenig Spaß macht. Ist man jedoch zu schnell unterwegs, übersieht man leicht hinterhältig plazierte Gegner und Hindernisse, die Sonic’s rasanten Flow schmerzhaft abrupt abbremsen.

Am deutlichsten wurde diese Diskrepanz für mich im zweiten Level, der Chemiefabrik, in dem meine rasante Achterbahnfahrt abrupt in einem Säurebad endete. Nur mittels sich lähmend langsam bewegender Blöcke gibt es ein Entkommen aus dem Schacht. Ein falscher, träger Sprung in der Flüssigkeit und Sonic geht die Puste aus.

Hier wird Sonic wohl ertrinken :'(

Das bringt mich direkt zu meinem zweiten großen Kritikpunkt: Sonic steuert sich unglaublich träge! Selbst ein Vorwärtssprung aus dem Stand lässt den Igel beim Landen noch etwas weiterschlittern. Spätestens ab der zweiten Zone des Spiels wird eine Präzision im Platforming gefordert, die von der ungenauen Steuerung kaum erfüllt wird. Die Mehrzahl meiner Tode ist darauf zurückzuführen, dass ich von einer Plattform rutschte oder es nicht rechtzeitig auf eine Plattform schaffte. Das bremste nicht nur meinen Fortschritt, sondern auch den Spielspaß. In mir regt sich daher die blasphemische Frage: “War Sonic jemals so gut, wie wir vermeintlich in Erinnerung haben?”

Schade, Schokolade

Ach, wie gerne möchte ich dieses Spiel gut finden! Ich mag die abwechslungsreichen, verzweigten, bunten, liebevoll detaillierten Level. Ich mag, wie viel es an allen Ecken und Enden zu entdecken gibt. Ich mag die schmissige Musik. Und das kreative Gegnerdesign.

Doch gerade an seinem Herzstück scheitert Sonic Mania: Der titelgebende Protagonist steuert sich für die vom Spiel verlangte Präzision viel zu träge und ungenau. Oft verfluchte ich das große Momentum des blauen Igels und wünschte mir insgeheim einen schnauzbärtigen Klempner herbei.

Wertung: 6.9 Pixel

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